Hamburg. Mehr Polizei, mehr Video, mehr Verbote: Thering und Gladiator legen neues Sicherheitskonzept vor. Ist das wahlentscheidend?

Der hohe Anspruch steht direkt auf der ersten Folie schwarz auf weiß, oder besser: in großen weißen Buchstaben auf dem cadenabbia-türkisen Hintergrund: „Hamburg zur sichersten Großstadt in Deutschland machen!“ Das und nicht weniger versprechen Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering und Dennis Gladiator, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, bei ihrer Präsentation in Raum A im Hamburger Rathaus am Donnerstagvormittag. Einziger Haken: Dafür müssen sie auch erst einmal gewählt werden.

„Das Sicherheitskonzept der CDU umfasst insgesamt 15 Handlungsfelder, um Hamburg zur sichersten Großstadt in Deutschland zu machen“, sagt Thering zu Beginn der Pressekonferenz – und steigt mehr als ein Jahr vor den Bürgerschaftswahlen direkt in den Wahlkampf ein: „Es macht einen Unterschied, wer für die Innenpolitik die Verantwortung trägt. Kurzum: Dort wo die CDU regiert, leben die Menschen sicherer – und genau das wollen wir auch für Hamburg ab 2025 in der Regierung wieder erreichen!“

CDU: Thering und Gladiator stellen neues Konzept zur Inneren Sicherheit in Hamburg vor

Thering und Gladiator wissen natürlich ganz genau, dass man mit dem Themenfeld Innere Sicherheit besonders in Hamburg punkten kann. Das weiß auch der amtierende Innensenator Andy Grote (SPD). Er und jeder andere Genosse in Hamburg dürften sich noch bestens an 2001 erinnern, als die CDU und die rechtspopulistische Partei Rechtsstaatliche Offensive vor allem wegen Debatten rund um die Sicherheit die Bürgerschaftswahlen in Hamburg gewannen. Die neu aufgestellte „Schill-Partei“, wie PRO nach ihrem Gründer Ronald Schill genannt wurde, holte aus dem Stand 19,4 Prozent (!) der Stimmen. Für die Hamburger SPD war das eine Art „Mutter aller Wahlniederlagen“.

Etwas mehr als ein Jahr vor der nächsten Bürgerschaftswahl steigt die CDU nun also bereits in den Kampf um die entscheidenden Wahlkampfthemen mit dem Hamburger Verkaufsschlager Innere Sicherheit ein. „Dem zunehmenden Vertrauensverlust in die Grundfunktionen unseres Staates, den SPD und Grüne in Hamburg zu verantworten haben, treten wir auf allen Ebenen entgegen“, sagt Gladitor.

CDU fordert mehr Polizei, Justiz, Waffenverbotszonen und Videoschutz

Auf beeindruckenden 22 Seiten haben er und Thering ihre wichtigsten Punkte zum Wahlkampfthema Nummer eins zusammengefasst. Allein 15 Forderungen stehen fett gedruckt auf Seite 5 des umfangreichen Konzepts. Zum Beispiel: mehr Polizei und Justiz, mehr Waffenverbotszonen, mehr Videoschutz, mehr Abschiebungen bei ausreisepflichtigen Straftätern. Dafür aber weniger Clankriminalität, weniger Toleranz bei politischem oder religiösem Extremismus, weniger Jugendkriminalität und weniger Zeit bei Strafverfahren.

Die Situation in Hamburg sei besorgniserregend, sagt Hamburgs CDU-Chef Thering. So sei beispielsweise die Aufklärungsquote in Hamburg mit 46,2 Prozent die drittniedrigste in Deutschland. „Besonders beunruhigend ist der Anstieg von Schießereien, Messerangriffen und Raubtaten auf offener Straße in Hamburg, insbesondere an bekannten Kriminalitätsbrennpunkten wie dem Hauptbahnhof, St. Georg, dem Jungfernstieg und dem Phoenix-Viertel in Harburg“, sagt Thering, der in diesem Zusammenhang auch gerne von „Wild-West auf Hamburgs Straßen“ spricht.

Hamburger Innenbehörde widerspricht: Statistik seit 2018 konstant

Es liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, dass man den Status Quo aufseiten der Innenbehörde und der SPD ein wenig anders bewertet. Hier wird darauf verwiesen, dass in der Langzeitbetrachtung der Gesamtkriminalität seit 2001 erkennbar werde, dass man die absolute Zahl der erfassten Fälle seit 2018 konsequent unter 220.000 halten konnte.

„Die CDU wirbelt hier mit wenig Substanz viel Staub auf und glaubt, mit alten Rezepten punkten zu können. Hier werden vermeintliche Lösungen für Probleme präsentiert, die längst von unseren Sicherheitsbehörden adressiert und konsequent angegangen werden“, sagt Hamburgs SPD-Chef Dirk Kienscherf – und nennt als Beispiel den Hauptbahnhof: „Mit einer Reihe von Maßnahmen und verstärkter Polizeipräsenz werden dort bereits konsequente Schritte zur erhöhten Sicherheit umgesetzt. Die Folge ist dann zunächst ein vermeintlicher Anstieg der Kriminalitätszahlen, die sich aus der höheren Aufdeckungsquote durch die Polizei ergeben.“

Dabei sind die aktuellen Zahlen gar nicht mal so schlecht. „Bei der Gewaltkriminalität, die ja zuletzt häufiger thematisiert wurde, ist dieser Rückgang über die Jahre noch auffälliger“, sagt ein Sprecher der Innenbehörde – und gibt Beispiele. Seit 2015 sei die Gewaltkriminalität spürbar zurückgegangen, seit 2017 liege sie unter der Marke von 8000 Fällen im Jahr. Und: „In keinem Jahr war die Gewaltkriminalität zuletzt so hoch wie 2011.“

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Laut der Innenbehörde wurde der Polizeietat auf Rekordhöhe angehoben

Auch die Polizei sei in den vergangenen Jahren so umfassend wie nie zuvor gestärkt worden. „Der Etat für die Polizei Hamburg ist so hoch wie nie zuvor und liegt im aktuellen Haushalt erstmals oberhalb einer Milliarde Euro“, heißt es aus der Innenbehörde. Und Kienscherf ergänzt: „Mit der Einstellungsoffensive seit 2016 hat die Innenbehörde 850 neue Stellen bei der Hamburger Polizei geschaffen und wird diese weiter erhöhen.“

Oder mit anderen Worten: Der Wahlkampf ist eröffnet. Hier heißt es: Hamburg ist eine Verbrechenshochburg. Dort heißt es: Hamburg ist so sicher wie schon lange nicht mehr. Wer recht hat, muss der Wähler entscheiden.

Gladiator hält vor allem die linksextremistische Szene für problematisch

In Raum A im Rathaus ist der Tenor an diesem Donnerstagvormittag jedenfalls klar: „Alle Hamburgerinnen und Hamburger haben einen Anspruch darauf, ein selbstbestimmtes Leben führen und ihre Potenziale voll entfalten zu können – in Sicherheit und Freiheit“, sagt Gladiator – und benennt als eines der zentralen Probleme das seiner Meinung nach zunehmende Gewaltpotenzial aus der linksextremistischen Szene.

„Der rot-grüne Senat hat Hamburg zur deutschen Hochburg des Linksextremismus werden lassen“, sagt Gladiator, der allerdings zunächst unerwähnt lässt, dass laut Hamburger Verfassungsschutz besonders der Rechtsextremismus zum zunehmenden Problem wird. Er wolle keinen Wettbewerb unter den Extremisten machen, sagt Gladiator. Aber: Mit 380 Personen stehen in Hamburg nach Angaben des letzten Jahresberichts so viele Rechtsextreme unter Beobachtung wie noch nie. Und auch die Zahl von rechtsextremistischen Gewaltdelikten war 2022 mit 56 so hoch wie noch nie.

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„Wir müssen und wir werden entschlossen gegen alle Formen von politischem und religiösem Extremismus sowie gegen Antisemitismus vorgehen“, sagt Gladiator. „Unser Rechtsstaat darf auf keinem Auge blind sein!“ In dem CDU-Paper heißt es hierzu: „Die Menschen in Hamburg müssen in einen starken Rechtsstaat vertrauen können, der die Möglichkeiten und Grenzen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung deutlich macht, die darin enthaltene Werteordnung mit Nachdruck vertritt und bei Bedarf auch konsequent und unnachgiebig durchsetzt.“

CDU setzt im Wahlkampf auf die Karte Innere Sicherheit

Doch die CDU ist mit ihrem Wahlkampf-Ansatz, auf die Karte Innere Sicherheit zu setzen, nicht allein. Auch die AfD lässt kaum eine Gelegenheit aus, Innensenator Andy Grote zu attackieren und auf ihrer Meinung nach schlimme Verhältnisse in Hamburg hinzuweisen.

Die Innere Sicherheit war auch eines der am meisten diskutierten Klönschnackthemen beim Neujahrsempfang des Abendblatts am Mittwoch im Hotel Vier Jahreszeiten. Am Stehtisch erklärte beispielsweise Fußballlegende Felix Magath Bürgermeister Peter Tschentscher, warum sich seine Frau in München am Hauptbahnhof sicherer als in Hamburg fühlt. Tschentscher konterte und sagte, dass die Zahlen etwas ganz anderes aussagen würden. Der Erste Bürgermeister gab aber zu, dass die Polizeipräsenz in Bayern höher sei als in Hamburg.

Am Ende des Gesprächs schien zumindest Magath überzeugt. Der Bürgermeister habe gute Argumente gehabt, sagte er. Ob das der Wähler auch so sieht, wird man in einem Jahr sehen.