Hamburg. In einigen Bereichen liegt Stadt aber vorn – im nationalen Vergleich des mittelmäßigen Deutschlands. Der CDU geht das zu langsam.
Es ist nicht sonderlich überraschend, dass Regierung und Opposition die (politischen) Realitäten meist sehr unterschiedlich beurteilen. Besonders eklatant aber sind die Unterschiede derzeit, wenn es um den Stand der digitalen Transformation in Hamburg geht. „Trotz gesetzlicher Vorgaben und Versprechungen zur Digitalisierung entpuppt sich die Umsetzung als Desaster, geprägt von Ineffizienz, mangelnder Transparenz und ungenügendem Handlungswillen“, konstatiert Sandro Kappe, CDU-Fachsprecher für Digitalisierung.
Der Sprecher des rot-grünen Hamburger Senats, Marcel Schweitzer, dagegen sagt: „Hamburg liegt im Vergleich sowohl der Bundesländer als auch der deutschen Großstädte bei der Digitalisierung seit Jahren vorn.“ Sieht man sich die Details an, so zeigt sich, dass es bei einer Bewertung eben immer darauf ankommt, mit wem man sich vergleicht. Sieht man nur auf andere deutsche Regionen, steht Hamburg in der Tat sehr gut da. Deutschland allerdings liegt im EU-Vergleich und weltweit betrachtet je nach Erhebung auch meist weit hinter den führenden Staaten.
Digitalisierung Hamburg: Vieles geht bis heute nur in Papierform
Ein Indiz dafür, dass es in Hamburg eher schlecht um den Fortgang der Digitalisierung bestellt sei, sind für CDU-Mann Kappe die noch immer 130 Dienstleistungen der Hamburger Verwaltung, die ausschließlich in Papierform angeboten würden. Diese Zahl ergebe sich aus der Senatsantwort auf eine von Kappe gestellte Kleine Anfrage. Für solche nicht digitalisierten Vorgänge werden in Hamburg noch immer Millionen Seiten Papier bedruckt.
Zwar wird die Papierform in vielen Fällen noch aus rechtlichen Gründen benötigt, wie sich aus der vom Senat erstellten Auflistung ergibt. Häufig aber werden auch Ursachen genannt, die in der Verantwortung der Stadt liegen. Dann heißt es etwa: „Eine technische Schnittstelle zum Kundenzentrum besteht noch nicht“ oder „Ein Portal für einen digitalen Austausch steht nicht zur Verfügung“.
Digitalisierung: „Unzureichendes Ergebnis für Hamburg“
Nach der Auswertung der Senatsangaben durch die CDU sind insgesamt 150 Verwaltungsverfahren noch nicht vollständig digitalisiert, insgesamt könnten 26 Prozent erst teilweise und 22 Prozent noch gar nicht digital abgewickelt werden. „Das ist ein unzureichendes Ergebnis für eine Stadt, die sich als Digitalstadt bezeichnen möchte“, findet Kappe.
Kritik übt der CDU-Politiker auch an den noch nicht einheitlichen Möglichkeiten zum Begleichen von Gebührenforderungen in Ämtern und Behörden. „In den Bezirksämtern haben immer noch nicht alle Bezirksämter die gleiche Bezahlmöglichkeit für die gleiche Leistung“, so Kappe. „Das ist inakzeptabel und zeugt von einem eklatanten Mangel an einheitlichen Standards.“
Glasfaser Hamburg: „Ziele aus Koalitionsvertrag nicht erreicht“
Kappe wirft dem Senat auch vor, dass die für das erste Halbjahr 2023 angekündigte Möglichkeit, zumindest für Onlinedienste per PayPal-App zu bezahlen, noch immer nicht umgesetzt wurde. „Die Einführung von PayPal für Behördenleistungen sowie die Pilotphase für die ersten beiden Onlinedienste, die PayPal-Zahlungen ermöglichen, ist in Vorbereitung. Darüber hinaus sind die Planungen noch nicht abgeschlossen“, antwortete der Senat auf die Kappe-Anfrage.
Weiteres großes Manko ist laut Kappe der aus seiner Sicht zu schleppend vorangehende Ausbau des schnellen Glasfasernetzes in Hamburg. „Das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel eines flächendeckenden Netzes wurde verfehlt“, so Kappe. „Mit nur etwa 52 Prozent der zu versorgenden Haushalte und 57 Prozent der Unternehmen mit Zugang zu Glasfaseranschlüssen bleibt der Senat weit hinter seinen eigenen Ansprüchen zurück.“
CDU: „Hamburg hinkt bei Digitalisierung hinterher“
Ein „Fiasko“ ist laut Kappe die Parkraumverwaltung des städtischen Immobilienverwalters Sprinkenhof. „Die digitale Plattform wird aufgrund von Schnittstellenproblemen vorübergehend eingestellt“, habe der Senat ihm mitgeteilt.
Zudem hatte Kappe immer wieder darauf hingewiesen, dass die Stadt auch aufgrund mangelnder Datenerhebung und digitaler Aufbereitung kaum über Details der stadteigenen Immobilien Bescheid weiß. So kennt der Senat lediglich von 140 der 1155 städtischen Gebäude die Energieeffizienzklasse.
Kappes Fazit: „Die harten Fakten verdeutlichen die unzureichende Bilanz des Hamburger Senats im Bereich Digitalisierung.“ Statt sich als Vorreiter in Sachen Digitalisierung zu positionieren, hinke Hamburg in diesem Bereich „deutlich hinterher“.
Senatssprecher: „CDU-Kritik ist völlig überzogen“
Davon kann laut Senat allerdings überhaupt keine Rede sein. „Die Kritik ist völlig überzogen“, sagt Senatssprecher Marcel Schweitzer. Viele Erhebungen, etwa der Deutschland-Index der Digitalisierung 2023, sähen Hamburg im deutschlandweiten Vergleich an der Spitze.
Zugleich verweist Schweitzer darauf, dass die Entwicklung der unterschiedlichen digitalen Verwaltungsvorgänge unter den Bundesländern aufgeteilt worden sei – nach einem „Einer für alle“- oder „EfA“ getauften Prinzip.
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„Hamburg hat bereits seit 2022 als einziges Bundesland alle 14 Leistungen digital zur Verfügung gestellt, die Hamburg nach dem EfA-Prinzip entwickeln sollte“, so Schweitzer. Das soll wohl durch die Blume heißen: Wenn es stockt, liegt das daran, dass die anderen Länder nicht schnell genug liefern.
Fakt ist so oder so: Bund und Länder haben ihre gemeinsame Zusage aus dem 2017 beschlossenen „Onlinezugangsgesetz“ (OZG), bis Ende 2022 alle 575 Verwaltungsdienstleistungen umzustellen, weit verfehlt – was gut zum schlechten Ruf Deutschlands in Sachen Digitalisierung passt.
Digitalisierung: „Hamburg unangefochtener deutscher Spitzenreiter“
Statt der 575 sind ein Jahr nach Ende der selbst gesteckten Frist von Bund und Ländern laut Senat derzeit lediglich 238 OZG-Leistungen flächendeckend verfügbar. Was die Kritik am Glasfaserausbau angeht, betont der Senatssprecher: „Im Ländervergleich belegt Hamburg beim Glasfaserausbau seit Jahren Spitzenplätze und liegt damit deutlich über dem Durchschnitt.“
Insgesamt belegten „zahlreiche Studien“, wie weit Hamburg bei der Digitalisierung deutschlandweit vorn liege, „zuletzt der Smart-City-Index und der Deutschland-Index der Digitalisierung, der ausdrücklich das digitale Verwaltungsangebot und die digitale Infrastruktur unserer Stadt positiv hervorhebt“, so Senatssprecher Schweitzer. Danach sei Hamburg „der unangefochtene digitale Spitzenreiter im Ländervergleich“. Richtig ist allerdings auch, dass Hamburg den Spitzenplatz im Smart-City-Index gerade an München abtreten musste.
Wie gesagt: Es kommt immer darauf an, wann und wie und mit wem man sich vergleicht – und ob man als Opposition oder als Regierung auf die Welt blickt.