Hamburg. Rund 1000 Menschen spenden für Familie aus Ghana. Wie der Stand der Ermittlungen ist – und welche Vorwürfe wiederum die AfD erhebt.

Zum Wochenstart sah die Griegstraße wieder so aus, wie die Griegstraße in Ottensen meistens aussieht: rote Backsteinhäuser hier, das Stadion von Altona 93 dort und an fast jedem Laternenpfahl ein angeschlossenes Fahrrad. Da noch ein Fußgänger, ansonsten eben typische Altona-Ottensen-Wohnviertel-Atmosphäre.

Sonntagnachmittag sah die Griegstraße noch ganz anders aus. Mehr als 2500 Menschen drängelten sich in der engen Straße rund um die Adolf-Jäger-Kampfbahn. Das Bündnis Griegstraße, ein loser und spontaner Zusammenschluss von Aktivistinnen und Aktivisten, hatte zu einer Demonstration aufgerufen, nachdem es einen offenbar rassistisch motivierten Überfall auf eine Anwohnerin und ihre Familie gegeben hatte.

Unbekannte hatten Familie rassistisch beleidigt und bedroht

Der Hintergrund: Unbekannte hatten in der vergangenen Woche an der Griegstraße die Wohnungstür einer ghanaischen Mutter von zwei Kindern mit Flyern der AfD und Zetteln beklebt, auf denen rassistische Beleidigungen und Drohungen zu lesen waren.

„Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln“ oder „Mehr Wohnraum! Auch durch Abschiebung!“ stand auf den DIN-A4-Bögen. Ein Kinderwagen wurde in Brand gesetzt. Und auf der Türschwelle legten der oder die Täter faulige Gemüseabfälle ab.

Der Hintergrund der Demos: In der vergangenen Woche wurden mehrere rassistische Plakate an die Wohnungstür einer dunkelhäutigen Familie aus Ottensen geklebt, dazu wurde Müll vor die Tür gelegt, ein Kinderwagen wurde in Brand gesetzt.
Der Hintergrund der Demos: In der vergangenen Woche wurden mehrere rassistische Plakate an die Wohnungstür einer dunkelhäutigen Familie aus Ottensen geklebt, dazu wurde Müll vor die Tür gelegt, ein Kinderwagen wurde in Brand gesetzt. © picture alliance / | picture alliance

Doch so schlimm und verwerflich der Vorfall auch war, so groß war in den Tagen danach die spontane Anteilnahme. Am Freitag zogen bereits schätzungsweise mehr als 2500 Unterstützer unter dem Motto „Ottensen bleibt bunt“ vom Bahnhof Altona über die Friedensallee bis zur Griegstraße. Am Sonntag trafen sich dort dann noch einmal rund 2500 Demonstranten.

Nach der zweiten Demo haben die Organisatoren der Aktion die zweifache Mutter besucht und berichtet. „Sie freut sich sehr über die Solidarität und ist von Reaktionen in der Stadt überwältigt. Ihr war wichtig, dass wir jeder einzelnen Person danken, die sich um die Sicherheit ihrer Familie Gedanken macht und ihnen hilft“, sagt eine Sprecherin des Bündnis Griegstraße.

Rund 1000 Hamburger spendeten für betroffene Familie

Tatsächlich geht die Hilfe auch über wohlmeinende Worte und Slogans hinaus. Mehr als 500 Personen haben online für die betroffene Familie gespendet, mehrere Hundert gaben am Freitag und Sonntag Barspenden ab. Aus Schutz und zur Wahrung der Privatsphäre der Frau aus Ghana wird allerdings keine konkrete Gesamtsumme genannt.

Doch dem Bündnis Griegstraße ist das noch nicht genug. Eine Sprecherin formuliert konkrete Forderungen an die Politik und die Polizei. „Die Politik muss in solchen Fällen wesentlich schneller agieren. Betroffenen rechter Gewalt muss sofort, unkompliziert und unbürokratisch geholfen werden. Zum Beispiel muss sofort eine adäquate, sichere Wohnung zur Verfügung gestellt werden, die den Bedürfnissen der Betroffenen entspricht“, heißt es in einer Antwort auf eine Abendblatt-Anfrage.

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Und weiter: „Die Zettel an der Tür enthalten konkrete rassistische Morddrohungen. Im Kontext mit dem abgebrannten Kinderwagen ergibt dies eine eklatante Bedrohungslage für die Familie“, sagt die Sprecherin.

„Wir haben keinen Einblick in die Ermittlungen, erwarten aber, angesichts der Zunahme von rechter Gewalt und Hasskriminalität von rechts, dass die Polizei alle möglichen Ermittlungen in die Wege leitet.“

Die Überreste des in Brand gesetzten Kinderwagens.
Die Überreste des in Brand gesetzten Kinderwagens. © Hamburger Abendblatt | Achim Leoni

Und das macht die Polizei. Nach Abendblatt-Informationen ermittelt die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes (LKA 7) unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzungen und Beleidigung.

Der angezündete Kinderwagen gilt als Sachbeschädigung, da er aus dem Haus geholt und draußen angesteckt wurde. Somit haben keine ersten Gebäudeteile oder ein Kraftfahrzeug gebrannt, was eine Voraussetzung wäre, damit wegen Brandstiftung ermittelt werden kann.

Polizei: Beim Kinderwagen muss man von Vorsatz ausgehen

Die Ermittlungen enthalten Nachbarschaftsbefragungen und die Vernehmung möglicher Zeugen. Die angebrachten Schmäh-Flugblätter wurden ebenso sichergestellt wie die Reste des Kinderwagens. Bei dem ist bereits klar, dass er nicht durch einen technischen Defekt, Selbstentzündung oder Ähnliches in Brand geraten konnte und somit Vorsatz auf der Hand liegt.

Flugblätter können kriminaltechnisch untersucht werden, um beispielsweise Fingerspuren zu sichern. Bei den Ermittlungen spielen auch die Verschlussverhältnisse in dem Haus eine Rolle, um zu prüfen, ob überhaupt jemand von außen sich hätte Zugang zu dem Haus verschaffen können. Bei allen Ermittlungen werden bei Bedarf Experten aus anderen Bereichen der Polizei hinzugezogen.

Polizei geht von einem eskalierenden Nachbarschaftsstreit aus

Selbstverständlich werden auch Erkenntnisse aus der Vergangenheit, wie frühere Anzeigen oder Vorfälle mitbewertet. Die Polizei geht aktuell von einem eskalierenden Nachbarschaftsstreit aus.

Weil auf den Flyern, die an der Tür der Mutter geklebt waren, auch mehrere AfD-Forderungen formuliert wurden, bat das Abendblatt auch die Rechtspartei um eine Stellungnahme. Diese folgte wenige Stunden später schriftlich.

AfD stellt unbewiesene „False-Flag-Behauptung“ in den Raum

„Für jeden Unbeteiligten sieht diese Tat auf den ersten Blick wie eine False-Flag-Aktion aus“, heißt es in dem Statement, das diese Behauptung allerdings in keiner Weise durch Fakten untermauert. „Jeder kann sich aus dem Internet das Logo der AfD und entsprechende Flyer ausdrucken und wo auch immer hinterlassen“, heißt es lediglich.

Zudem würden sich „die grotesken Vorwürfe“ anreihen „in die gegenwärtige böswillige Massenhysterie, die von interessierten politischen Kreisen nach dem sogenannten ‚Geheimtreffen‘ von Potsdam gegen die AfD erzeugt wurde. Wir warten mit großem Interesse die polizeilichen Ermittlungen ab.“

Das, und nur das, haben AfD und die betroffene Familie gemein.