Hamburg. Er sei erschöpft, begründet der SPD-Politiker seinen Schritt und zieht Bilanz. „Hamburg ist bundesweit zum Schrittmacher geworden.“
Er gehörte drei Hamburger Senaten an, arbeitete unter zwei Bürgermeistern und absolvierte mehr als 100 Auftritte in der dienstäglichen Landespressekonferenz: Ties Rabe, dem sein Faible für Daten schon mal den Titel „Graf Zahl“ eintrug, hat ebendort zum Abschied aus dem Amt eine Bilanz seiner fast 13 Jahre als Hamburger Schulsenator gezogen. In dieser Zeit habe er mehr als 60 Kultusminister in den Bundesländern kommen und gehen sehen. Und das Hamburger Schulwesen habe einen Schülerzuwachs von 160.000 auf 200.000 zu organisieren gehabt. „Hamburg“, sagt Rabe, „ist in dieser Zeit bundesweit zum Schrittmacher der Bildungspolitik geworden.“
Vielleicht auch deshalb fällt Rabe der Abschied schwer. Er möge noch gar nicht daran denken, was jetzt komme, so der SPD-Politiker. „Am liebsten würde ich mich erst einmal vier Wochen lang ins Bett legen. Ich bin müde – schon sehr erschöpft.“ Im vergangenen Jahr sei er so oft krank geworden wie in den zwölf Jahren zuvor, sagte Rabe, der auch jetzt wieder an einem Infekt leidet. Er merke überdeutlich, wie seine Gesundheitsprobleme zugenommen hätten. „Da muss man sich ehrlich machen und sagen: ,So geht es nicht weiter.‘“ Die Aufgabe eines Schulsenators verlange schon ein Höchstmaß an Konzentration, Nervenstärke, Arbeitseinsatz und auch Standhaftigkeit. Und: „Ich wollte mich nicht durchs Amt schleppen.“
Ties Rabe: Schulen in Hamburg schneiden deutlich besser ab
In seiner Bilanz verwies Rabe auf das enorm teure Schulbauprogramm in Hamburg, die kleinen Klassen, an denen die Regierung trotz stark wachsender Schülerzahlen festgehalten habe, die Einführung der Stadtteilschulen und an den flächendeckenden Ausbau des kostenlosen Ganztagsangebots an sämtlichen Hamburger Schulen, das von 85 Prozent der Schulkinder in Anspruch genommen werde. „Auf Bundesebene wird dieses nun in vielen Ländern genauso eingeführt“, sagte Rabe durchaus mit Stolz. Manche Länder peilten das, was die Hansestadt bereits 2012/13 eingeführt habe, erst für 2026 an.
Offensichtlicher Beleg für den Erfolg der Hamburger Schulpolitik seien die bundesweiten Vergleichsstudien, in denen sich die Hansestadt auf den Ranglisten „vom letzten Drittel zum ersten Drittel“ vorgearbeitet habe. Dazu haben aus Rabes Sicht drei Faktoren wesentlich beigetragen: Zum einen seien das die Förderprogramme, die die Schulbehörde „mit Kraft“ für Schülerinnen und Schüler ausgesetzt habe, die zu Hause zu wenig Unterstützung bekommen, weil die Eltern dazu nicht in der Lage seien. Auch sei Hamburg das einzige Bundesland, das Schulkindern kostenlos Nachhilfeunterricht anbiete. Wer eine Fünf in einem Fach habe, für den gebe es Lernförderung.
Ties Rabe: drei Faktoren – worin er sein Erfolgsgeheimnis sieht
Zweiter Erfolgsfaktor sei eine stärkere Konzentration auf die Entwicklung von Kernkompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen, die erst die Chance auf gute Bildung eröffneten. Drittens habe es sich bewährt, Schulen stärker in ihrer Entwicklung zu begleiten, unter anderem mit Lernstandsuntersuchungen, deren Ergebnisse den Schulen dann zurückgespiegelt wurden. Es sei kein Zufall, so Rabe, dass sich die Grundschüler im bundesweiten Vergleich vom 13. auf den 5. Platz vorgearbeitet habe. Er habe nachgerechnet und sei auf insgesamt 106 Reformen während seiner Amtszeit gekommen. Dabei sei es ihm stest wichtig gewesen, nicht ideologische Streitigkeiten in den Mittelpunkt seines Tuns zu stellen, sondern die Verbesserung der Qualität von Unterricht und Schule. Manchmal sei er dabei auch „gegen den pädagogischen Mainstream“ geschwommen.
- Hamburgs Schulsenator Ties Rabe: Vom Ersatzmann zum Rekordhalter
- Was sich schulpolitisch in Hamburg und Schleswig-Holstein ändern soll
- Rot-grüber Senat im Kampf gegen das Berliner Ampelchaos
Manchmal sei er stur gewesen, bekannte Rabe, nicht immer sei es einfach gewesen mit ihm. Aber man habe sich stets zusammengerauft. Bei allem Erreichten: „Es bleibt noch viel zu tun.“ Seine Nachfolgerin, die SPD-Vizefraktionsvorsitzende in der Hamburgischen Bürgerschaft, Ksenija Bekeris, werde eigene Akzente setzen. Eines Letztes gab er Hamburg noch mit auf den Weg, angesichts des geplanten Volksbegehrens, mit dem sich ein Bündnis für die Wiedereinführung der neunjährigen Schulzeit an Gymnasien einsetzt: „Gute Schule erreicht man durch guten Unterricht, nicht im ständigen Umbau der Strukturen.“
An diesen Urlaub denkt Hamburgs Schulsenator mit Schrecken zurück
Zum Abschied hatte es bereits am Montagabend für Rabe höchstes Lob vom Chef gegeben. Wenn man die Ergebnisse des Bildungsmonitorings zugrunde legt, war Herr Rabe in dieser Zeit „der erfolgreichste Kultusminister Deutschlands“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Rabe habe seine Bildungskonzepte dabei mit „hoher Kompetenz, Geradlinigkeit und größtem persönlichen Einsatz“ umgesetzt und der Kultusministerkonferenz wichtige Impulse gegeben, so der Bürgermeister.
Was Rabe jetzt vorhat? Er habe „furchtbar viele Hobbys“, sagte er und müsse sich deshalb über mehr Freizeit keine Gedanken machen. „Ich habe vier Enkelkinder, spiele Klavier, spiele mit der Modelleisenbahn und fahre unvernünftigerweise mit dem Motorrad.“ Vor allem aber freue er sich mit seiner Frau auf einen Urlaub – „erstmals länger als 14 Tage und erstmals nicht mit Anrufen aus der Schulbehörde“. Er erinnere sich noch an einen Urlaub am Gardasee, wo er seiner Familie ein teures Essen spendieren musste – als Ausgleich dafür, dass er ganze drei Stunden lang mit seiner Behörde telefoniert habe. „Jetzt gibt es mal richtig Urlaub.“