Hamburg. Urteilsverkündung erneut verschoben. Ex-HSV-Chef kämpft gegen Vorsitzenden Richter und um viel Geld. Staatsanwalt ermittelt weiter.

Thomas Wüstefeld hat ein Problem. Der frühere HSV-Chef hat zwar das große Glück, eine der heiß begehrten Karten für das Derby an diesem Freitag am Millerntor ergattert zu haben. Allerdings hat er seinem Sohn versprochen, dass sie das Stadtduell des HSV gegen St. Pauli zusammen gucken werden. Und wenn bis zum Anpfiff um 18.30 Uhr nicht noch ein kleines Wunder passiert, muss Wüstefeld seine Derbykarte wohl schweren Herzens abtreten, um mit Junior die Partie von der Couch aus zu verfolgen.

Ein anderes, sehr viel ernsteres Problem hat Wüstefeld derweil erst einmal auf die lange Bank geschoben. Denn die eigentlich für diesen Donnerstag um 12 Uhr terminierte Urteilsverkündung im Millionenprozess zwischen der Bioexsen GmbH und Wüstefelds CaLeJo GmbH ist zunächst einmal vertagt. Der Grund in Kurzform: das Abendblatt.

Thomas Wüstefeld hat gegen Vorsitzenden Richter Befangenheitsantrag gestellt

Doch natürlich lohnt bei dieser Thematik, bei der es um sehr viel Geld geht, auch ein etwas genauerer Blick. Tatsächlich haben Wüstefeld und sein Anwalt einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter gestellt, den sie vor allem mit der bisherigen Berichterstattung des Abendblatts begründet haben. So hatte das Abendblatt nach den bisherigen Prozesstagen mehrfach darüber berichtet, wie das Gericht fehlende Dokumente bei Wüstefeld anmahnte. Ein Richter hatte beispielsweise zu Wüstefelds Anwalt gesagt: „Wir verstehen Ihre Schriftsätze von vorne bis hinten nicht.“

So war es für Prozessbeobachter auch wenig überraschend, dass bei der ersten Teilurteilsverkündung im September dem Kläger in zwei von vier Verfahren recht gegeben wurde. In einem Verfahren der Bioexsen GmbH gegen Wüstefelds CaLeJo GmbH (Aktenzeichen 304O138/22) muss der 54-Jährige 945.500 Euro zahlen. Im zweiten Verfahren der Bioexsen GmbH gegen seine leafGlobal GmbH (Aktenzeichen 304O139/22) waren es 70.000 Euro (plus Zinsen seit dem 26. November 2021), die der Beklagte zu begleichen hat.

Nachdem der Antrag abgelehnt wurde, muss nun das Oberlandesgericht entscheiden

Der Hauptbrocken des Verfahrens, dessen vier Klagen vom Gericht der Einfachheit halber zusammengefasst wurden, sollte nun eigentlich an diesem Donnerstag verkündet werden. Doch nachdem Wüstefelds Befangenheitsantrag zunächst abgelehnt wurde, ist der Hamburger Unternehmer indessen mit seinem Antrag vor das Oberlandesgericht gezogen. Zum einen monierte Wüstefeld, dass der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsfindung durch die bisherige Abendblatt-Berichterstattung beeinflusst gewesen sei. Zum anderen kritisierte er, dass die Schriftsätze, die durch seinen Anwalt nachgereicht wurden, nicht genügend vom Gericht gewürdigt worden seien.

Tatsächlich hatte eine der beisitzenden Richterinnen beim letzten Prozesstag im September kritisiert, dass die eingereichten Unterlagen schon beim ersten Termin nicht ausgereicht hätten. „Es musste nachgebessert werden“, sagte sie – und ergänzte: „Die Beklagte (Wüstefelds Firma, die Red.) hat sich bemüht, aber das hat nicht so richtig gereicht.“

Thomas Wüstefeld: Weiteres Verfahren in München ist noch offen

Nun muss das Oberlandesgericht entscheiden, ob Wüstefelds Befangenheitsantrag stattgegeben wird. In erster Linie bedeutet das, dass sich der Prozess, bei dem es insgesamt um rund acht Millionen Euro gehen soll, weiterhin in die Länge zieht. „Wir sind da weiterhin guter Dinge“, sagte Wüstefeld am Donnerstag zum Abendblatt – und verwies darauf, dass er seinerseits gegen den Kläger auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen in München geklagt habe.

Kein absehbares Ende gibt es auch bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Wüstefeld (Verdacht der Untreue und des Betrugs). Diese waren zunächst eingestellt – dann aber wieder aufgenommen worden, wie Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering dem Abendblatt in dieser Woche erneut bestätigte.

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Ein baldiges Ende des Prozesses und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die auch von vielen anderen von Wüstefelds ehemaligen Geschäftspartnern intensiv verfolgt werden, ist also nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil zu seiner Zeit als HSV-Gesellschafter. Diese dürfte am 13. Dezember endgültig beendet sein, sofern auf der Hauptversammlung aller Anteilseigner sein Verkauf von zunächst 5,07 Prozent und anschließend auch von 1,7 Prozent an die Hansemerkur offiziell gemacht wird.

Thomas Wüstefeld: Ist das Kapitel beim HSV endgültig beendet?

Ist Wüstefeld dann endgültig Geschichte in offizieller Funktion beim HSV? „Zunächst einmal ja“, sagt der Ex-Funktionär, der in seiner kurzen Zeit im Volkspark bereits Gesellschafter, Aufsichtsrat, Chefkontrolleur und Vorstand war. Ein Hintertürchen für die Zukunft lässt er sich also weiterhin offen.

Das gilt im Übrigen auch für Wüstefelds Projekt Derbykarten. Den einen oder anderen Kontakt habe er ja noch, sagt er. Vielleicht darf sich also der Sohnemann doch noch auf ein gemeinsames Derbyerlebnis mit dem Papa am Millerntor freuen.