Hamburg. Dass Vertrauensmann zum 30. November in den Ruhestand muss, wollen CDU und Linke nicht hinnehmen. Ihre Ziele und Forderungen.
Der allgemeine Vorwurf, dass die Politik zu langsam reagiere, wurde am Mittwochmittag eindrucksvoll widerlegt. So dauerte es nur wenige Minuten, nachdem der Artikel „Von wegen Inklusion! Aus für Schwerbehindertenvertretung“ online bei Abendblatt.de zu lesen war, ehe die erste Kleine Anfrage zum Thema eingereicht war. Die CDU war es, die nach dem Bericht über das drohende Vakuum bei der Schwerbehindertenvertretung am schnellsten reagierte.
„Wie ernst ist es dem Senat mit der Interessenvertretung schwerbehinderter und gleichgestellter Menschen wirklich?“, lautete die Überschrift über der Kleinen Anfrage, mit der Andreas Grutzeck, der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, den Senat in die Pflicht nahm. Sein Hauptvorwurf: Wie kann es sein, dass das Personalamt den Antrag Jörg Stahls, der bisherigen Gesamtvertrauensperson für Schwerbehinderte, seinen Ruhestand ab dem 30. November um zwei Jahre zu verschieben, abgelehnt hat?
Linke und CDU in Hamburg: Schwerbehindertenvertretung muss bleiben!
Bleibe es bei der Entscheidung, so Grutzeck zum Abendblatt, dann sei das „ein echter Verlust“ für Hamburg. „Herr Stahl gilt als ausgewiesener Fachmann, der sich seit Jahren für die Belange und Rechte der Schwerbehinderten einsetzt. Da aktuell weit und breit kein Nachfolger in Sicht ist, wirkt die Entscheidung des Personalamtes umso erstaunlicher.“ Und noch ein wenig deutlicher: „Es ist völlig unverständlich, warum unter Rot-Grün unter diesen Umständen ein bewährter Fachmann seiner Tätigkeit nicht weiter nachgehen kann. Das Vorgehen des Personalamtes erweckt den Anschein, als ob hier ein energischer Streiter für die Belange von Schwerbehinderten in der Hamburger Verwaltung mundtot gemacht werden soll.“
Grutzeck ist nicht der Einzige, der diesen Eindruck hat. Auch Cansu Özdemir, die Vorsitzende der Links-Fraktion, ist entsetzt. „Die Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar. Für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst ist es ein herber Rückschlag, wenn die Nachfolge ungeklärt ist und Herr Stahl seine Arbeit, sein Wissen und seine Erfahrungen nicht weitergeben kann. Entgegen dem Willen der Beschäftigten mit Behinderung, die ihn ja vor Kurzem wiedergewählt haben“, sagt die Linken-Chefin, die Stahl noch im Sommer in seinem neuen Büro in der Wendenstraße besuchte.
Personalamt will Gesamtvertrauensperson in Hamburg in den Ruhestand schicken
Doch was war überhaupt passiert? Am Mittwoch hatte das Abendblatt darüber berichtet, dass Jörg Stahl, ein Vollzugsbeamter der Feuerwehr, nach seinem 60. Geburtstag in der kommenden Woche zum 30. November in den Ruhestand muss. „Die aktuelle Gesamtvertrauensperson, Herr Stahl, ist Beamter in der Laufbahn der Fachrichtung Feuerwehr und tritt gemäß § 114 Satz 2 i.V.m. § 108 HmbBG mit dem Ende des Monats, in dem er das 60. Lebensjahr vollendet, in den Ruhestand“, hatte Volker Wiedemann, der Leiter Personalamt, auf Abendblattanfrage ganz nüchtern in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt.
So weit, so normal, so schlecht. Denn Stahl ist gerade erst vor wenigen Monaten in seinem Amt als Gesamtvertrauensperson für 4852 Schwerbehinderte und 72 Vertretungen in Hamburg bestätigt worden. „Ich erwarte, dass Herr Stahl seine zweijährige Amtszeit als gewählte Gesamtvertrauensperson für Schwerbehinderte in Hamburg vollumfänglich wahrnehmen darf“, fordert deswegen auch Andreas Grutzeck lautstark genau das, was sich auch zahlreiche Betroffene zumindest leise wünschen. Die Sorge, dass nach dem immer noch wahrscheinlichen Aus von Stahl ein mindestens sechs Monate langes Vakuum in der Vertretung der Schwerbehinderten entsteht, ist groß.
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Denn nicht nur Stahl wird – Stand jetzt – Ende des Monats sein Amt aufgeben müssen. Auch dessen Stellvertreter Jan Schöttler würde zurücktreten, wenn es vonseiten des Personalamtes kein Umdenken gibt. Dieses ist bislang nicht in Sicht, obwohl nach Abendblatt-Informationen auch bei der SPD der Unmut immer größer wird. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum das Personalamt so entscheidet“, sagt Schöttler, der Schwerbehindertenbeauftragte in der Schulbehörde, der für das pädagogische Personal an Gymnasien zuständig ist. „Zum Wohle der Mitarbeitenden sollte das Amt eine andere Entscheidung treffen.“
Sollte es aber in den kommenden drei Wochen keinen überraschenden Meinungswechsel geben, würden die mehr als 4800 Schwerbehinderten in Hamburgs Behörden ab dem 1. Dezember ohne Gesamtvertretung dastehen. Ein Zustand, den Linken-Chefin Özdemir so nicht akzeptieren will. „Völlig unverständlich bleibt auch, warum die Stadt einen 60-Jährigen ohne Not in den Ruhestand zwingt und lieber die Pension zahlt“, sagt sie. Ihre Forderung: Die Politik muss endlich handeln. Schnell.