Hamburg. Jetzt sind nur noch zwei Demonstranten vom Rondenbarg wegen Landfriedensbruchs vor Gericht. Das sind die Gründe.
Da sind es nur noch zwei. Der junge Mann und die junge Frau sind die einzigen noch verbliebenen Angeklagten im Prozess um die Demonstration gegen den G20-Gipfel am Rondenbarg. Und es scheint, als seien diese beiden für ihr Umfeld so etwas wie Helden. Als der 29-Jährige und die 34-Jährige den Verhandlungssaal im Landgericht betreten, wird aus dem Zuschauerbereich applaudiert. Vielleicht soll das so viel heißen wie: Gut, dass ihr euch nicht unterkriegen lasst.
Gegen drei weitere Angeklagte, die noch am ersten Tag beim Prozess in Sachen G20-Gipfel vor gut drei Wochen im Gerichtssaal saßen, wurde das Verfahren mittlerweile abgetrennt. Eine 51-Jährige ist erkrankt. Und zwei Beschuldigte im Alter von 36 und 29 Jahren haben signalisiert, dass sie bestimmte Auflagen akzeptieren werden, sodass die Verfahren gegen sie eingestellt werden können. Die 36-Jährige hat sich zuvor in einer schriftlichen Erklärung von Gewalt distanziert und wird eine Geldbuße von 600 Euro zahlen. Der 29-Jährige sowie seine Anwälte haben ebenfalls ihre Zustimmung zu einer Verfahrenseinstellung auf einer entsprechenden Grundlage signalisiert. Dieser Angeklagte soll eine Geldauflage von 300 Euro zahlen.
Prozess Hamburg: Angeklagten wird Landfriedensbruch vorgeworfen
In dem Prozess geht es um die Frage, ob die Angeklagten bei den G20-Protesten am 7. Juli 2017 am Rondenbarg einen Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall begangen haben. Laut Anklage sind sie jeweils Mittäter der Gewalthandlungen gewesen, die aus dem Aufzug heraus begangen worden seien. Jeder habe gewusst, dass einige aus der Gruppe unter anderem mit Steinen und Pyrotechnik bewaffnet gewesen sind und einen Angriff auf Polizeibeamte gebilligt. Durch das Mitmarschieren in geschlossener Formation hätten sie einen eigenen Tatbeitrag geleistet, wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor.
Die Entscheidung, sich als Einzige weiterhin dem Verfahren zu stellen, ist Nils J. und der 34-jährigen Frau aus Berlin nach eigenem Bekunden „nicht leichtgefallen“. Andere hätten das Angebot, das Verfahren gegen Auflagen einzustellen, „notgedrungen angenommen“, unter anderem, weil eine weitere Teilnahme am Prozess mit beruflichen und finanziellen Einbußen verbunden gewesen wäre.
Angeklagter: Wir sollen kriminalisiert werden. „Warum sollen wir Geld zahlen?“
Auch er und die 34-Jährige wünschten sich „ein schnelles Ende des Verfahrens“, betont Nils J. Gleichwohl wollten sie weiter kämpfen. Nach ihrer Lesart wäre es eine Kapitulation, die Auflagen der Staatsanwaltschaft zu akzeptieren. „Sie sind aus unserer Sicht Täter-Opfer-Umkehr“, meint der Angeklagte. Der 29-Jährige nennt die Auflagen einen „Versuch der Staatsanwaltschaft, uns und die Proteste zu kriminalisieren. Warum sollen wir Geld zahlen?“, fragt er.
Er meint, es seien eher Polizeibeamte und Politiker gefordert, sich von etwas zu distanzieren, was Nils J. einen „Gipfel der Gewalt“ nennt. Der 29-Jährige führt an, es seien damals 14 Demonstrierende am Rondenbarg von Krankenwagen abgeholt worden, „und kein einziger Polizeibeamter wurde verletzt“.
Das Verfahren müsse „noch heute und ohne Auflagen eingestellt werden“
Abwechselnd verlesen Nils J. und die 34-jährige Angeklagte eine Erklärung, in der es heißt, „zentrale Punkte der Anklage“ seien „in sich zusammengefallen“. Der Prozess gegen sie habe eine politische Dimension, denn die Versammlungsfreiheit sei „bedroht“. Allein die Möglichkeit, wegen einer Demonstration vor Gericht zu landen, könne Menschen davor abschrecken zu protestieren. Das Verfahren müsse „noch heute und ohne Auflagen eingestellt werden“, fordern die Angeklagten und ernten dafür erneut Beifall aus dem Zuschauerraum.
Dagegen argumentiert eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft, dass bei der Demonstration bereits Steine geworfen worden seien, bevor sich die Polizei überhaupt in Bewegung gesetzt habe. Schon am ersten Verhandlungstag hatte die Anklägerin ausgeführt, dass im Prozess mitnichten das im Grundgesetz verankerte Recht, friedlich und ohne Waffen zu demonstrieren, infrage gestellt werden solle. Der Aufmarsch am Rondenbarg sei allerdings „von Anfang an unfriedlich gewesen“, die Teilnehmer „teilweise bewaffnet“, so die Staatsanwältin. Und die hier Angeklagten seien „Teilnehmer der unfriedlichen Menge“ gewesen.
Staatsanwaltschaft: Aufmarsch war „von Anfang an unfriedlich“
Dass angesichts dieser so sehr unterschiedlichen Einschätzungen überhaupt die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen diskutiert wird, hatte die Vorsitzende Richterin beim Prozessauftakt angeregt. Sie hatte durchblicken lassen, dass wegen der erheblichen Verfahrensverzögerung, mit der der Prozess erst sechseinhalb Jahre nach den G20-Demonstrationen begonnen hat, den Angeklagten wohl keine hohen Strafen drohen.
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Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft ihre Bereitschaft signalisiert, das Verfahren einzustellen – vorausgesetzt, die Angeklagten würden erklären, dass sie sich allgemein von Gewalt distanzieren, ohne dass damit ein Schuldeingeständnis verbunden wäre. Außerdem müssten für die Beschuldigten Geldauflagen bestimmt werden.
G20 in Hamburg: Im Prozess werden Videos vom Demonstrationszug gezeigt
Am dritten Prozesstag gegen die letzten beiden Angeklagten werden nun diverse Videos, die bei der Demonstration gefilmt wurden, gezeigt. Auf ihnen ist der Protestzug zu erkennen und wie die Polizisten an jenem Morgen vorgingen. Unter anderem kam es zum Einsatz von Wasserwerfern, und etliche Demonstranten lagen schließlich am Boden, dicht neben ihnen Polizisten. Außerdem wird in mehreren Aufnahmen immer wieder an auf dem Boden liegende Steine sowie auf Gegenstände herangezoomt, die nach Pyrotechnik aussehen. Damit soll wohl gezeigt werden, dass zumindest einige aus dem Demonstrationszug bewaffnet gewesen seien.
Dagegen meint die Verteidigerin von Nils J., die Videos würden beweisen, dass Teile der Anklage „widerlegt sind“. Anders als in den Vorwürfen dargelegt, sei die Gruppe der Demonstranten nicht einheitlich schwarz gekleidet gewesen, nicht vermummt und sei auch nicht „marschiert“. Einige würden nur „schlendern“.
Rondenbarg: Konnten die Angeklagten sehen, ob es Steinewerfer gab?
Außerdem hätten insbesondere jene, die sich weiter vorne im Protestzug bewegten, nicht sehen können, dass möglicherweise hinter ihnen andere Personen Steine aufgenommen hätten. Eine gemeinsame Planung von Angriffen gegen Polizeibeamte habe es gerade nicht gegeben, so die Verteidigerin.
Die Staatsanwältin hält dem dagegen, dass, als manche aus der Gruppe Steine geworfen hätten, alle anderen die Möglichkeit gehabt hätten, sich aus dem Demonstrationszug zu entfernen und so zu distanzieren. „Das ist unterblieben.“ Deshalb würden die Angeklagten vor Gericht stehen. Der Prozess wird fortgesetzt.