Hamburg. Der 950-Millionen-Turm droht zu scheitern. Was Signa alles in Hamburg gehört, was Kühne will – und wie das in der Politik ankommt.

Mönckebergstraße, Jungfernstieg, Alsterarkaden, Große Bleichen, Gänsemarkt, HafenCity: Es sind Hamburgs beste Adressen, an denen die Signa-Gruppe des österreichischen Immobilien-Stars René Benko investiert hat. Hier glitzert und glamourt es nicht nur zur Weihnachtszeit. Der Elbtower, Benkos am höchsten hinauf strebendes Projekt sollte der geschäftlichen Verbindung zur Elb-Metropole die Krone aufsetzen. Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) war es, der den 245-Meter-Turmbau Benkos politisch durchsetzte.

Nun stehen beide blamiert da – und zittern Tausende um ihre Jobs und ihr Geld. Eine der Immobilienfirmen aus Benkos weit verzweigtem Reich hat den Gang zum Insolvenzgericht angetreten. Aktenzeichen 36s IN 7277/23, eingegangen in Berlin-Charlottenburg. Die Signa Real Estate Management Germany GmbH aus München streicht die Segel. Die Geschäftsführer Timo Herzberg, Georg Reuter und Tobias Sauerbier beantragen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . Die Firma hatte als Geschäftszweig den „Erwerb, Besitz, Verwaltung, Nutzung, Entwicklung, Verwertung und Vermittlung von Immobilien; Baumanagement, Tätigkeit als Bauträger“. Jetzt hat der vorläufige Insolvenzverwalter das Sagen, Prof. Dr. Torsten Martini, ein Anwalt aus Berlin.

Elbtower in Hamburg: Was wird aus dem Signa-Projekt?

Martini hat nun die Hoheit darüber, was bei der Signa REM passiert. Er überwacht alle Geschäfte, alle Vermögenswerte des Unternehmens. Und er muss schauen, ob das Vermögen „der Schuldnerin“ die Kosten des Insolvenzverfahrens deckt. Gleichzeitig müssen alle, die noch Signa REM Geld schulden, an ihn zahlen.

Investor René Benko: Was wird aus dem Elbtower?
Investor René Benko: Was wird aus dem Elbtower? © AFP | Georg Hochmuth

Und der Elbtower in Hamburg? Hat vordergründig erst einmal nichts mit dieser Insolvenz zu tun. Auch wenn Experten erwarten, dass es weitere Insolvenzen von Benko-Firmen geben könnte, ist das juristisch voreilig. Politisch jedoch gibt es längst Bewegung – in Hamburg und andernorts. Seit das Bauunternehmen Lupp die Arbeiten am Elbtower eingestellt hat, die Bürgerschaft und der Senat trotz monatlicher Berichte offenbar kalt erwischt wurden, reihen sich die Krisensitzungen aneinander. Die HafenCity GmbH hat einen Vertrag mit der Elbtower Immobilien GmbH Co. KG. Diese Gesellschaft baut den 950-Millionen-Euro-Turm und hat dafür von der Stadt das Grundstück für 122 Millionen Euro erworben.

Baufirma Lupp: Kein Datum für Weiterbau am Elbtower

Die Bauarbeiten führt die Firma Lupp durch, die auf solche Projekte spezialisiert ist. Ende Oktober stoppt Lupp alle Aktivitäten an den Elbbrücken, weil vereinbarte Zahlungen ausblieben. Ist das Geld inzwischen da? Nein, erklärte Lupp dem Abendblatt. Gibt es ein Datum für eine Wiederaufnahme, gibt es Gespräche mit Signa? Zweimal nein. Bei Lupp ist man offenbar recht sauer.

Dasselbe dürfte im rot-grünen Senat unter Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gelten, der das Projekt von Vorgänger Olaf Scholz geerbt hat. Die Behörde für Stadtentwicklung erklärte dem Abendblatt, man beobachte die Situation aufmerksam, um gegebenenfalls „Schritte“ einzuleiten. Denn: „Rein gesellschaftsrechtlich bestehen keine Verbindungen zwischen der Käufergesellschaft des Elbtowers und der Signa Real Estate Management GmbH, sodass sich daraus keine unmittelbaren Auswirkungen auf das bestehende Vertragsverhältnis zwischen der Stadt Hamburg und der Käufergesellschaft ergeben.“

Das Haus von Senatorin Karen Pein (SPD) wies darauf hin, dass man bei einer Insolvenz der Bauherrin oder einem anderen Fall einer „wirtschaftlichen Verschlechterung zum Wiederkauf des Grundstücks und den damit verbundenen Rechten berechtigt“ sei. Man gehe davon aus, dass eine „privatwirtschaftliche Lösung“ für eine „zeitnahe Wiederaufnahme der Bautätigkeit“ gefunden werden könne.

Klaus-Michael Kühne: Investiert er noch mehr in den Elbtower?

Kann Klaus-Michael Kühne dabei helfen? Der Logistik-Unternehmer (Kühne + Nagel), der Anteile am HSV, an Hapag-Lloyd und an der Lufthansa hält sowie als Mäzen der Elbphilharmonie in Erscheinung trat, kommt ins Spiel, weil er auch am Elbtower beteiligt ist. Zunächst hatte das „Handelsblatt“ berichtet, Kühne prüfe die Übernahme des Hochhausprojekts. Nun stellte Kühne gegenüber dem Abendblatt klar: „Was das Thema Elbtower anbelangt, prüft die Kühne Holding derzeit Möglichkeiten, wie sie zu einer Lösung des Problems beitragen kann, allerdings gibt es keine Gespräche mit der Stadt und keine aktuellen Verhandlungen.“ Kühne hat nicht nur ein gewisses Interesse am Elbtower, sondern auch daran, sein Investment zu retten. Er ist immer noch mit zehn Prozent an der Immobiliengesellschaft Signa Prime beteiligt.

Milliardär Klaus-Michael Kühne ist am HSV beteiligt, an Hapag-Lloyd und an der Lufthansa – unter anderem.
Milliardär Klaus-Michael Kühne ist am HSV beteiligt, an Hapag-Lloyd und an der Lufthansa – unter anderem. © Roland Magunia / Funke Foto Services | Roland Magunia

Nach Informationen des Abendblatts gibt es derzeit gleich mehrere Probleme zu klären. Wann lässt sich der Elbtower aus dem komplizierten Konstrukt der Signa herauslösen? Welche Rolle kann die Commerzbank-Tochter Commerz Real übernehmen? Die Commerzbank-Tochter war mit ihrem Flaggschiff, dem offenen Immobilienfonds Hausinvest, im August 2022 mit 25 Prozent an der Hochhausentwicklung Elbtower von Signa Real Estate eingestiegen.

„Insolvenz trifft Hamburg hart“

Für die CDU erklärte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Anke Frieling dem Abendblatt: „Jetzt tritt ein, was auch die CDU immer befürchtet hat: Insolvenzen von Teilen oder möglicherweise auch der gesamten Signa-Gruppe. Das trifft Hamburg sehr hart – nicht nur mit dem Elbtower, sondern auch weiteren Großbaustellen in bester City-Lage.“ Frieling erwarte, dass „diese guten Grundstücke/Vorhaben ihre Käufer finden werden“. Doch das werde dauern, während es „unattraktive Leerstellen“ in Hamburgs City gebe. Sie sieht beim Elbtower „Raum für private Initiativen“. Ohne den Namen von Klaus-Michael Kühne zu nennen, sagte Frieling, der Senat sei „gut beraten, diesen Vorgängen keine Steine in den Weg zu legen, seien sie politischer oder verwaltungstechnischer Natur“.

Heike Sudmann von den Linken ließ bereits einen Elbtower aus Pappkartons einstürzen, um auf das Hamburger Risiko bei Benkos Bauten hinzuweisen. Sie sagte: „Bei den vielen Firmen und Unterfirmen der Signa wird bei jedem Insolvenzantrag die Frage bleiben, was noch nicht betroffen ist.“ Sie frage sich, ob der Senat überhaupt wisse, mit wem er was vereinbart habe. Das Wiederkaufsrecht bei einer Insolvenz greife erst nach der Fertigstellung.

Harsche Warnung vor Kühnes Elbtower-Engagement

Protest der Partei Die Linke gegen einer Unterstützung der Stadt beim Elbtower.
Protest der Partei Die Linke gegen einer Unterstützung der Stadt beim Elbtower. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Sudmann sieht ein Engagement Kühnes skeptisch: „Herr Kühne ist ebenfalls ein Steuerflüchtling, allerdings bei Weitem nicht so schlecht beleumundet wie Herr Benko. Will Kühne ,nur‘ seine Signa-Anteile retten? Oder will er die Chance nutzen, doch seinen Neubau der Staatsoper in der HafenCity und die Übernahme des bisherigen Grundstücks am Stephansplatz, in der Innenstadt, durchzusetzen?“ Die Stadt Hamburg dürfe keine „öffentlichen Gelder, Grundstücke oder andere Vergünstigungen“ vergeben, um den Elbtower zu retten.

Bei all dem fragt man sich, ob niemand die Baufortschrittsberichte gelesen hat, die ein Gutachter Monat für Monat an die HafenCity GmbH und damit den Senat abgeliefert hat? Gab es keine Hinweise auf den Baustopp?

Das gehört René Benko in Hamburg

Mag die Tragweite des Vorgangs in Hamburgs Behörden erst nach und nach durchsickern, so steht jetzt schon fest: Die Pleite der Signa-Firma stellt Hamburg vor ein riesiges Problem. Wie ein Schwamm hat Signa Prime in den vergangenen Jahren in Deutschland Immobilien aufgekauft. Der Wert des Bestands lag Ende 2021 bei 15 Milliarden Euro. Er hatte sich innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppelt. Einer der Schwerpunkte der Bautätigkeit lag in Hamburg. Insgesamt ist Signa in Hamburg an neun großen Immobilienprojekten beteiligt.

Die brachliegende Baustelle am Gänsemarkt.

Foto: Roland Magunia
Die brachliegende Baustelle am Gänsemarkt. Foto: Roland Magunia © Funke Foto Services | Roland Magunia

Eine ganze Reihe von Baustellen sind von der Insolvenz der einen Signa-Firma betroffen. Fehlt jetzt das Geld für den Weiterbau, tun sich erhebliche Löcher im Stadtbild auf – alle in bester Lage in der City. Nicht nur beim Elbtower gibt es einen Baustopp. Auch beim ehemaligen Thalia-Haus am Alstertor 5 ruhen die Arbeiten. Ein ganzes Quartier mit Büros, Restaurants und Geschäften soll auf dem Areal des alten Karstadt-Hinterhauses entstehen. Im Moment geht nichts voran.

Gleiches gilt für die Flüggerhöfe am Rödingsmarkt 19. Ein Ensemble aus vier Gebäuden soll hier revitalisiert werden. Die Gerüste stehen. Gebaut wird nicht. Es heißt, Signa habe Rechnungen beauftragter Baufirmen nicht bezahlt (das Abendblatt berichtete).

Kaufmannshaus ist Hamburger Sitz der Signa

Wie eine riesige Zahnlücke nimmt sich derzeit die Brache am Gänsemarkt aus, dort wo früher die Gänsemarkt-Passage stand, klafft ein Loch.

All diese Bauprojekte haben eigene Entwicklungsgesellschaften, die teils in Hamburg, teils in München sitzen. Über allen fungiert aber als Bauherr die Signa Real Estate Management Germany GmbH – eben jene Tochtergesellschaft, die nun Insolvenz angemeldet hat. Mögen alle Objekte in der Hamburger City liegen. Über ihr Schicksal mitentschieden wird in der Josephspitalstraße 15 in München, dem Sitz der Signa REM, wie sie kurzgefasst heißt.

Zu ihr gehört auch das Kaufmannshaus im Passagenviertel an den Großen Bleichen und der Bleichenbrücke. Hier geht es aber nicht um ein Bauprojekt, sondern eher um die Bewirtschaftung, denn die Ladenpassage zieht mit ihren Shops und Restaurants regelmäßig viele Besucher an. An der Bleichenbrücke haben Benkos Hamburger Statthalter ihr Büro. Kommentar von dort: keiner.

Signa-Beteiligungen an Galeria Karstadt Kaufhof und Alsterhaus

Das Alsterhaus am Hamburger Jungfernstieg ist Teil der Benko-Investitionen.
Das Alsterhaus am Hamburger Jungfernstieg ist Teil der Benko-Investitionen. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Wie berichtet hat Signa auch das große Eckhaus an den Alsterarkaden weiterentwickelt, allerdings nicht über seine Real Estate Tochter, sondern laut Impressum direkt über die Holding.

Hinzu kommen das Gebäude von Galeria Karstadt in der Mönckebergstraße, das Benko erst vor drei Jahren von Quantum gekauft hat, sowie das Alsterhaus, das zur KaDeWe-Gruppe gehört, an der Signa 49,9 Prozent hält. 50,1 Prozent gehören mittlerweile der thailändischen Central Group.

Schließlich hat Signa ebenfalls vor drei Jahren am Gerhart-Hauptmann-Platz das Gebäude der Hamburg Commercial Bank (ehemals HSH Nordbank) gekauft. Dazu gehört die Ladenpassage Perle in der Spitalerstraße. Die Bank plante damals, mit ihrer geschrumpften Belegschaft in kleinere Räume umzuziehen, ausgerechnet in den Elbtower. Das kann noch dauern, denn wann der fertig gestellt wird, steht in den Sternen.