Hamburg. 26-Jähriger behauptete, die Initiative für den Sex sei von der Seniorin ausgegangen. Wie das Gericht seine Entscheidung begründet.

Er soll in einem Pflegeheim eine 88-Jährige vergewaltigt haben. Wegen dieses Vorwurfs musste sich ein 26-Jähriger vor dem Schöffengericht verantworten. Der junge Mann, ein Altenpfleger, hatte zum Prozessauftakt angegeben, die Initiative zum Sex sei von der Seniorin ausgegangen. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie ihn begehre. „Und ich war nicht abgeneigt.“ Er habe die Frau für jünger gehalten, als sie war. Den Sex hätten sie beide gewollt.

Es ging um Vorkommnisse vom 7. September vergangenen Jahres in einem Altenheim in Hamburg-Alsterdorf. Als eine Pflegekraft an jenem Tag in das Zimmer der 88-Jährigen gekommen war, hatte sie einen jungen Mann gesehen, der sich die Hose richtete. Und die betagte Bewohnerin lag nackt auf dem Bett. Für die Pflegekraft sei dies „der Schock meines Lebens“ gewesen, hatte die Frau als Zeugin ausgesagt.

Hamburger Pflegekraft: „Es war der Schock meines Lebens“

Im Prozess war vor allem von Bedeutung, ob die an Demenz erkrankte Seniorin überhaupt richtig hat erfassen können, was mit ihr geschah – oder ob sie womöglich nicht in der Lage gewesen ist, eine eigenständige Entscheidung zu bilden und sich gegebenenfalls zur Wehr zu setzen. Zu dem Geisteszustand der Frau waren mehrere Zeugen befragt worden, unter anderem Pflegekräfte aus dem Altenheim.

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Und diese Zeugenaussagen ergaben laut Überzeugung des Gerichts kein so einheitliches Bild, dass nicht sicher festzustellen sei, dass die Seniorin keinen eigenen Willen bilden konnte. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass die Initiative zur körperlichen Annäherung von der 88-Jährigen gekommen sei. Ebensowenig könne nachgewiesen werden, dass der Angeklagte vorsätzlich eine hilflose Lage der alten Frau ausgenutzt habe. Insofern sprach das Gericht den Angeklagten frei. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Freiheitsstrafe gefordert.

Angeklagter: „Es ist richtig, dass wir Geschlechtsverkehr hatten“

„Es ist richtig, dass wir Geschlechtsverkehr hatten“, hatte der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung über seinen Verteidiger eingeräumt. Er sei bereits längere Zeit als Altenpfleger für Martha S. zuständig gewesen und habe sich um sie gekümmert, als sie noch zu Hause lebte. Nach ihrem Umzug in ein Pflegeheim in Alsterdorf habe er sie mehrfach besucht, allerdings nicht als Pflegekraft, sondern weil sie ihn darum gebeten habe. „Ich war jetzt der Besucher, nicht mehr ihr Pfleger.“

Zu einer Pflegedienstmitarbeiterin hatte er nach dem Sex mit der Bewohnerin über diese gesagt, „sie sei eine Frau. Sie könne selbst entscheiden, was sie macht.“