Hamburg. Welche Jahreszahl gilt – und was steht im Vertrag mit René Benkos Signa-Firma? Warum die Zeit beim Hamburger Elbtower jetzt drängt.
Aktenzeichen 36s IN 7277/23: Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat der Insolvenz von René Benkos Signa Real Estate Management Germany GmbH einen amtlichen Stempel gegeben und einen vorläufigen Insolvenzverwalter verpasst. In dem weit verzweigten Immobilienreich des österreichischen (einstigen) Investoren-Stars Benko mag das noch nicht viel heißen. Was es für den Elbtower in Hamburg bedeutet, kann man nur erahnen.
Von der Signa-Zentrale an der Bleichenbrücke gab es keinen Kommentar. Einer der Geschäftsführer, der in Berlin die Insolvenz der Signa REM auf den amtlichen Weg brachte, stand im Jahr 2018 hinter dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), als der mit Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) stolz den Bau eines Turms verkündete, der privat finanziert und 245 Meter hoch werden sollte. Ein zweites Wahrzeichen der HafenCity – neben der Elbphilharmonie am anderen Ende – und ein Prestigeprojekt für Hamburg, Signa und einen Bürgermeister, der sich bald nach Berlin für höhere Aufgaben empfahl.
Elbtower: Was steht in den Verträgen mit Hamburgs HafenCity GmbH?
Was auch nach wortreichen Erklärungen, Senats-Drucksachen und zum Teil geheimen Sitzungen zum Beispiel des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft nicht ganz klar ist: Was steht denn nun in dem Vertrag der HafenCity GmbH mit der Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG, die den Turm errichten und vermarkten soll? Sollte diese Firma aus dem Signa-Reich (beteiligt am Projekt sind weitere Investoren) ebenfalls in die Insolvenz müssen, hat Hamburg dann ein sofortiges Rückkaufsrecht für das Grundstück, das dem Haushalt der Stadt 122 Millionen Euro gebracht hat? Wann gibt es überhaupt ein Rückkaufsrecht? Ist es insolvenzfest? Und wann soll der Elbtower laut Vertrag fertiggestellt sein? Daraus – wegen möglicher Bauverzögerungen – leiten sich ebenfalls Strafzahlungen und Rückkaufsrechte für Hamburg ab.
Die Senats-Drucksache 22/13451 gibt etwas Aufschluss über die Vertragsdetails. Es ist eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Heike Sudmann. Darin steht: „Das Wiederkaufsrecht kann geltend gemacht werden, wenn der Rohbau nicht spätestens innerhalb von 73 Monaten nach Übergabe des Kaufgrundstücks (also bis Januar 2029) fertiggestellt ist (§ 19.1.1 (e) GKV).“ GKV heißt hier: Grundstückskaufvertrag. Theoretisch könnte also der Stummel-Turm mit 100 Meter Höhe an den Elbbrücken noch gut fünf Jahre vor sich hinrotten.
Rückkaufsrecht für 122 Millionen Euro – minus Pauschalsumme
Der Rückkaufspreis wären wieder 122 Millionen Euro minus fünf Millionen, die pauschal abgezogen werden, minus mögliche Schadenersatzansprüche gegen Signa. Kein schlechtes Geschäft, wenn man bedenkt, dass man eine gut im Boden verankerte Bauruine dazubekommt. Alleine weiterbauen wolle der Senat nicht, hatte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) erklärt. Linken-Expertin Sudmann hatte geschickt nachgefragt: Kann die Stadt also die Bauruine einem anderen Investor überlassen? Ja, so der Senat, aber wenn da ein „Erlös“ herausspringt, muss der innerhalb von zehn Jahren nach Rückkauf direkt an die Elbtower-Gesellschaft/Signa fließen. Sudmann bohrte weiter: Und wenn der Senat einem Investor das zurückgekaufte Grundstück weiterreicht und die Bauruine schenkt? „Der Kaufvertrag sieht hierzu keine Regelungen vor“, erklärte der Senat.
Peins Behörde erklärte auf Abendblatt-Anfrage: Die Elbtower-Gesellschaft sei „verpflichtet, vertraglich vereinbarte Meilensteine einzuhalten“. Der Rohbau sei bis Mai 2027 fertigzustellen, „das Bauvorhaben insgesamt bis Juli 2028“. Das passt nicht ganz zu Januar 2029 aus der Senats-Drucksache. Aber die Stadtentwicklungsbehörde muss auch Optimismus versprühen: „Bei kurzfristiger Wiederaufnahme des Baugeschehens wird von einer deutlich schnelleren Fertigstellung bis 2026 ausgegangen.“ Dann könnte sogar Robert DeNiro mit Hotel und Nobel- beziehungsweise Nobu-Restaurant (so der Name) mit nur einem Jahr Verzögerung einziehen. Allein – die Baufirma Lupp erklärte dem Abendblatt: Ein Datum für einen immerhin möglichen Bau-Neubeginn gebe es nicht.
2026, 2027, 2028, 2029, 2031: Was gilt beim Elbtower wann?
Die HafenCity GmbH, die für den Senat die Verträge machte, erklärte dem Abendblatt wieder etwas abweichende Zahlen: „Die Wiederkaufsrechte wegen Nichterreichung der Meilensteine können geltend gemacht werden, wenn der Rohbau bis Februar 2029 oder das Bauvorhaben bis Januar 2031 nicht fertiggestellt ist.“
Bei der Commerz Real, die mit 25 Prozent am Elbtower-Projekt beteiligt ist, gibt man sich entspannt. „Die Rohbauarbeiten sind nach wie vor unterbrochen. Wir nehmen aber wahr, dass auf mehreren Ebenen Gespräche laufen, um rasch eine Lösung zu finden“, sagt Gerd Johannsen, Pressesprecher des Unternehmens. „Niemand will eine Bauruine. Alle Seiten haben ein hohes Interesse an der erfolgreichen Realisierung der Projektentwicklung, sodass wir davon ausgehen, dass die Bauarbeiten bald fortgesetzt werden. Wir bleiben auf jeden Fall für Gespräche offen.“ Als Minderheitsbeteiligung sitze die Commerz Real aber nicht am Steuer.
Johannsen betont die Stärken des Projekts: „Der Elbtower hat ein enormes Potenzial, den ganzen Raum an den Elbbrücken zu entwickeln.“ Zugleich stellt er aber klar, dass die Baustelle angesichts des Wintereinbruchs vor Schäden gesichert werden müsse. Das Engagement in Hamburg ist für die Commerz Real angesichts der bloßen Zahlen überschaubar: So hält der Fonds Hausinvest eine Minderheitsbeteiligung von 25 Prozent am Eigenkapitalanteil der Hochhausentwicklung beziehungsweise der Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG. „Das entspricht einem Betrag von etwa 50 Millionen Euro.“ Diese Summe sei angesichts eines Fondsvolumen von 17,4 Milliarden Euro sehr überschaubar. „Zudem haben wir mit Signa eine vorrangige Stellung unseres Eigenkapitals vereinbart, das heißt, es wird bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorrangig vor anderen Ansprüchen zurückgezahlt.“
Elbtower und Co: René Benkos Reich in Hamburg
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Während die Jahreszahlen von 2025 bis 2031 durch die Luft schwirren, wartet die Baufirma Lupp auf 37 Millionen Euro, die sie für ihre Leistungen an den Elbbrücken einfordert. Hier und bei Signa geht es um viel Geld, um insgesamt Tausende Jobs, gewaltige klaffende Baulücken an prominenten Hamburger Lokalitäten – und der Senat „beobachtet“ die Situation.
Gibt es Gespräche mit möglichen Investoren à la Klaus-Michael Kühne, die Lösungen haben könnten? Nimmt der Senat das Thema Elbtower auf die Tagesordnung seiner wöchentlichen Sitzung? Darauf gab es keine Antworten.