Hamburg. Der Angeklagte soll versucht haben, die Unternehmerfamilie aus Rotherbaum um viel Geld zu erpressen. Mutter sagt als Zeugin aus.
Es ist alles wieder da. Die Sorge, die Angst, das Chaos der Gefühle. Die Furcht, ihren Kindern könnte etwas Schlimmes geschehen. Dass sie sogar in Lebensgefahr schweben könnten. Das Trauma von damals wird wieder gegenwärtig, wenn Claudia M. (alle Namen geändert) über jene Zeit spricht, als jemand ihre Familie zu erpressen versuchte. Und als dieser jemand damit drohte, wenn sie nicht 300.000 Euro zahle, würden ihre Kinder entführt und getötet.
Mehr als fünf Jahre liegen diese Erlebnisse mittlerweile zurück. Doch wenn die Hamburgerin, die zu einer bekannten Unternehmerfamilie gehört, als Zeugin im Prozess vor dem Schöffengericht Hamburg die entsetzlichen Stunden des 11. Januar 2018 schildert, stockt ihre Stimme – und sie kämpft mit den Tränen. Der Erpresser hatte seinerzeit alles darangesetzt zu demonstrieren, wie unmittelbar die Gefahr für die Kinder der 45-Jährigen ist.
Prozess Hamburg: Erpresser zielte mit Waffe auf Millionärskinder
Dem anonymen Schreiben, in dem er Geld forderte, hatte der Täter ein schockierendes Foto beigelegt: Das Bild zeigt, wie eine Hand mit einer Waffe auf die Kinder zielt, während sie in ihren Betten liegen und schlafen. Sie sind wehrlos, sollte das Foto wohl ausdrücken. Ich bin ganz nah dran. Ich bin schon im Haus, ich müsste nur noch schießen.
Zusammen mit dem Foto und dem Erpresserbrief hatte der Täter in der Villa in Rotherbaum vier Patronenhülsen bereitgelegt. Wegen dieser Tat ist ein 36-Jähriger angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft Luka R. versuchte räuberische Erpressung vor. Die Familie ließ sich indes nicht auf die Erpressung ein, sondern schaltete die Polizei ein, die schließlich Luka R. als mutmaßlichen Täter ermittelte.
Mutter: „Ich musste meine Kinder erst mal in Sicherheit bringen“
„Man bekommt Angst“, erzählt die Mutter der beiden damals sieben und neun Jahre alten Jungen am Donnerstag vor Gericht. „Meine Kinder waren bedroht. Ich musste sie erst mal in Sicherheit bringen.“ Jemand aus ihrem Umfeld habe sich um Hotelzimmer gekümmert. „Da sind wir dann hin.“ Sie habe sich den Erpresserbrief gerade noch mal angesehen, sagt die Zeugin, und erneut muss sie innehalten und sich sammeln, bevor sie weitersprechen kann.
Zwar hatte der Autor das Schreiben mit den Worten begonnen, die bedrohte Familie solle sich „nicht erschrecken“. Er fordere das Geld, weil er dies zur Finanzierung einer Herzoperation seines sehr kranken Sohnes benötige, schreibt der Erpresser. Deshalb solle die Zahlung deshalb als „Wohltat“ angesehen werden und nicht als Unheil. Er selber, so der Verfasser des Briefes, sei ein „sehr verletzter Mann, der nichts mehr zu verlieren hat“.
Millionärsfamilie erpresst: Täter drohte im Brief mit „Vergeltung“
Er sei heimlich in die Villa der Familie eingedrungen, um das Erpresser-Foto zu machen. Außerdem lässt er durchblicken, er könne die Unternehmerfamilie auch in ihren weiteren Domizilen auf Sylt und auf einer Mittelmeerinsel „heimsuchen“. Er droht darüber hinaus, sie stünden „unter Beobachtung“, und spricht von „Vergeltung“.
Ob es denn eine Option gewesen sei, das Erpressergeld zu zahlen, will die Amtsrichterin wissen. So weit sei es gar nicht gekommen, erzählt die Zeugin. „Ich wollte als Erstes die Kinder in Sicherheit bringen.“ Sie habe ihr Zuhause mittlerweile mit einer Alarmanlage ausrüsten lassen, berichtet die Zeugin. Außerdem gebe es Sicherheitspersonal, das sie und ihre Kinder schützt. „Am Anfang hatte ich Angst.“ Und auch heute sei sie in Sorge, dass etwas passieren könne.
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Zunächst habe sie geglaubt, der Erpresser sei „jemand von außen“. Aber später sei dann der Verdacht aufgekommen, dass es vielleicht jemand aus ihrem näheren Umfeld gewesen sein könne. Der Mann, der der Anklage zufolge der Erpresser ist, ist für Claudia M. kein Unbekannter. „Ich habe ihn als netten jungen Mann kennengelernt“, erzählt die Zeugin.
Luka R. sei ein Bekannter ihres damaligen Lebensgefährten gewesen. Mitunter sei er Gast in ihrem Haus gewesen, habe in einem abgetrennten Apartment gewohnt. „Ich denke, er hat die Kinder ein- oder zweimal gesehen“, überlegt die Zeugin. „Er war wohl auch mal beim Mittagessen dabei.“
Prozess Hamburg: Opfer hatte dem Angeklagten früher mit Geld ausgeholfen
Sie habe seinerzeit mitbekommen, dass Luka R. finanzielle Probleme hatte, wohl wegen Schwierigkeiten in seinem Job. Zweimal habe sie dem 36-Jährigen in jener Zeit auch mit Geld ausgeholfen. Eine vierstellige Summe gab Claudia M. dem Bekannten ihres Lebensgefährten demnach für ein Auto. Weitere 6500 Euro habe sie ihm gegeben, weil seine Frau bedroht worden sei.
Während sie erzählt, vermeidet die 45-Jährige den Blick auf den Angeklagten. Dieser sieht seinerseits die Zeugin aufmerksam an. Zum Prozessauftakt hatte er geschwiegen. In Verdacht geraten ist Luka R., weil das Erpresserschreiben in einem Copyshop in Berlin fotokopiert wurde, ganz in der Nähe der Wohnadresse des Angeklagten. Außerdem wurde die Hand, die auf dem Foto zu sehen ist, das dem Erpresserschreiben beigelegt wurde, genau unter die Lupe genommen. Laut Gutachten ist es die Hand des 36-Jährigen.
Der Prozess wird fortgesetzt.