Hamburg. Hamburg droht 2024 ein Geldproblem. Dressel appelliert an die Ampelkoalition: „Gift für gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Finanzsenator Andreas Dressel appelliert dringend an den Bund, sich im kommenden Jahr deutlich stärker an den Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen zu beteiligen als bisher geplant. „Wenn es keine Einigung mit dem Bund gibt, dann werden wir im kommenden Jahr statt mehr Mittel weniger Geld vom Bund für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen haben“, sagte der SPD-Politiker dem Abendblatt.

In diesem Jahr gab es von der Bundesregierung angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen über verschiedene Bausteine insgesamt mehr als drei Milliarden Euro für alle Länder obendrauf – für Hamburg waren das rund 90 Millionen Euro. Gelingt nun keine Einigung mit dem Bund bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler im November, dann geht diese Summe im kommenden Jahr auf 24 Millionen Euro zurück. Das wäre weniger als ein Drittel der Summe, die Hamburg in diesem Jahr bekommen hat. Und auch das, so Dressel, sei „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ gewesen.

Flüchtlinge: Hamburg knackt in diesem Jahr die Milliardenmarke bei den Kosten

Hamburg hatte seinen Haushalt bei der Flüchtlingsversorgung für das Jahr 2023 bereits in mehreren Schritten zusätzlich zur Grundversorgung um insgesamt 331,5 Millionen Euro verstärkt, über die letzte Tranche von 212,8 Millionen Euro muss die Bürgerschaft nach den Ferien final entscheiden. Damit gibt Hamburg im laufenden Jahr zwischen 900 Millionen Euro und einer Milliarde Euro für Flüchtlinge aus. „Mit allen Neben- und Integrationskosten dürften wir in diesem Jahr die Milliardengrenze knacken“, so Dressel.

„Die Verstärkung haben wir nur über äußerste Anstrengung noch mal bereitstellen können. Wir mussten auch nicht woanders kürzen, sondern konnten mit eigenen und Bundesmitteln die Finanzierung 2023 absichern“, sagte Dressel dem Abendblatt. „Für die nächsten Jahre wird es ohne zusätzliche Bundesmittel nicht gehen.“ Der Bund müsse den Ländern mehr Geld für die Integration bereitstellen, nicht wie bisher geplant weniger. „Die Ampel muss verstehen, dass alles andere Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wäre. Ärmere Länder und Kommunen müssten woanders kürzen, um die Flüchtlingsaufnahme zu bezahlen – das kann der Bund nicht wollen!“ Mithin: „Wir brauchen für 2024 nicht weniger, sondern mehr als die Mittel, die wir 2023 bekommen haben.“

Dressel: Länder brauchen kommendes Jahr elf Milliarden Euro vom Bund

Dressel rechnet nicht mit einem raschen Rückgang der Flüchtlingszahlen. Die Begrenzung des Flüchtlingsstroms und die Bemühungen um vermehrte Abschiebungen werden Wirkung zeigen, aber nicht über Nacht, die Maßnahmen brauchen Vorbereitung. „In dieser Lage kann der Bund die Länder nicht alleinlassen, wir setzen auf eine Einigung“, so der Finanzsenator. Er schätzt, dass die Länder im nächsten Jahr elf Milliarden Euro benötigen werden, um Flüchtlinge unterzubringen – ohne die Kommunen der Flächenländer. Doch der Bund plane, die Zuschüsse für die Flüchtlingskosten drastisch zu kürzen – auf eine Milliarde Euro für alle Bundesländer. Dressel sprach von einem drohenden Desaster. „Der Bund muss sich in dieser Frage bewegen.“

Finanzsenator Andreas Dressel in der Finanzbehörde am Hamburger Gänsemarkt.
Finanzsenator Andreas Dressel in der Finanzbehörde am Hamburger Gänsemarkt. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Im Abendblatt-Interview hatten sich Innensenator Andy Grote, Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer und Schulsenator Ties Rabe (alle SPD) kürzlich Alarm geschlagen und gemeinsam erklärt, Hamburg könne keine weiteren Belastungen schultern. Die Stadt stoße an ihre Grenzen, nicht nur bei der Unterbringung, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt. „Da kann ich mich als vierter Senator dazustellen und sagen: Auch die Ressource Geld ist endlich. Wir stoßen auch bei unseren finanziellen Möglichkeiten an unsere Grenzen“, so Dressel. Die Stadtstaaten seien besonders belastet.

Im Oktober kamen bereits mehr als 1600 Schutzsuchende nach Hamburg

Unterdessen hält der Zustrom von Flüchtlingen nach Hamburg auch im laufenden Monat an. Bis zum 20. Oktober seien 1600 Schutzsuchende angekommen, sagte die Sprecherin. Für 1100 von ihnen musste die Stadt eine Herberge finden. Im September hatten laut aktuellem Lagebild der Stadt zu Asyl- und Schutzsuchenden in Hamburg 2103 Asylbewerber Hamburg erreicht, von denen 1684 in der Stadt verblieben und 1569 öffentlich untergebracht werden mussten. Im November könnten die Zahlen weiter steigen, hieß es.

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735 Schutzsuchende kamen im September aus der Ukraine, weitere 1368 aus anderen Ländern; 1115 von ihnen blieben in Hamburg. An erster Stelle der Herkunftsländer dieser Menschen stehen Afghanistan und Syrien. Schon Ende September waren die Kapazitäten der öffentlichen Unterbringung laut Lagebild zu 97,4 Prozent ausgelastet. Inzwischen wird auch wieder eine Messehalle genutzt, hier können bis Ende Januar rund 470 Menschen untergebracht werden können. Auch werden Schutzsuchende in Hamburg an Notstandorten wieder in Zelten wohnen. Zurzeit stehen Zelte an zwei Standorten in den Stadtteilen Harburg und Bahrenfeld und sind zum Teil schon belegt.

Flüchtlinge: Stadt prüft Containerdorf auf Parkplatz in Wandsbek

„Wir arbeiten jeden Tag daran, das Ende dieser Kapazitäten weiter nach hinten zu verschieben, und ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, um Geflüchtete überhaupt noch unterbringen zu können“, sagte eine Behördensprecherin der dpa. Dazu zählten eine dichtere Belegung der Unterkünfte sowie die Nutzung weiterer Hotels und Pensionen. Zurzeit werde geprüft, ob auf einem Parkplatz an einem ehemaligen Telekom-Gebäude in Wandsbek Container für 300 bis 500 Menschen aufgestellt werden könnten. Die Behörde erwägt zudem, weitere Gewerbeimmobilien anzumieten oder zu kaufen.

Im Juli dieses Jahres gab die Stadt, so die Antwort des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage der AfD 17,3 Millionen Euro für die Unterbringung und Verpflegung der Asylbewerber in Hotels und Hostels aus.

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