Hamburg. Große Unterschiede bei Anmeldezahlen nach vierter Klasse. Wo in Hamburg fast 90 Prozent der Grundschüler auf ein Gymnasium wechseln.
Genau 14.641 Viertklässlerinnen und Viertklässler stehen derzeit vor dem Wechsel auf eine weiterführende Schule – und bei den Anmeldezahlen zwischen Gymnasium und Stadtteilschulen besteht hamburgweit nahezu ein Gleichgewicht. Doch das ist nur die Betrachtung für die ganze Stadt. Wie sieht es in den einzelnen Regionen aus? Hier ist die Verteilung sehr unterschiedlich – und sie folgt oftmals dem sozialen Status der Einzugsgebiete.
Zuletzt hatten 83 Prozent der 3002 Stadtteilschülerinnen und -schüler, die im Sommer 2021 das Abitur bestanden, am Ende ihrer Grundschule keine Gymnasialempfehlung. Andererseits hängt die Wahl der weiterführenden Schule weiterhin stark mit der Prognose der Lehrer am Ende der vierten Klasse zusammen. Von den Fünftklässlern des laufenden Schuljahres haben nur 5,1 Prozent eine Gymnasialprognose erhalten – nur jeder 20.
Schulwahl: Hamburg in 24 Schulregionen unterteilt
Nur 62 der 104 Stadtteile verfügen überhaupt über weiterführende Schulen. Deshalb betrachtet die Schulbehörde nicht die Stadtteile, sondern hat die Stadt in 24 Schulregionen unterteilt.
Die Spreizung ist teilweise extrem: Während in zwei Schulregionen westlich der Alster statistisch fast neun von zehn Kindern auf ein Gymnasium wechseln, wechseln in Billstedt, Horn und Billbrook mehr als 80 Prozent auf eine Stadtteilschule. In den Walddörfern im Norden der Stadt sind die Unterschiede nicht ganz so deutlich, aber ebenfalls ein Übergewicht der Gymnasien ablesbar.
Schulregion 8 sticht heraus
Auch in den Elbvororten von Rissen bis Othmarschen, in Eppendorf und Eimsbüttel, in Lokstedt und Niendorf, im Alstertal sowie in den Walddörfern liegen die achtjährigen Gymnasien deutlich vorn, wie aus der Behördenaufstellung hervorgeht. Im Osten der Stadt zwischen Horn und Billstedt, südlich der Elbe, in einigen Regionen im Westen der Stadt sowie in Barmbek und Dulsberg gehen die Kinder dagegen in der Mehrzahl auf eine neunjährige Stadtteilschule, so die Aufstellung der Schulbehörde.
Besonders sticht die Schulregion 8 heraus, zu der Eimsbüttel-Ost, Rotherbaum, Harvestehude und Hoheluft-West gerechnet werden. Hier wechseln besagte 87,7 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler aufs Gymnasium. Das Kerngebiet Eimsbüttel ist ein besonderes Phänomen: Es hat laut Schulbehörde die höchste Gymnasialdichte Europas mit den drei Gymnasien Kaiser-Friedrich-Ufer (Kaifu), Helene-Lange-Gymnasium und Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium. Zusammen kommen sie in einem Radius von nur 750 Metern auf insgesamt fast 3000 Schülerinnen und Schüler. Erweitert man den Radius auf 1500 Meter, sind noch das Gymnasium Hoheluft (gegründet 2012) und das Gymnasium Rotherbaum (gegründet 2021) hinzuzuzählen.
Gleich dahinter folgt die Schulregion 7 mit Bahrenfeld-West, Othmarschen-West, Groß Flottbek und Osdorf (ohne den Born). Hier wählen 87,5 Prozent der Kinder ein Gymnasium. Auch hier gibt es drei Gymnasien in unmittelbarer Nachbarschaft: Das Christianeum sowie die Gymnasien Hochrad und Othmarschen verfügen zusammen über rund 3000 Schülerinnen und Schüler.
Niendorf/Lokstedt: 72,2 Prozent wählen das Gymnasium
In der Schulregion 10 (Niendorf/Lokstedt) wählen 72,2 Prozent der Kinder und ihre Eltern ein Gymnasium, in der Schulregion 17 mit Poppenbüttel, Hummelsbüttel, Sasel und Wellingsbüttel sind es 67,9 Prozent. Auch in der Schulregion 18 mit Bergstedt, Duvenstedt, Lemsahl-Mellingstedt, Volksdorf und Wohldorf-Ohlstedt sind die Gymnasien noch spürbar beliebter bei den Eltern als im städtischen Durchschnitt.
Allerdings: In aller Regel muss ein Teil der Schülerschaft das Gymnasium spätestens nach der sechsten Klasse wieder verlassen, weil nicht die erforderlichen Leistungen erbracht werden. Rund 15 weiterführende Schulen mit besonderem Profil können auch dann überregional angewählt werden, wenn sie überangewählt sind.
In Billstedt wurde Stadtteilschule häufiger gewählt
Auf der anderen Seite wechseln in der Schulregion 2, die Billstedt, Horn und Billbrook umfasst, 83,7 Prozent der Schülerinnen und Schüler auf eine Stadtteilschule. In der Schulregion 201, zu der Allermöhe sowie die Vier- und Marschlande gezählt werden, wählen 71 Prozent der Kinder und ihre Eltern eine Stadtteilschule. Im Osdorfer Born und Lurup (Schulregion 5) sind es 69,3 Prozent, in Eidelstedt/Schnelsen (Region 11) 68,4 Prozent. Hinzu kommen in einigen Schulregionen den Daten zufolge insgesamt 209 Mädchen und Jungen, die eine sechsjährige Grundschule (Schulversuch) besuchen.
Interessant: Die Schulbehörde hat beobachtet, dass Familien in Stadtteilen mit sozialen Herausforderungen gerade beim Übergang in die weiterführende Schule für ihr Kind gerne eine Schule außerhalb des Stadtteils auswählen, in einem „besseren“ Viertel – in der Hoffnung, ihrem Kind damit perspektivisch einen sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Die Wahl der Schulform sagt jedoch nichts über den Abschluss aus, den das Kind eines Tages machen wird. Sowohl Gymnasium als auch Stadtteilschulen können zum Abitur führen.
Schulwahl: Bau von zusätzlichen Schulen geplant
Ausbauen möchte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) das Modell der Campusschule, mit dem beispielsweise die Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude und die Gyula-Trebitsch-Schule in Tonndorf bereits sehr erfolgreich sind. Dort lernen die Kinder bis zur sechsten Klasse gemeinsam, wechseln dann auf einen vierjährigen Gymnasialzweig oder aber einen fünfjährigen Stadtteilschulzweig, bevor sie in der Oberstufe wieder zusammenkommen.
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Wegen des wachsenden Bedarfs angesichts von steigenden Schülerzahlen plant Rabe die Neugründung von 44 zusätzlichen Schulen in Hamburg. Dabei sollen auch sieben neue Gymnasien entstehen. Mindestens sechs der dreizehn neuen Stadtteilschulen sollen zudem Gymnasialklassen nach dem Modell der Campus-Schule führen.