Hamburg. Der Wolkenkratzer in der HafenCity mag eine verrückte Idee gewesen sein. Ein Torso an den Elbbrücken aber wäre noch viel verrückter.

Erinnern wir uns noch einmal an den letzten großen Auftritt des Bürgermeisters Olaf Scholz im Rathaus, damals vor sechs Jahren. Eigentlich war das erfolgreiche Stadtoberhaupt schon unterwegs ins Finanzministerium nach Berlin, aber diese letzte Präsentation wollte er sich nicht nehmen lassen, weder von einer starken Erkältung noch von der neuen Aufgabe in der Großen Koalition.

So viel Begeisterung hatte man beim eher nüchtern-norddeutschen Scholz selten gespürt. Der Elbtower sei ein selbstbewusstes, elegantes und schönes Haus. Er passe in seiner klassischen Haltung zum neuen Hamburg. Und: „Ich bin sicher, dieses Haus ist ein großer Gewinn für Hamburg und seine Menschen, auch wenn man sich an den Turm erst wird gewöhnen müssen.“

Zu Beginn waren viele begeistert – und sahen die Gefahren nicht

Der kleine Schwenk zurück auf diesen 8. Februar 2018 ist nicht hämisch zu verstehen – auch das Abendblatt und der Autor dieser Zeilen waren von dem Entwurf des renommierten Büros David Chipperfield angetan. Natürlich hätte man damals die Frage stellen können, ob der Hamburger Immobilienmarkt noch weitere gut 100.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche benötige.

Man hätte diskutieren können, warum ausgerechnet der schon damals nicht besonders gut beleumundete Investor René Benko aus Österreich den Elbtower bauen soll. Und man hätte streiten können, ob diese Stadt der Kirchtürme plötzlich einen Wolkenkratzer benötigt. Allein: Es blieb danach fast gespenstisch ruhig, nur wenige Hamburger hatten etwas dagegen einzuwenden.

Manche Kritik klingt heute ziemlich besserwisserisch

Manche Kritik heute klingt wohlfeil: Ohne die unerwartet rasanten Zinserhöhungen würde der Rohbau das Elbtowers bald seiner Vollendung entgegenstreben. Und Investoren wie Klaus-Michael Kühne, die Signal Iduna oder die Commerz Real zeigen, dass der Turmbau zu Hamburg eben auch eine wirtschaftliche Chance hatte. Hätte sich die Welt nach 2018 so weitergedreht wie erwartet, der Elbtower wäre fertig geworden.

Hätte, hätte, Fahrradkette.

Nun hat die Stadt einen rund 100 Meter hohen Torso, und die Politik flieht aus der Verantwortung. Sie hat dem Insolvenzverwalter überlassen, eine Lösung für den „Kurzen Olaf“ an den Elbbrücken zu finden. Das mag politisch verständlich sein, besonders klug ist es nicht.

Der Elbtower war politischer Wunsch, jetzt kann sich der Senat nicht davonstehlen

Auch wenn Bürgermeister Peter Tschentscher und Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (beide SPD) unisono darauf verweisen, dass der Elbtower ein privates Investment ist, leugnen sie den gewaltigen politischen Überbau. Dieser rot-grüne Senat (und andere wohl auch) wollten diesen Elbtower politisch, er hat das Grundstück verkauft, er hat sich mit den zumindest zweifelhaften Garantien eines Herrn Benko zufriedengegeben.

Nun fällt das Elbtower-Desaster der Politik auf die Füße. Natürlich kann und soll sie den Wolkenkratzer nicht weiterbauen. Sie kann und muss aber moderieren und mit den interessierten Investoren nach Lösungen suchen. Die wundern sich mehr und mehr darüber, dass sich die Stadt bei dieser wichtigen Immobilie, die ein Symbol des Scheiterns werden könnte, einen schlanken Fuß macht.

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Too big to fail, zu groß, um zu scheitern, galt als Losung der Bankenrettung. Gleiches gilt für eine Rettung des eigentlich erfolgreichen Stadterweiterungsprojekts HafenCity. Die Stadt muss nicht unbedingt Geld in die Hand nehmen, sie könnte aber Investoren ermutigen, manche Vorschriften überdenken oder sogar als Mieter auftreten.

Matthias Iken ist stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.
Matthias Iken ist stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts. © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Der Elbtower war das politische Vermächtnis von Olaf Scholz. Was wäre das Scheitern des Baus dann für Peter Tschentscher?