Hamburg. Trotz der Allgemeinverfügung wurde für Mittwoch eine Kundgebung genehmigt. Zwei weitere Demos sollen verboten werden.

Mit einer großen Demonstration will die Schura, der Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, am Mittwoch für Solidarität mit den Palästinensern demonstrieren – trotz der bestehenden Allgemeinverfügung, die solche Aufzüge und Versammlungen wegen befürchteter Ausschreitungen und verbotenen Äußerungen verbietet. Die Demonstration der Organisation, die allein 39 Moscheen vertritt, war bereits am Montag angemeldet worden.

Hinter verschlossenen Türen wurde den ganzen Dienstag über bei den Behörden darum gerungen, ob und wie der Aufzug trotz der Allgemeinverfügung durchgeführt werden kann. Am späten Nachmittag dann die Entscheidung: Die Demonstration, die für den Mittwochabend angesetzt ist, darf stattfinden. Zwei weitere Demonstrationen, die für den Donnerstag und den Sonnabend geplant sind, sollen aber laut einem Sprecher der Polizei verboten werden

Abendblatt-Informationen zufolge werden zur heutigen Kundgebung 1500 Menschen erwartet. Es wird der erste genehmigte Aufzug dieser Art nach den Anschlägen durch die Terrororganisation Hamas und der israelischen Reaktion. Bereits am Nachmittag ist die Polizei mit zahlreichen Fahrzeugen und Wasserwerfern aufgefahren. Um 17.30 Uhr war der Zulauf zur Demo laut dem Lagedienst der Polizei noch gering.

In der Hamburger Innenstadt sind bereits am Nachmittag zahlreiche Mannschaftswagen aufgefahren.
In der Hamburger Innenstadt sind bereits am Nachmittag zahlreiche Mannschaftswagen aufgefahren. © Michael Arning | Michael Arning

Strenge Auflagen für Pro-Palästina-Demo am Mittwoch in Hamburg

Allerdings gelten für die Veranstaltung sehr strenge Auflagen. Diese betreffen die Zahl eingesetzter Ordner, „die bei Verstößen konsequent einzuschreiten haben“. So dürften keine Transparente gezeigt werden, die das Existenzrecht Israels oder den Hamas-Terror thematisieren. Auch sei die Zahl palästinensischer Flaggen vorgegeben.

„Zudem haben die Veranstalter durch die Auflagen dafür Sorge zu tragen, dass nur bestimmte und vorher abgestimmte, erlaubte Parolen skandiert oder Bestandteil von Redebeiträgen werden“, heißt es weiter. Nicht zulässig seien Beiträge, die das Existenzrecht Israels angreifen oder antisemitische Parolen beinhalten oder zu einer Solidarisierung mit der Hamas aufrufen oder deren Terrorangriffe gutheißen.

Pro-Palästina-Demo genehmigt: CDU warnt vor Risiken

Auch dürften keine israelischen Fahnen verbrannt werden. Sprechchöre und Parolen dürften nur von der Bühne aus angestimmt werden, „nachdem sie abgestimmt wurden“. Andere Sprechchöre seien durch den Veranstalter zu unterbinden.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering warnte vor den Risiken der Genehmigung: „Ich erwarte von Bürgermeister Tschentscher, dass sein Satz, in Hamburg sei ‚kein Millimeter Platz für Antisemitismus und Feindseligkeit gegenüber Israel‘, auch entsprechend heute Abend auf der Demo ohne Wenn und Aber sichergestellt wird.“

Nach Hamas-Angriff: Demo in St. Georg am Dienstagabend untersagt

Eine für den Dienstagabend angemeldete Versammlung mit 300 Teilnehmern am Steintorplatz in St. Georg, die von einer Privatperson angemeldet wurde, untersagte die Versammlungsbehörde. Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich am Vortag am Harburger Ring. Dort randalierte eine Gruppe von rund 80 israelfeindlichen Jugendlichen, vor allem mit Migrationshintergrund. Passanten alarmierten die Polizei.

„Die Einsatzkräfte stellten Sachbeschädigungen durch Graffiti an einem Werbeträger einer Bushaltestelle sowie an der Fassade der Agentur für Arbeit im Harburger Ring fest und leiteten entsprechende Strafverfahren ein. An gleicher Örtlichkeit wurde darüber hinaus eine beschädigte Scheibe festgestellt, die vermutlich durch das Zünden eines pyrotechnischen Gegenstandes gerissen ist“, heißt es von der Polizei.

Polizei Hamburg spricht in 31 Fällen Platzverweis aus

Ein junger Mann, der beteiligt war, sprach in eine Kamera volksverhetzende Parolen. Gegen ihn wird nun ermittelt. Insgesamt stellte die Polizei die Personalien von 35 Jugendlichen fest. In 31 Fällen sprachen die Beamten einen Platzverweis aus.

Auch in anderen Fällen nahm die Polizei Ermittlungen auf. Eine Frau jüdischen Glaubens aus Uhlenhorst wurde nach einem Facebookbeitrag rassistisch übel beleidigt. In der Karolinenstraße wurde ein antisemitisches Graffiti festgestellt. An der Kirchenallee fiel ein Mann mit einem Plakat auf.

Polizei muss Basketballspiel gegen israelische Mannschaft absichern

Mit einem größeren Aufgebot der Polizei wurde in Wilhelmsburg das Basketballspiel des Bundesligisten Hamburg Towers gegen Hapoel Shlomo Tel Aviv abgesichert. Zutritt zur Halle gab es für Zuschauer nur unter großen Sicherheitsvorkehrungen und Auflagen. So durften keine Taschen oder Fahnen mitgenommen werden.

Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft hat eine Aufhebung des generellen Verbots aller pro-palästinensischen Versammlungen in der Hansestadt gefordert. „Das pauschale Verbot aller pro-palästinensischen Versammlungen über einen Zeitraum von mittlerweile zehn Tagen ist ein Skandal und einer Demokratie unwürdig“, sagte der innenpolitische Sprecher, Deniz Celik. Damit werde die gesamte Solidaritätsbewegung mit Palästina über einen Kamm geschert mit Hamas-Sympathisanten und so unter Generalverdacht gestellt.

Grüne Jugend: Versammlungsbehörde muss Einzelfall prüfen

Auch die Grüne Jugend Hamburg wandte sich gegen ein generelles Verbot der Demos. Zwar dürften Antisemitismus und Volksverhetzung keinesfalls geduldet werden, betonten die Landessprecher Berkay Gür und Hanna Belgardt. Zudem müssten Jüdinnen und Juden in der Hansestadt geschützt werden. Dennoch müsse die Versammlungsbehörde in der aktuellen Situation im Einzelfall prüfen und abwägen, ob Demonstrationen stattfinden dürfen oder nicht. Es gelte, eine Spaltung der Stadtgesellschaft zu verhindern.

„In einer Demokratie muss es möglich sein, der zivilen Opfer in Gaza zu gedenken sowie für die Einhaltung der Menschenrechte und für Frieden auf die Straße zu gehen“, sagte der Linken-Politiker Celik. Es sei mit der Meinungsfreiheit unvereinbar, „pauschal das vom Grundgesetz geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit zu entziehen und mit autoritärer Verbotspolitik den zulässigen Meinungskorridor einzuschränken“. Sofern konkrete Anhaltspunkte für Straftaten vorlägen, müsse die Polizei in einer Einzelfallprüfung Auflagen für Versammlungen in Betracht ziehen.

Nach Hamas-Angriff: Hamburg erlaubt erste pro-palästinensische Demo trotz Verbots

Die Grüne Jugend Hamburg stehe nach den Angriffen der radikal-islamischen Hamas solidarisch an der Seite Israels. Die „kollektive Bestrafung der Bevölkerung in Gaza“ für die Terrorangriffe der Hamas sei jedoch falsch, sagte Belgardt. „Die Menschen müssen weiterhin in humanitären Zuständen leben können. Wir sind deshalb auch solidarisch mit der palästinensischen Zivilbevölkerung und ihren Familienangehörigen in Hamburg.“

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Die Bevölkerung in Gaza werde von der Hamas als Schutzschild instrumentalisiert. „Dass diese Menschen ihre Wut, ihre Trauer und Verzweiflung nicht auf die Straßen unserer Stadt bringen können, ist sehr fragwürdig“, sagte sie.

Verbot von Pro-Palästina-Demonstrationen wird erneut verlängert

Die Hamburger Polizei hat unterdessen das Verbot pro-palästinensischer Kundgebungen erneut verlängert. Es gilt nun bis einschließlich kommenden Sonntag (29. Oktober). Eine entsprechende Allgemeinverfügung durch die Versammlungsbehörde werde vorbereitet, teilte die Polizei am Mittwochmorgen mit.

Betroffen sind demnach „alle nicht angemeldeten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen, die inhaltlich einen Bezug zur Unterstützung der Hamas oder deren Angriffe auf das Staatsgebiet Israels aufweisen (sog. pro-palästinensische Versammlungen)“, wie die Polizei mitteilte.

Allerdings waren den Angaben zufolge auch mehrere angemeldete Demos aufgrund einer entsprechenden Gefahrenprognose verboten worden. Regulär eingegangene Anmeldungen von Versammlungen „wurden und werden weiterhin durch die Versammlungsbehörde einer intensiven Einzelfallprüfung nach strengen Kriterien unterzogen und bei entsprechender Gefahrenprognose untersagt“, hieß es am Mittwoch.