Hamburg. Gehälter seit über zehn Jahren nicht angemessen und verfassungswidrig? Was Richter verdienen und wie der Finanzsenator reagiert.
Richterinnen und Richter sind von Berufs wegen zu einer gewissen Mäßigung verpflichtet. Doch in einem Punkt, der sie selbst betrifft, haben die rechtsprechenden Frauen und Männer in Hamburg ihre Zurückhaltung jetzt aufgegeben. Der Hamburgische Richterverein fordert nach eigenen Worten „eine ganz erhebliche Erhöhung der monatlichen Besoldung um 2000 Euro“.
Der Forderung haben sich bislang 624 der rund 800 Richterinnen und Richter sowie 156 der rund 210 Staatsanwälte und Staatsanwältinnen angeschlossen und eine entsprechende Resolution unterschrieben, die FinanzsenatorAndreas Dressel (SPD) übergeben wurde. „Die Unterschriftenaktion ist ein großer Erfolg und zeigt, dass die Kolleginnen und Kollegen es leid sind, als Teil der Justiz bei ihrer Besoldung weiterhin verfassungswidrige Zustände hinnehmen zu müssen“, sagt Heike Hummelmeier, Vorsitzende des Richtervereins.
Gericht bestätigt: Richterbesoldung mit dem Grundgesetz unvereinbar
Aus Sicht des Richtervereins sind die Gehälter der Richter und Staatsanwälte „seit über einem Jahrzehnt nicht mehr amtsangemessen, sondern verfassungswidrig zu gering“. Dies hätten Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. Der Zweite Senat hat in einer verfassungsrechtlichen Prüfung am 4. März 2020 zum Beispiel entschieden, dass die Berliner Richterbesoldung, die der Hamburger vergleichbar ist, mit dem Grundgesetz unvereinbar sei, weil sie nicht amtsangemessen sei.
„Es stellt einen Ermessensfehlgebrauch und eine bewusste Herabsetzung der rechtsprechenden Gewalt dar, wenn das einzige Ziel des staatlichen Handelns eine möglichst niedrige Besoldung ist. Ein redlicher Dienstherr würde eine verfassungswidrige Unteralimentation unter allen Umständen vermeiden“, heißt es in der Resolution des Richtervereins. Das Ziel einer möglichst niedrigen Besoldung sei „lediglich geeignet, die Kolleginnen und Kollegen zu demotivieren und die Nachwuchsgewinnung zu erschweren“.
Einstiegsgehalt für Richter liegt unter Hamburger Durchschnittseinkommen
Markige Worte – die nüchternen Fakten: Das Einstiegsgehalt der Besoldungsgruppe R1 beträgt für Richter und Staatsanwälte in Hamburg 4858,20 Euro brutto, was netto etwa 3600 Euro entspricht und unter dem Hamburger Durchschnittseinkommen von 5209 Euro liegt. Über acht sogenannte „Erfahrungsstufen“, die im Wesentlichen Berufsjahren entsprechen, steigt die R1-Besoldung bis auf 7152,76 Euro brutto an. Die Besoldungsgruppe R2 betrifft unter anderem Vorsitzende Richter und weist eine Spanne 5497,48 bis 7791,58 Euro auf.
„Nach einer aktuellen Kienbaum-Studie erhält eine ledige Richterin oder ein lediger Staatsanwalt mit einigen Jahren Berufserfahrung im Durchschnitt 40 Prozent weniger Gehalt als ein vergleichbar qualifizierter Prädikatsjurist in einem Unternehmen und sogar fast 60 Prozent weniger als Rechtsanwälte auf der ersten Karrierestufe in einer Großkanzlei“, schreibt der Richterverein.
Im europäischen Vergleich hinken Gehälter der deutschen Richter hinterher
„Der Befund ist klar: Die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten hinkt der Entwicklung der Gehälter von Rechtsanwälten in großen Anwaltskanzleien und von Syndikusanwälten in Unternehmen seit Jahrzehnten hinterher“, schreiben die Richter. Auch im europäischen Vergleich ist die Besoldung hierzulande „mit Abstand am geringsten“. Während Richter in Deutschland im Einstiegsamt der Besoldungsgruppe R1 knapp das nationale Durchschnittsgehalt erhielten, liege es für die Berufskollegen in den übrigen EU-Mitgliedstaaten beim 2,18-Fachen des jeweiligen Durchschnittsgehalts.
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„Um den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen einer unabhängigen Justiz zur Gewährleistung des Rechtsstaats auch nur im Ansatz angemessen zu begegnen, muss die Besoldung das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sowie die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung endlich sachgerecht widerspiegeln“, heißt es in der Resolution des Richtervereins. Das Gehalt müsse zudem so attraktiv sein, „dass auch künftig trotz des Fachkräftemangels und der anstehenden Pensionierungswelle im Rahmen der Bestenauslese nur überdurchschnittlich qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber“ gewonnen werden.
Finanzsenator: Amtsangemessene Besoldung eine „Herausforderung“
Schließlich müssten in die Bemessung des Gehalts neben der hohen Inflation auch die gerade im Stadtstaat Hamburg weit überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden. Die Forderung nach einer durchgängigen Erhöhung des Bruttogehalts um 2000 Euro entspreche auch dem verfassungsgemäßen Abstandsgebot zwischen den einzelnen Besoldungsstufen. „Wir fordern den Dienstherrn auf, die R-Besoldung endlich verfassungsgemäß auszugestalten. Dies betrifft insebesondere die unteren Besoldungsstufen R1 und R2, nach denen etwa 93 Prozent der Richter und Staatsanwälte besoldet werden“, schreibt der Richterverein.
„Das Thema der amtsangemessenen Besoldung bleibt eine Herausforderung, die man natürlich berechtigterweise einfordern kann – man muss es aber auch ausfinanzieren können. Das alles wird in diesen Tagen angesichts der Haltung des Bundesfinanzministers zu den Länderfinanzen und des Urteils aus Karlsruhe zur Schuldenbremse nicht leichter, sondern jeden Tag schwieriger“, sagte Finanzsenator Dressel dem Abendblatt.
Der SPD-Politiker sprach von einem guten Gespräch im Rahmen der Unterschriftenübergabe. „Wir haben vereinbart, den Dialog fortzusetzen, wenn ein Tarifergebnis ins Beamtenrecht – und damit auch in die Richterbesoldung – überführt wird. Denn wir bleiben dabei, dass Tarifergebnisse 1:1 auf die Beamtenbesoldung übertragen werden sollen – davon werden also auch die Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte profitieren“, sagte Dressel.