Hamburg. 82-Jährige muss fast 500 Euro bezahlen. Wann in Hamburg Autos abgeschleppt werden, wer darüber entscheidet, wann es Ermessen gibt.

Es sollte ein besonders schönes Erlebnis werden. Seit Jahren hat Elke H. sich darauf gefreut, einmal die „Märchen im Michel“ mitzuerleben. Am 8. Dezember 2023 war es endlich so weit. Und tatsächlich hat die 82-Jährige die Veranstaltung sehr genossen. Doch hinterher kam „das Entsetzen“, wie sie sagt: Das Auto der Seniorin war in der Nähe des Michels abgeschleppt worden. Es zurückzubekommen, hat Elke H. als sehr anstrengend und zeitaufwendig erlebt. Und vor allem kostete es sie 472,10 Euro.

Das Problem: Die Dame aus Appen im Kreis Pinneberg hatte ihr Fahrzeug zwei Stunden lang versehentlich an einer E-Ladesäule geparkt. Diese Plätze sind indes ausdrücklich E-Autos vorbehalten. Wer wie Elke H. seinen Wagen mit Verbrennermotor dort abstellt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Dass die geahndet werden muss, sieht die 82-Jährige auch ein.

Parken Hamburg: Michel-Besuch kostet Seniorin aus Appen 472,10 Euro

„Aber 472,10 Euro für zwei Stunden ahnungslos an einer Ladesäule zu parken, ist doch etwas unverhältnismäßig“, findet sie. „Ich war für niemanden ein Sicherheitsrisiko und habe den Verkehr nicht beeinträchtigt.“

Warum ist das Auto von Elke H. überhaupt abgeschleppt worden? Laut dem Hamburgischen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) gilt: Wenn die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt wird oder eine Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen ist, wird ein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug in der Regel sichergestellt. Angeordnet wird das Sicherstellen von der Polizei.

Parken in Hamburg – wann eine Gefährdung der Sicherheit vorliegt

Eine Gefährdung der Sicherheit oder eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer liegt unter anderem dann vor, „wenn ein Auto in einer Feuerwehrzufahrt geparkt wurde oder wenn es in ,zweiter Reihe‘ steht“, erklärt ein Polizeisprecher auf Abendblatt-Anfrage. Das Fahrzeug „sicherzustellen“ bedeutet, es umzusetzen oder und zu einem der zwei Hamburger Verwahrplätze zu bringen, auch „Autoknast“ genannt. Diese befinden sich an der Ausschläger Allee in Rothenburgsort sowie an der Flughafenstraße.

Stellen Polizisten oder die Angestellten des Parkraummanagements des Landesbetriebs Verkehr ordnungswidrig haltenden oder geparkte Fahrzeuge fest, wird in der Regel ein entsprechendes Ordnungswidrigkeitsverfahren (Owi) eröffnet. „Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gilt das sogenannte Opportunitätsprinzip“, sagt der Polizeisprecher. „Das heißt, die Beamten haben eine gewisse Handlungsfreiheit in Bezug auf ihre Maßnahmen. Je größer die beurteilte Gefahr, desto kleiner ist allerdings das Ermessen und desto schneller muss gehandelt werden.“

Polizei Hamburg: Je größer die Gefahr, desto schneller muss gehandelt werden

So sei eine Feuerwehrzufahrt immer freizuhalten, für den Fall, dass es zu einem Löscheinsatz oder einer Menschenrettung komme. Deshalb führe das verbotswidrige Parken in einer Feuerwehrzufahrt regelhaft dazu, dass das Fahrzeug sichergestellt werde, und zwar sehr zügig. Umgekehrt werde beim kurzen Überschreiten der Parkdauer an einer Parkuhr das Fahrzeug eher nicht sichergestellt, also umgesetzt oder abgeschleppt. In so einer Situation ist es wahrscheinlich, dass der Halter lediglich ein „Ticket“ bekommt und später ein Bußgeld zahlen muss.

In der Praxis läuft das Sicherstellen meist auf ein Abschleppen zu einer Verwahrstelle hinaus. Denn eine Umsetzung reicht laut geltender Rechtsprechung nur dann aus, wenn es genügend freie, geeignete und gebührenfreie Parkplätze im öffentlichen Verkehrsraum in etwa 100 Meter Entfernung vom Abschlepport entfernt gibt.

Parken in Hamburg: Wer verbotswidrig an E-Ladesäule parkt, muss mit Abschlepper rechnen

Und dies ist in Hamburg üblicherweise nicht der Fall. Wer feststellt, dass sein Auto sichergestellt wurde, kann sich an das für den Abstellort zuständige Polizeikommissariat wenden. Welches das im Einzelfall ist, können Bürger über den „Behördenfinder Hamburg“ herausfinden.

Auch wer wie Elke H. verbotswidrig an einer E-Ladesäule parkt, muss damit rechnen, dass sein Fahrzeug binnen kürzester Zeit sichergestellt, also in der Regel abgeschleppt wird. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor dürfen zu keiner Zeit einen E-Parkplatz nutzen, weil dieser unbedingt für die berechtigten Elektrofahrzeuge freigehalten werden soll. Mit dieser Regelung soll in Hamburg die Mobilitätswende unterstützt werden.

Mobilitätswende Hamburg: Ladeinfrastruktur soll möglichst vielen Nutzern zur Verfügung stehen

Wer ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor dennoch dort abstellt, muss mit einem Bußgeld in Höhe von 55 Euro und mit dem kostenpflichtigen Abschleppen des Fahrzeugs rechnen. Gleiches gilt, wenn ein E-Fahrzeug an einer Ladesäule abgestellt wird, ohne dass ein Ladevorgang stattfindet beziehungsweise, wenn an abgestelltem E-Fahrzeug das E-Kennzeichen fehlt.

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Laut der Regelung für „Parkprivilegien für E-Fahrzeuge in Hamburg“ dient die „Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum der Stadt Hamburg in erster Linie der Reichweitenverlängerung und soll daher möglichst vielen E-Mobilistinnen und E-Mobilisten (Touristen, Pendlern, Einwohnern, Handwerkern, E-Taxis etc.) zur Verfügung stehen“, heißt es dazu. Um eine Zugänglichkeit für alle Gruppen zu ermöglichen, sind die Ladezeiträume werktags von 9 bis 20 Uhr auf drei Stunden beschränkt. Außerhalb dieses Zeitraums ist auch ein längerer Ladevorgang, zum Beispiel über Nacht, möglich.

Michel Hamburg: Der 82-Jährigen wurde Unwissenheit zum „Verhängnis“

Für Elke H. aus Appen mit ihrem Fahrzeug mit Verbrennermotor ist es demnach zu keiner Zeit gestattet, an einer E-Ladesäule zu parken. Als sie seinerzeit in der Nähe des Michels den freien Parkplatz erspähte, neben einem Auto, das an einer Elektrosäule geladen wurde, sei sie „voller Freude“ gewesen. In der Rückschau sei es „ihr Verhängnis“ gewesen, sagt die 82-Jährige, dass sie nicht gewusst habe, dass zwei Autos an einer Ladesäule geladen werden können.

Insgesamt hat sie, um ihr Auto zurückzuerhalten, fast 500 Euro zahlen müssen. Denn zusätzlich zu den Gebühren für das Abschleppen und die Kosten für die Zeit, die ihr Auto an der Verwahrstelle an der Ausschläger Allee in Rothenburgsort abgestellt war, sind für die Schleswig-Holsteinerin auch noch 25,70 Euro für ein Taxi hinzugekommen – um vom Michel zur Verwahrstelle zu gelangen. Viel lieber hätte die Seniorin für die Fahrt von Appen in die Innenstadt und später dann vom Michel zur Verwahrstelle nach Rothenburgsort öffentliche Verkehrsmittel benutzt. „Leider war das an dem Tag nicht möglich“, so die 82-Jährige. „Bus und Bahn haben gestreikt.“