Hamburg. Hamburger Parlamentarier gedenken ermordeter Politiker am Rathaus. „Jüdisches Leben auch 2023 bedroht.“ Eine Fraktion war nicht dabei.
21 Stolpersteine liegen im Pflaster vor dem Hamburger Rathaus, sie erinnern an die von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer demokratischen Überzeugungen deportierten oder ermordeten Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft. Am Mittwochvormittag kamen Abgeordnete von SPD und Grünen, CDU und der Linken zusammen, um die Steine zum 85. Jahrestag der nationalsozialistischen Novemberpogrome am 9. November zu reinigen.
„Die Steine repräsentieren schreckliche menschliche Schicksale, die nie in Vergessenheit geraten dürfen. Wir möchten den damals verschleppten und getöteten Mitgliedern der Bürgerschaft ein ehrendes Gedenken bewahren und damit dazu beitragen, die Vergangenheit lebendig zu halten“, sagte Anke Frieling, stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende.
„Jüdisches Leben auch 2023 noch sehr bedroht“
Gemeinsam mit ihr verhalfen Isabella Vértes-Schütter und Danial Ikhanipour (beide SPD), Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen und Deniz Celik (Linke) den Stolpersteinen mit Schwamm, Wasser und Putzmitteln zu neuem Glanz. „Wir demokratischen Parteien stehen heute zusammen, um ein Symbol und Zeichen gegen Antisemitismus und Faschismus zu setzen. Dass heute mehrere Parteien teilnehmen, ist gerade das, was eine Demokratie ausmacht“, so Ikhanipour.
„Der Schrecken des 9. Novembers wiegt stets schwer und ist in diesem Jahr ganz besonders präsent. In den letzten Wochen wurden wir auf brutale Art und Weise mit der Realität konfrontiert, dass jüdisches Leben auch im Jahr 2023 immer noch sehr bedroht ist“, schlug Grünen-Fraktionschef Lorenzen den Bogen zur aktuellen Weltlage. „Egal ob auf den Straßen Berlins, Londons oder Hamburgs: Wir müssen die Sicherheit von Jüdinnen und Juden überall sicherstellen, Antisemitismus bekämpfen und jede Art von Hass entschieden zurückweisen. Das verdeutlichen auch die Stolpersteine vor unserem Rathaus“. Es sei wichtig, sich bewusst zu machen, dass weder Freiheit noch Demokratie eine Selbstverständlichkeit seien. Die Gesellschaft müsse wehrhaft und wachsam sein sowie beides schützen.
„Rassistischer Propaganda und Hetze entgegenstellen“
Auch Deniz Celik appelliert: „Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus ist für uns nicht nur ein historischer Auftrag aus dem Holocaust, sondern auch eine tagtägliche Herausforderung. Gerade in Zeiten des Rechtsrucks in unserer Gesellschaft sind Jüdinnen und Juden auch heute Zielscheibe antisemitischer Angriffe. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass das zur Normalität wird, und müssen uns antisemitischer und rassistischer Propaganda und Hetze konsequent entgegenstellen.“ Die AfD war bei der Aktion nicht vertreten.
Klimaschützerin Luisa Neubauer bei Gedenkveranstaltung dabei
Im Grindelviertel wird am Donnerstag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Mit dabei sind neben Bürgermeister Peter Tschentscher und der Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit auch der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Philipp Stricharz sowie Hamburgs Ehrenbürgerin, die Schriftstellerin Kirsten Boie, sowie Klimaschützerin Luisa Neubauer.
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Mit einer Gedenkfeier erinnert auch die Evangelische Stiftung Alsterdorf am Donnerstag (9. November, 14 Uhr) an die Pogrome vor 85 Jahren. In der Kirche St. Nicolaus werden Auszubildende der Fachschule die Schicksale ehemaliger jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner der damaligen Alsterdorfer Anstalten vorstellen, wie die Stiftung mitteilte. Anschließend ist eine Diskussion mit Michael Heimann von der jüdischen Gemeinde und dem Stiftungsleiter Uwe Mletzko über die heutige Verantwortung geplant. hpmb/hpcu