Hamburg. Volksinitiative plädiert für generische Sammelbegriffe wie „Schüler“ und „Zuschauer“. Kann man Bürgermeister Tschentscher gendern?

Sprache soll alle erfassen. Was selbstverständlich erscheint, daran scheiden sich seit Längerem die Geister. Denn wie gelingt es der Sprache, alle zu berücksichtigen? Wenn gegendert wird? Oder wenn dies gerade nicht geschieht? Die Volksinitiative gegen das Gendern in Hamburg fordert, in der Verwaltung, an Schulen und in Kitas generische Sammelbegriffe zu verwenden, also beispielsweise „Schüler“ und „Zuschauer“. Nur so würden mit der Sprache „alle Menschen erfasst, unabhängig von biologischem und sozialem Geschlecht“. Gendern sei zu umständlich und mache Deutsch zur „Fremdsprache für alle“.

So argumentierten am Donnerstag die Vertrauenspersonen der Volksinitiative, Jens Jeep, Anja Oelkers und Hans Kaufmann vor dem Ausschuss für Gleichstellung und Antidiskriminierung der Bürgerschaft. Sie forderten eine „Sprache, die für alle Menschen verständlich ist und nicht ausgerechnet diejenigen ausschließt, die ohnehin schon Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben”.

Von der Verwaltungssprache erwarteten sie „Rechtssicherheit, Vollständigkeit, Genauigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und Verständlichkeit“, so die Initiative. Deshalb strebten sie einen Volksentscheid gegen das Gendern in Bildung und Verwaltung an. Konstruierte Genderbegriffe würden die wichtigen Ziele wie Verständlichkeit verfehlen.

Gender-Volksinitiative: „Wir wollen eine Verständlichkeit der Sprache“

„Uns geht es nicht um die private Sprache“, betonte Jens Jeep. „Uns geht es um die Sprache, mit der der Staat seinen Bürgern gegenübertritt und die wir unseren Kindern in Kita und Schule beibringen. Wenn Verständlichkeit ein Zweck der Sprache ist, sehen wir nicht, wie Gendern etwas dazu beitragen soll.“ Der generische Sammelbegriff habe „immer schon alle erfasst“, sagte Jeep. Er werde von den Bürgern intuitiv auch geschlechtsunabhängig genutzt und verstanden.

Als Beispiel führte Jeep an: Wenn es heiße, dass sich die „Hamburger Schüler” auf die Ferien freuen, würde kaum jemand auf den Gedanken kommen, dass die Mädchen lieber weiter in der Schule bleiben wollten. Und wenn in der Einladung zur Anhörung der Bürgerschaft mitgeteilt werde, dass „Platz für 70 Zuschauerinnen und Zuschauer“ vorhanden sei, lasse auch dies Raum für Missverständnisse. „Nimmt man das ernst, dann wären non-binäre Menschen heute also nicht zugelassen. Mit geschlechtersensibler Sprache hat das nichts zu tun“, so Jeep.

Volksinitiative: „Gendern ist das Problem, nicht die Lösung“

„Gendern ist das Problem, nicht die Lösung”, sagte Hans Kaufmann, Vertrauensperson der Volksinitiative. „Es funktioniert nicht!“ Gut gemeinte Aufzählungen beispielsweise in Zeugnissen, in denen von „Schülerinnen und Schüler” die Rede sei, hätten das Geschlecht überbetont und so dazu geführt, dass der generische Begriff „Schüler” immer häufiger als Bezeichnung nur für Jungen verstanden werde. Dabei gehe es bei der Nutzung praktisch nie um das Geschlecht. „Gut gemeint war hier in besonders deutlicher Weise nicht gut gemacht“, sagte Kaufmann. „Sternchen und Sprechpausen sorgen nicht für mehr Gleichberechtigung, sondern diskriminieren alle Menschen, welche ohnehin schon Schwierigkeiten beim Erlernen und Verstehen der deutschen Sprache haben.“

Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen, würden durch die in den Hamburgischen Gesetzen enthaltene Aufzählung, die ausschließlich Männer und Frauen beinhalte, aktiv ausgeschlossen. Dies sei nicht erst seit der Anerkennung des dritten Geschlechts durch das Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2017 „das Gegenteil von geschlechtergerecht“, kritisiert die Initiative.

„Gendern lenkt die Konzentration vom Inhalt auf die Form“

Anja Oelkers monierte, dass es schon in der Schule in der Sprache die Fixierung auf das Geschlecht der Kinder gebe und eine Betonung der Unterschiede. Sie erzählte von einer Schülerin, die für eine Präsentation im Unterricht keine gute Note bekommen habe – weil die Lehrerin moniert habe, dass die Schülerin in ihrem Vortrag nicht gegendert habe. In den Schulen gebe es einen „Verlust der einheitlichen Sprache“, sagte Oelkers. Es werde zu wenig Rücksicht auf Kinder genommen, die eine andere Muttersprache haben, und ebenso wenig auf Kinder mit Lernschwächen.

Sprache brauche geschlechterneutrale Begriffe, keine das Geschlecht überbetonenden Konstrukte, forderte Jeep. Geschlechtersensibel sei eine Sprache, wenn sie kein Geschlecht benachteilige, nicht jedoch, wenn sie ständig auf die Unterschiedlichkeit der Geschlechter hinweise. Darüber hinaus lenke Gendern „die Konzentration vom Inhalt auf die Form”, sagte Jeep. Darunter leide dann zwingend der Inhalt.

„Wortungetüm“ – was können und wollen Bürger schreiben und lesen?

Die Lösung sei, „wenn wir uns einfach an die grammatische Selbstverständlichkeit erinnern, dass generische Sammelbegriffe grundsätzlich nichts mit dem individuellen Geschlecht zu tun haben, sondern alle Menschen erfassen, die ein gemeinsames Merkmal teilen”, so Kaufmann. „Der Mensch, die Person und das Individuum beschreiben natürlich nicht voneinander getrennt einen Mann, eine Frau und einen non-binären Menschen.”

Wichtig sei es, mit der Sprache jeden einzubeziehen. Und dies gelinge eben allein mit generischen Sammelbegriffen. Kaum aussprechbare Wortbildungen hätten zudem mit natürlicher Sprachentwicklung, die es selbstverständlich gebe, nichts zu tun: „Jede*r Schüler*in freut sich auf seine/ihre Ferien” sei kein Satz, der sich jemals aus der Bevölkerung heraus als Standard entwickeln würde, „sondern ein Wortungetüm“, welches die meisten Bürger weder schreiben noch lesen wollten.

Wie gendert man Bürgermeister Tschentscher?

Die Initiative zeigte als weiteres Beispiel Fotos des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg, Peter Tschentscher, und seiner Vertreterin, der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank. „Niemand käme mit Blick auf die nächste Bürgerschaftswahl auf die Idee zu sagen, hier würden zwei Bürger*innenmeister*innenkandidat*innen” abgebildet sein, obwohl dies die konsequente Beschreibung wäre”, erläuterte Jeep. Der Begriff „Bürgermeisterkandidaten” sei für alle Menschen verständlich und außerdem geschlechtsneutral, während es sich in der persönlichen Ansprache selbstverständlich um einen Kandidaten und eine Kandidatin handele.

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Vor diesem Hintergrund appellierte die Volksinitiative an die gewählten Abgeordneten der Bürgerschaft, dem Beispiel des Landes Hessen zu folgen, welches gerade in einem Eckpunktepapier angekündigt hat, unter anderem in Schulen, Universitäten, Behörden auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichten zu wollen.

SPD-Politikerin Dobusch: Es gibt keinen Zwang zum Gendern

Anderenfalls müsse die Initiative den Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens stellen, um dann schließlich in einem Volksentscheid umzusetzen, dass in Bildung und Verwaltung wieder die Sprache gesprochen und geschrieben werde, die auch von den Bürgern Hamburgs gesprochen, geschrieben und verstanden werde. Dies entspreche dem Wunsch „der großen Mehrheit der Hamburger“, ist die Initiative überzeugt.

Unterdessen betonte die SPD-Politikerin Gabriele Dobusch, dass es in der Hamburger Verwaltung keinen Zwang zur Anwendung geschlechterneutraler Sprache gebe. Es sei fraglich, ob das generische Maskulinum für eine gleichberechtigte Sprache ausreiche. „Mitmeinen ist nicht genug“, sagte Dobusch. Und Cansu Özdemir von den Linken sagte, das generische Maskulinum bedeute mangelnde Inklusion.