Hamburg. Weil die Feuerwehr den unbequemen Vertrauensmann Ende November in Rente schicken will, droht nun eine gerichtliche Auseinandersetzung.

Das verfrühte Geburtstagsgeschenk erhielt Jörg Stahl, der an diesem Freitag 60 Jahre alt wird, bereits am vergangenen Freitag im Briefkasten. Ein vierseitiger Brief der Feuerwehr Hamburg mit dem Betreff: „Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand“. Dort heißt es schwarz auf weiß, dass der Antrag der Gesamtschwerbehindertenvertretung Hamburgs, seinen Ruhestand um drei Jahre zu verschieben, nicht stattgeben wird. Unterschrieben „mit freundlichen Grüßen“ von Branddirektor Jan Peters.

Erstmals hatte das Abendblatt in der vergangenen Woche über den Fall berichtet, nur einen Tag später schaltete sich die Politik ein und kritisierte das Vorgehen des Personalamts und der Feuerwehr Hamburg schwer. „Völlig unverständlich“ nannte Andreas Grutzeck, der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, das Vorgehen des Senats.

Cansu Özdemir, die Vorsitzende der Linken, sagte sogar: „Für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst ist es ein herber Rückschlag.“ Doch nun scheint der Schlusspunkt unter die monatelange Debatte, ob der gerade erst wiedergewählte Vertrauensmann aller Schwerbehinderten in Hamburg über das Ende des Monats im Amt bleiben darf oder nicht, gesetzt zu sein.

Oder doch nicht?

Wegen Ruhestands: Schwerbehindertenvertreter der Feuerwehr Hamburg will vor Gericht ziehen

Einen Tag vor seinem Geburtstag bleibt Jörg Stahl kämpferisch. Der Vollzugsbeamte der Feuerwehr will den negativen Bescheid seines Arbeitgebers auch weiterhin nicht akzeptieren. In dieser Woche beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Gericht, damit er vorläufig im Dienst verbleiben kann. Mit anderen Worten: Der Vertrauensmann, der sich um die Belange von rund 5014 Schwerbehinderten in Hamburgs Behörden kümmert, will nun sogar seinen Arbeitgeber und die Innenbehörde verklagen.

Sein kurzfristiges Ziel: Stahl will erreichen, dass sein Ruhestandsverfahren ausgesetzt wird, bis sein Fall im Hauptverfahren juristisch geklärt ist. Und für seinen Kampf vor Gericht erhält er nun auch Rückenwind der Gewerkschaft Ver.di, die ihm für seine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Behörde Rechtsschutz zusicherte.

Senat deutlich: Hinausschieben des Ruhestands kommt nicht in Betracht

Ob Stahls Engagement belohnt wird, bleibt allerdings fraglich. In der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage von Andreas Grutzeck (CDU) heißt es im Hinblick auf den 30. November, dem offiziell letzten Tag Stahls als Hamburgs Schwerbehindertenvertreter, unmissverständlich: „Ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nach § 35 Hamburgisches Beamtengesetz kommt nicht in Betracht.“ Zudem stehe es „dem Dienstherrn beziehungsweise Arbeitgeber insbesondere nicht zu, die Tätigkeit einer gewählten Interessenvertretung zu bewerten“.

Grutzeck ist von der Antwort entsetzt: „Dieser Fall ist besonders tragisch, denn trotz der offiziellen Formalitäten sollten Anträge auf Verlängerung der Dienstzeit zeitnah entschieden werden. Im Falle von Herrn Stahl wurde seine Rolle als Gesamtvertrauensperson für Schwerbehinderte viel zu lange im Unklaren gelassen. Die Fortführung der erfolgreichen und wichtigen Arbeit sollte in diesem Fall weiter möglich sein. Die Verantwortlichen verstecken sich allerdings leider hinter Formalitäten.“

Nach der CDU hat auch die Linke eine Kleine Anfrage gestellt

Auf der Zielgeraden vor dem 30. November macht die Politik nun doch noch mal ordentlich Druck. Neben der CDU hat nun auch die Linksfraktion eine Kleine Anfrage gestellt. In der Begründung heißt es: „Damit Schwerbehindertenvertretungen ihr Amt kompetent und verlässlich ausfüllen können und Verbesserungen für Kollegen und Kolleginnen mit Schwerbehinderung erreichen können, ist es notwendig, dass die Positionen auch besetzt werden, dass es Stellvertretungen gibt und eine Nachfolge mit einem verlässlichen Transfer von Wissen und Erfahrungen einhergeht.“

Und genau hier liegt das Problem. Denn – Stand jetzt – wird Ende des Monats nicht nur Stahl in den Ruhestand gehen, auch sein bisheriger Stellvertreter Jan Schöttler würde aus Protest gegen das Vorgehen der Behörden sein Amt zur Verfügung stellen. Damit würde es ab dem 1. Dezember keine Vertretung der Schwerbehinderten in Hamburg mehr geben.

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Um dieses Szenario doch noch zu verhindern, wollen die örtlichen Schwerbehindertenvertretungen nun noch einmal Unterschriften sammeln und diese dann am kommenden Mittwoch im Rathaus an Bürgermeister Peter Tschentscher übergeben.

In ihrem Aufruf heißt es: „Die Stadt Hamburg beschreibt sich als integrativen, weltoffenen Arbeitgeber, nun auch noch Herz-Stadt Hamburg, und scheint innerhalb der eigenen Beschäftigten bereits an Ihre Grenzen zu stoßen. Unsere Rolle als Schwerbehindertenvertretung ist seit Jahren keine ‚gelebte‘ Rolle, sondern offenbar nur ein Muss, welchem keine besondere Wertschätzung seitens der Freien und Hansestadt Hamburg entgegengebracht wird. Daher ist es nun an der Zeit, dass wir uns nicht weiterhin in unserer Rolle schwächen lassen und uns wehren!“

Mittelfristige Zukunft von Hamburgs Schwerbehindertenvertretung bleibt offen

Bei der Gelegenheit soll dann nicht nur über die Zukunft von Jörg Stahl, sondern auch über die Zukunft des Standorts der Gesamtschwerbehindertenvertretung in Hammerbrook gesprochen werden. Denn: Eine Standortgarantie gibt es nicht. Allein in Stahls Zeit in der Gesamtschwerbehindertenvertretung hat es bereits fünf Standortwechsel gegeben.

Doch wie es mittelfristig in Hamburg mit der Schwerbehindertenvertretung weitergeht, weiß momentan niemand. In dem schriftlichen Bescheid, der Stahl nach Monaten des Wartens am vergangenen Freitag endlich zugeschickt wurde, werden zwar jede Menge Paragrafen aufgelistet. Zum Schluss heißt es aber lediglich vom stellvertretenden Feuerwehrchef Peters: „Ich bedaure, Ihren Wunsch auf ein längeres Verbleiben im aktiven Dienst der Feuerwehr Hamburg nicht ermöglichen zu können.“

Damit ist momentan nur eines klar: Peters ist nicht der Einzige, der dies bedauert.