Hamburg. Nach dem Abendblatt-Bericht über das drohende Aus der medizinischen Versorgung für 9000 Kinder reagieren Politik und Sozialverband.

Politisch Verantwortliche und der Sozialverband haben die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KV) aufgefordert, sich für den Erhalt einer Kinderarztpraxis im Stadtteil Billstedt einzusetzen. Dr. Gudrun Schittek, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft und selbst Ärztin, sagte dem Abendblatt: „Durch die drohende Schließung der Kinderarztpraxis ist die medizinische Versorgung von fast 9000 Kindern gefährdet. Eine solche Lücke ist alarmierend! Gerade in Stadtteilen, in denen Menschen in sozial schwierigen Verhältnissen leben, muss die kinderärztliche Versorgung sichergestellt sein.“

Nach einem Bericht des Abendblatts droht der Praxis im dortigen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) das Aus. Der Betreiber, der Rahlstedter Hausarzt Dr. Bastian Steinberg, hatte erklärt, die Praxis schreibe fortlaufend hohe Verluste. Aufgrund der Patientenstruktur – acht von zehn Kindern sprechen kein Deutsch – könnten die angestellten Ärztinnen dort nicht in demselben Maße Patientinnen und Patienten untersuchen und behandeln wie in anderen Stadtteilen. Das führe zu erheblichen Mindereinnahmen.

Kinderarzt Hamburg: Zusätzliches Honorar für unterversorgte Stadtteile gefordert

Gesundheitspolitikerin Schittek sagte: „Es sollte zudem honoriert werden, dass Ärztinnen und Ärzte den zusätzlichen Beratungs- und Betreuungsaufwand für Menschen ohne gute Deutschkenntnisse nicht scheuen. Hilfsbereitschaft darf nicht zu Nachteilen führen. Es ist Aufgabe der KV HH, diese Praxen mit Mitteln aus dem Strukturfonds der Krankenkassen finanziell zu unterstützen.“

Dafür stünden in Hamburg fast acht Millionen Euro zur Verfügung. „Dieses Geld sollte gezielt zur finanziellen Förderung von Praxen in unterversorgten Stadtteilen eingesetzt werden, zum Beispiel in Form eines zusätzlichen Honorars pro Patientin und Patient oder eines festen Förderungsbetrags.“

Sozialverband Hamburg: Senat muss Notfallplan erstellen

Der Sozialverband Hamburg wies darauf hin, dass Billstedt als „Problemviertel“ im Sozialatlas einen „sehr niedrigen Status“ aufweise. Der SoVD-Vorsitzende Klaus Wicher erklärte: „Dass eine Praxis in Billstedt keine Goldgrube ist, das ist kein Geheimnis. Doch dass ein Kinderarzt seine Praxis aufgeben muss, weil er offensichtlich seit Jahren Geld zubuttern muss, das gab es so in Hamburg noch nicht.“

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Es sei ein Skandal, wenn 9000 Kindern die medizinische Versorgung entzogen werde. Wicher forderte Senat und KV auf, „sofort“ einen Notfallplan zu erstellen. In der aktuellen Phase vermehrter Atemwegserkrankungen und inmitten einer Corona-Welle „kann es keinen Aufschub geben“.

Wicher lobte die Initiative der KV, in Rahlstedt eine eigene Kinderarzt-Praxis einzurichten. Sie soll am 3. Januar eröffnen und angestellte Ärztinnen und Ärzte beschäftigen. „Eine solche Lösung brauchen die Kinder in Billstedt auch.“