Hamburg. Verkehrssenator über regelmäßige Verspätungen im Bahnverkehr, die komplett überlastete Infrastruktur und massive Investitionen.

Die Unpünktlichkeit von Zügen der Deutschen Bahn erzürnt viele Bundesbürger. In Hamburg steckt dahinter ein strukturelles Problem. „Ein Regionalzug oder ein Fernzug kann kaum pünktlich durch Hamburg fahren, das ist unmöglich“, sagt Anjes Tjarks (Grüne), Verkehrssenator der Hansestadt. Der Grund: Die Strecken in Hamburg sind völlig überlastet. „Hier fahren zu viele Züge auf den vorhandenen Strecken.“ Deshalb sei ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur so wichtig.

Tjarks macht das Problem im Abendblatt-Podcast „Becker am Morgen“ am Beispiel eines ICE deutlich, der – wie rund die Hälfte aller deutschen ICE – im Betriebswerk in Eidelstedt zu seiner Reise startet. Dieser läuft zunächst pünktlich im Altonaer Bahnhof ein, muss den Kopfbahnhof aber in umgekehrter Richtung verlassen und eine Drehung absolvieren, was laut Tjarks gut und gerne schon einmal zwei Minuten Verspätung bedeuten kann. Vor dem Einfahren in die sogenannte Verbindungsbahn zwischen Altona und dem Hauptbahnhof, die derzeit noch ebenfalls von der S-Bahn genutzt wird, muss die Bahn oftmals halten, weil bereits andere Züge auf der Verbindungsbahn sind – sie steht also gewissermaßen im Stau. Denn: „Wir haben eine Auslastung der Verbindungsbahn von 140 Prozent – es fahren also mehr Züge, als die Strecke eigentlich fassen kann“, so Tjarks.

Verkehr: 15 Minuten Verspätung, bevor Zug Hamburg überhaupt verlässt

Das bedeutet nicht selten weitere sechs bis sieben Minuten Verspätung. Zwischen dem Dammtor-Bahnhof und dem stark überlasteten Hauptbahnhof muss der Zug häufig noch einmal vier Minuten warten, bevor er in den Hauptbahnhof einfahren kann. Nicht selten sind dann auch die Elbbrücken auf dem Weg zum Bahnhof Harburg ausgelastet. „Dann hat der Zug bereits 15 Minuten Verspätung, bevor er überhaupt Hamburg verlässt“, so Tjarks.

Und das, so der grüne Verkehrssenator, hat eben strukturelle Ursachen. Im bestehenden Hamburger Schienennetz sei es „praktisch unmöglich“, alle Züge pünktlich fahren zu lassen. Das lässt sich nur mit massiven Investitionen in die Infrastruktur beheben, so Tjarks. „Darum ist es so wichtig, dass wir den Verbindungsbahnentlastungstunnel bauen.“ Von ihm verspricht er sich „mehr Pünktlichkeit, mehr Zuverlässigkeit und mehr Kapazitäten“.

Denn hier sollen unterirdisch künftig die S-Bahnen verkehren, sodass die Züge des Fernverkehrs oberirdisch mehr Platz haben. Der knapp sechs Kilometer lange Tunnel soll grob der Verbindungsbahn folgen – vom Hauptbahnhof über Dammtor zum neuen Altonaer Fernbahnhof am Diebsteich. Bis Ende des Jahres soll die endgültige Trasse ausgewählt werden. Die Idee dahinter: Wenn die täglich 645 S-Bahnen auf diesem Abschnitt unter der Erde fahren würden, könnte der oberirdische Fern- und Regionalverkehr vier statt zwei Gleise nutzen – daher der Name „Verbindungsbahnentlastungstunnel“.

Verkehr Hamburg: „Nur dann können wir einen wirklich pünktlichen Bahnverkehr garantieren“

Die Bahn sieht durch die zusätzliche Infrastruktur ein Potenzial für täglich etwa 150 Züge mehr auf der Verbindungsbahn, davon 70 Nahverkehrszüge – das sei eine Verdoppelung der Kapazitäten und entspreche zusätzlichen 55.000 Sitzplätzen pro Tag. Der Tunnel würde aber auch dem Hamburger Hauptbahnhof, mit rund 550.000 Fahrgästen pro Tag schon jetzt überlastet und einer der wichtigsten Eisenbahnknoten Deutschlands, etwas Luft verschaffen. Darüber hinaus soll der Hauptbahnhof kräftig ausgebaut werden. „Nur dann können wir einen wirklich pünktlichen Bahnverkehr garantieren“, so Tjarks. Er nennt außerdem die Erneuerung und voraussichtlich auch Erweiterung der Elbbrücken als wichtige Maßnahme. „Es muss viel Geld investiert werden, damit es besser wird.“

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Auf Entlastung dürfen auch die Fahrgäste der S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Harburg hoffen, auf einer der am meisten beanspruchten S-Bahn-Strecken in ganz Deutschland. Ab Ende 2029 soll hier die neue S-Bahn-Linie 6 verkehren. Die Stellwerktechnik wird schon deutlich früher modernisiert. Und zum Fahrplanwechsel in diesem Dezember soll die neue Linie S5 den bisherigen Verkehr der S3 zwischen Stade, Buxtehude und Neugraben Linie übernehmen.

Die S5 wird ohne Umkuppeln in Neugraben direkt weiter Richtung City fahren. Die Strecke führt weiterhin über Harburg und Hauptbahnhof, aber wird neuerdings über die Verbindungsbahn bis zur Elbgaustraße fahren. Die Linie S3 startet zukünftig in Neugraben und wird wie bisher über den City-Tunnel in Pinneberg Endstation haben. Ohne das Umkoppeln der S-Bahn-Züge aus Stade in Neugraben werden die Züge pünktlicher. Am Harburger Bahnhof ist die neue S-Bahn-Linie bereits ausgeschildert.