Hamburg. Zehn junge Männer sollen eine 15-Jährige während einer Feier immer wieder missbraucht haben. Erfährt das Opfer jetzt Gerechtigkeit?

In wenigen Wochen herrscht Klarheit, ob die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung einer 15-Jährigen im Stadtpark gesühnt wird. Läuft alles nach Plan, wird das Hamburger Landgericht am 28. November ein Urteil verkünden. Das sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Anfrage des Abendblatts.

Es liegt in der Natur von Großverfahren, dass sie lange dauern, viel Geld kosten (nicht selten am Ende den Staat) und außergewöhnlich komplex sind. Allein die schiere Zahl der Angeklagten, ihrer Verteidiger und weiterer Prozessbeteiligter erfordert vom Gericht viel Rücksichtnahme auf logistische und terminliche Erfordernisse. Bis zum Urteilsspruch können im Extremfall Jahre vergehen.

Vergewaltigung im Stadtpark - über den Prozess gegen zehn junge Männer ist kaum etwas bekannt

Das Stadtpark-Großverfahren gegen zehn junge Männer befindet sich aber jetzt, nach immerhin fast anderthalb Jahren, auf der Zielgeraden. Vor wenigen Tagen ist die Beweisaufnahme geschlossen worden.

Seit Prozessauftakt wird, dem jungen Alter der Angeklagten geschuldet, auf gerichtliche Anordnung hinter verschlossenen Türen verhandelt. Kaum etwas drang nach außen. Das überrascht insofern, als dass an jedem Verhandlungstag rund 50 in den Prozess involvierte Menschen in Gerichtssaal 300 sitzen: die zehn Angeklagten mit jeweils zwei Pflichtverteidigern an ihrer Seite; Sachverständige, ein Dolmetscher für Arabisch, zwei Staatsanwälte, eine fünfköpfige Strafkammer mit zwei Ersatzschöffen, dazu Vertreter der Nebenklägerin und der Jugendgerichtshilfe.

Der Fahrplan für die letzte Etappe in diesem aufwendigen Mammutprozess: Vom 10. Oktober (Dienstag) an, dem 66. Verhandlungstag, werden die Plädoyers gehalten. Für die Schlussvorträge von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage hat das Gericht einen Zeitraum von mehr als vier Wochen reserviert.

Einer der Angeklagten soll das Mädchen während der Vergewaltigung gefilmt haben

Nach Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft passierte die schreckliche Tat am späten Abend des 19. September 2020. Die 15-Jährige hatte auf der Stadtpark-Festwiese gefeiert. Stark alkoholisiert stieß sie auf einen der jetzt Angeklagten, so die Staatsanwaltschaft. Dieser habe sie in ein Gebüsch geführt, es kamen drei weitere Männer hinzu. Teils unter Anwendung von Gewalt sollen sie die 15-Jährige missbraucht haben. Ihr Martyrium endete damit nicht – sie soll weitere zweimal in ein Gebüsch geführt und dort von den anderen Angeklagten vergewaltigt worden sein. Einer von ihnen soll das Mädchen dabei zudem mit dem Handy gefilmt und ihre Handtasche gestohlen haben.

Bisher wurden 96 Zeugen vom Gericht vernommen

96 Zeugen hat das Gericht bisher befragt, viele von ihnen waren am Abend des Verbrechens auf der Stadtparkwiese. Das zum Tatzeitpunkt 15 Jahre alte Opfer war an vier Verhandlungstagen über Video vernommen worden. Die Nebenklägerin sprach ausschließlich mit der erfahrenen Vorsitzenden, Richterin Anne Meyer-Göring. Weil es hier wesentlich auch um die Übertragung und Zuordnung von genetischen Spuren geht, hörte die Kammer dazu und zur Frage des Alkoholkonsums am Tatabend mehrere Sachverständige.

Bereits im April war ein ursprünglich ebenfalls angeklagter 20-Jähriger vom Vorwurf der Beihilfe zur Vergewaltigung sowie der Herstellung jugendpornografischer Inhalte und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen freigesprochen worden. Die restlichen zehn Angeklagten im Alter von 19 bis 23 Jahren stehen weiterhin wegen Vergewaltigung vor Gericht. Vier der Angeklagten sind nach Angaben des Senats Deutsche, weitere vier haben armenische, afghanische, kuwaitische und montenegrinische Staatsangehörigkeiten. Bei zwei Beschuldigten sollte die Nationalität vom Gericht geklärt werden.

Hasserfüllte Reaktionen im Internet auf die Gruppenvergewaltigung im Stadtpark

Das Echo auf die Gruppenvergewaltigung in den Medien und in der Bevölkerung war immens. Reihenweise hasserfüllte und hetzerische Kommentare im Internet beschäftigten Ermittlungsbehörden in ganz Deutschland. Ein guter Teil der Verfahren entfällt auf Menschen, die Fotos, Adressen oder andere Details der mutmaßlichen Täter veröffentlicht hatten. In einer Unterschriftensammlung wurde zudem die „Veröffentlichung der Gesichter der Täter“ gefordert. Die Hamburger Polizei leitete 160 Ermittlungsverfahren ein.