Hamburg. „Ottensen bleibt bunt“: Menschen gehen wegen Hassparolen an Wohnungstür auf die Straße. Spendenaufruf gestartet, weitere Demo geplant.
Es war ein starkes Zeichen, das am Freitagabend im Kampf gegen rechts gesetzt wurde. Trotz nasskalten Hamburger Schmuddelwetters demonstrierten knapp 3000 Menschen in Altona gegen Rassismus.
Das Motto der Demonstration: „Hamburg ist bunt – alle zusammen gegen Faschismus“. Während der Veranstalter von 2800 Teilnehmern in der Spitze sprach, erklärte die Polizei, dass es 2500 Demonstrierende waren.
Demonstration in Hamburg-Ottensen: 3000 Menschen protestieren gegen rechts
Die Demonstrierenden liefen mit Schildern, regenbogenfarbenen Regenschirmen – an diesem ungemütlichen Tag ein hilfreiches Symbol gegen rechts – und Gesängen vom Bahnhof Altona über die Friedensallee bis zur Griegstraße. Bis zu dem Ort, an dem in der Nacht zum Montag eine alleinerziehende Mutter aus Ghana und ihre zwei Kinder (drei und fünf Jahre alt) Opfer einer rassistisch motivierten Attacke wurden.
„Aus zwei Gründen war es wichtig, so schnell wie möglich und so stark wie möglich eine Demonstration auf die Beine zu stellen. Einerseits der Familie das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein, dass es viele Menschen im Bezirk gibt, die sich solidarisieren und sich schützend vor sie stellen. Andererseits ist wichtig, ein Zeichen in die Zivilgesellschaft zu senden und aufzurufen, sich an der Solidarität zu beteiligen“, sagte Cansu Özdemir, innenpolitische Sprecherin der Linken in Hamburg, im Gespräch mit dem Abendblatt.
Grünen-Politikerin Engels: „Hamburg und Altona bleiben bunt“
Die Polizei ging am Vormittag noch von rund 500 Demonstrienden aus. Doch das Schicksal der ghanaischen Familie hat nicht nur die Menschen in Ottensen berührt. Menschen aller Altersgruppen erhoben ihre Stimme gegen den Rassismus.
„Das hat mich wirklich sehr mitgenommen. Ich bin in einem westfälischen Dorf aufgewachsen und weiß, dass es diese rechten Tendenzen schon länger gibt, aber dass sich jemand so etwas im links-grün-versifften Ottensen traut, gegen eine alleinerziehende Mutter rassistisch vorzugehen, hat mich getroffen“, sagte Christiane aus Bahrenfeld, die mit ihrer Tochter auf der Demo war und selbst früher im Bezirk Altona gewohnt hat. „Daher ist superwichtig, überall ein Zeichen der Solidarität zu setzen. In der Chatgruppe meiner Tochter in der Schule, im Supermarkt, an jedem Ort. Den Faschisten darf man keinen Fußbreit Platz lassen“, fügte sie an.
Immer wieder hallten Schlachtrufe durch die Straßen. „Ganz Altona hasst die AfD“, „Wir sind mehr“ und „Alle zusammen gegen den Faschismus“ skandierten die Menschen.
Neben der Linken waren auch andere Parteien unter den Demonstrierenden. Mareike Engels, Abgeordnete der Grünen in Altona, hielt eine emotionale Rede, die ihr viel Applaus einbrachte. „So ein Vorfall darf sich nicht wiederholen. Jeder, egal ob schwarz, jüdisch oder queer, soll sich hier sicher fühlen. Wir müssen wachsam sein. Altona und Hamburg bleiben bunt“, sagte die Politikerin.
Hamburg-Ottensen: Demo wegen rassistischer Attacke gegen Familie
Anlass dieser kurzfristig angemeldeten Demonstration war ein rassistisch motivierter Angriff auf eine aus Ghana stammende Familie zu Wochenbeginn. Unbekannte hatten an der Griegstraße die Wohnungstür der Mutter mit Flyern der AfD und Zetteln, auf denen rassistische Beleidigungen und Drohungen zu lesen waren, beklebt.
„Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln“ oder „Mehr Wohnraum! Auch durch Abschiebung!“ stand auf den DIN-A4-Bögen. Zudem wurde ein Kinderwagen in Brand gesetzt. Und auf der Türschwelle legten die Täter faulige Gemüseabfälle ab.
Die betroffene Frau war erst vor einem Jahr in die Saga-Wohnung gezogen. Mehreren Medien berichtete sie von Streitigkeiten mit Nachbarn, die sich durch Lärm ihres behinderten Sohnes gestört fühlten und sie rassistisch beleidigt hätten. Nun suche sie für sich und ihre Familie dringend eine neue Bleibe, weil sie sich nicht mehr sicher fühle.
Rassismus-Attacke: Altona 93 startet Spendenaufruf
Um zu helfen, hat der Fußball-Oberligist Altona 93 einen Spendenaufruf ins Leben gerufen. Beim Heimspiel gegen den TSV Sasel am Sonnabend (15.30 Uhr) können Fans spenden. „Die Familie ist traumatisiert und benötigt für den schnellstmöglichen Umzug in ein neues Zuhause finanzielle Unterstützung. Wir tolerieren keine Fremdenfeindlichkeit und Hetze und solidarisieren uns mit allen Menschen, die diesen Repressalien tagtäglich ausgesetzt sind“, schrieb der Vorstand des Vereins auf seiner Internetseite. Wer nicht im Stadion sein kann, hat die Möglichkeit, über PayPal seine Solidarität zu zeigen.
Demo in Ottensen: „Entschlossen gegen rassistische Hetze ankämpfen“
Cansu Özdemir freut sich über die große Anteilnahme und Hilfsbereitschaft im Bezirk. Versammlungen wie die am Freitagnachmittag senden aus ihrer Sicht gleich in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Botschaft: „Diese Demonstrationen sind ein Signal in Richtung der rassistischen Hetzer, der rassistischen Parteien, die gewisse Pläne und Fantasien in Bezug auf Menschen mit Migrationsgeschichte haben. Sie sehen, dass viele Menschen eben nicht so denken wie sie. Die großen Demos der vergangenen Wochen machen die AfD und andere rechte Kräfte ziemlich nervös“, glaubt die Politikerin.
Doch auch sie macht keinen Hehl daraus, dass es ein Kraftakt wird, sich den zunehmend stärker werdenden rechten Parteien entgegenzustellen. Deshalb nahm sie am Rande der Demonstration in Ottensen auch die Politik in die Pflicht. „Die demokratischen Parteien müssen eine andere Politik machen. Also nicht die Parolen der AfD aufgreifen und sich anbiedern, sondern eine deutliche Grenze zwischen der AfD und demokratischen Partien ziehen. Politik und Zivilgesellschaft müssen zusammenhalten. Es geht nur Hand in Hand. Die Brandmauer gegen rechts muss stabil sein“, appellierte Özdemir.
- Gefahr für die Demokratie: Immer mehr rechte Gewalt
- „Omas gegen Rechts“ kämpfen gegen den Höhenflug der AfD
- Gewalt, Vergewaltigung, Raub: „Besorgniserregende Zahlen“
Unterstützung erhält Özdemir auch von den Linken aus dem Bezirk Altona, die auf die Idee gekommen waren, eine spontane Demonstration ins Leben zu rufen. „Wir sind alle Teil dieser Gesellschaft, und das ist auch gut so“, so Suzana Kamperidis, Sprecherin des Bezirksverbandes Altona. „Unsere Solidarität gilt der betroffenen Familie und allen Menschen, die von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind. Wir wollen in unserem Stadtteil dafür kämpfen und auf die Straße gehen.“
Am späten Nachmittag äußerte sich auch Stefanie von Berg, grüne Bezirksamtleiterin in Altona, zu dem rassistisch motivierten Angriff in Ottensen. „Den fremdenfeindlichen Übergriff auf eine Familie in unserem weltoffenen Bezirk verurteilen wir in aller Deutlichkeit. Wir in Altona stehen zusammen und tolerieren keine fremdenfeindlichen und rassistischen Angriffe jeder Art“, so von Berg.
Ottensen: Familie rassistisch bedroht – weitere Demo am Sonntag
Nach der Demo am Freitag wird es am Sonntag (11. Februar) eine weitere Versammlung geben. Nachbarn der Familie, die Opfer des rassistischen Angriffs geworden war, rufen ebenfalls zu einer Demonstration auf. Um 14 Uhr beginnt an der Griegstraße/Ecke Friesenweg die Kundgebung, die unter dem Motto „Für ein solidarisches Hamburg: Come together – wir stehen zusammen“ steht.
Die Initiatoren stehen in Kontakt mit der betroffenen Familie. „Wir lassen die Betroffenen nicht allein. Kommt am Sonntag auf die Straße, vernetzt euch, tauscht euch aus, und seid laut gegen Rassismus und für eine solidarische Nachbarschaft“, heißt es bei Facebook in dem Aufruf zur Demo.