Hamburg. Die Zahl der Taten am UKE ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Die Interpretation der AfD lässt allerdings Zweifel wachsen.
Gibt es eine gestiegene Zahl an Gewalttaten gegen Ärztinnen und Ärzte in Hamburger Krankenhäusern? Die AfD-Interpretation einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der rechtspopulistischen Partei legt das nahe. Allerdings gibt es Zweifel an dieser Lesart, wie unter anderem Zahlen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zeigen.
Anlass für die Anfrage der AfD waren Übergriffe zum Beispiel in Notaufnahmen der Hamburger Kliniken, über die auch das Abendblatt immer wieder berichtet hat. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass eine systematische Erfassung der Fälle wie etwa im UKE erst in den vergangenen Jahren eingesetzt hat. Im Vordergrund stehen nun auch Fälle, die sich nicht auf den psychiatrischen Stationen abspielen, wo es erheblich öfter zu Übergriffen kommt.
Krankenhaus Hamburg: Mehr Gewalt gegen Ärzte und Pflegekräfte?
Die AfD erklärte aufgrund der Senatsantwort, im UKE steige die Gewalt „seit Jahren“. Liest man die Senatsantwort genau, liefern nur wenige Häuser überhaupt Zahlen. Und nur im UKE ist ein tatsächlich hoher Anstieg zu beobachten: von 3 Übergriffen (2019), über 2 (2020), 11 (2021) und 34 (2022) auf 70 registrierte Gewalttaten (2023).
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, Thomas Reich, sagte: „Ich verurteile die körperlichen Angriffe auf Ärzte, Pflegepersonal und Rettungskräfte auf das Schärfste.“ Im UKE müsse mehr als einmal pro Woche das „medizinische Personal um Leib und Leben fürchten“. Er forderte den Senat auf, das Krankenhauspersonal besser vor Gewalttätern zu schützen.
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Die Senatsantwort zeigt gleichzeitig, dass eine Reihe von Hamburger Krankenhäusern eigene Sicherheitsdienste beschäftigt, die ebenso betraut sind mit Aufgaben wie Pförtner- und Schlüsseldiensten sowie der Verkehrssicherheit auf den Klinikgeländen. Die sieben Asklepios-Krankenhäuser wenden laut Senat einen „hohen einstelligen Millionenbetrag“ pro Jahr auf, um vor allem auf den psychiatrischen Stationen Übergriffe zu verhindern, wie es heißt.
„Hierbei handelt es sich um Kosten, die zum Schutz der Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten aufgebracht werden müssen, obwohl eine Refinanzierung im Krankenhausfinanzierungssystem nicht vorgesehen ist.“ Einige Kliniken – auch mit Notaufnahmen – kommen ohne Sicherheitsleute aus.
AfD sieht Migration als Treiber von Gewalt im Krankenhaus
Bundesweit belegen die Statistiken der Berufsgenossenschaft keinen Anstieg der „Schreck- und Gewaltvorfälle“ zwischen 2018 und 2022, wie sie im Versicherungsjargon genannt werden. Die Zahlen sollten verlässlich sein. Sie beruhen auf Meldungen von Opfern und ihren Arbeitgebern. Arbeitnehmer können aus diesen Vorfällen unter Umständen Reha- oder Rentenansprüche ableiten.
Auf Branchen bezogen rangieren Kliniken (14 Prozent) nur auf Platz drei der häufigsten Gewaltvorfälle hinter Beratung und Betreuung (35) und Pflege (28). Die Berufsgenossenschaft schreibt in ihrem jüngsten Bericht: „Die meisten Schreck- und Gewaltvorfälle ereignen sich dabei in stationären Wohnformen für kranke Menschen und Menschen mit Behinderung (41 Prozent).“
Das war offenbar nicht die gewollte Stoßrichtung der AfD-Anfrage an den Senat. Die Abgeordneten leiteten ihr Auskunftsbegehren in der Drucksache 22/14018 so ein: „Mit der millionenfachen Aufnahme von Migranten sind Gewalttaten massiv angestiegen. Leider sind auch Rettungskräfte von Angriffen betroffen. Sicherheitsdienste in Schulen oder Krankenhäusern sind mittlerweile zur deutschen ,Normalität‘ geworden.“