Hamburg. Hamburger Ärzte sagen, wer sich jetzt und gegen welche Viren impfen lassen sollte. Schwappt die Grippewelle aus Australien zu uns?
Die Masken sind zurück in Hamburg, aber nun scheint nicht mehr Corona das große Problem zu sein. Mit medizinischen oder FFP-2-Masken ausgestattete Menschen sind in diesen Tagen vermehrt in U-Bahnen und Bussen zu beobachten. Sie schützen sich und die anderen Fahrgäste. Von einer Welle an Infektionskrankheiten könne man nach Auskunft von Experten derzeit nicht sprechen. Dennoch hat die Corona-Pandemie offenbar das Bewusstsein für eine jahreszeitlich gebotene Immunisierung erweitert. Die Nachfrage nach Grippe-Impfungen sei gestiegen, sagte die Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Dr. Jana Husemann, dem Abendblatt.
Dass Corona-Impfungen deutlich weniger häufig erbeten werden, könne damit zusammenhängen, dass es ohnehin eine gute „Grundimmunisierung“ in der Bevölkerung gebe. „Außerdem hat so mancher möglicherweise gerade eine Corona-Infektion durchgemacht. Da kommt eine Auffrischungsimpfung nicht infrage.“ Viele sind dreifach geimpft, die Älteren in der überwältigenden Mehrheit viermal.
Corona in Hamburg? Grippe-Impfung deutlich stärker nachgefragt
Selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte zuletzt dem Abendblatt: Wer viermal geimpft und unter 60 Jahren alt sei sowie keine schwerwiegenden Grunderkrankungen oder Risikofaktoren aufweise, könne auf den nächsten Corona-Piks zunächst verzichten. Bei Älteren ist es so, dass sie sich mit ihren Ärzten absprechen sollten. Eine Booster-Impfung (zumeist dritte Spritze) plus eine Infektion sichern ebenfalls einen guten Schutz.
Hamburg liegt mit seinen Impfquoten nach Zahlen des Robert-Koch-Institutes (RKI) ohnehin fast überall über dem Bundesdurchschnitt – obwohl die Hansestadt als das „jüngste“ Bundesland gilt. Zwei Drittel aller Menschen an Alster und Elbe haben drei Impfungen erhalten (67,1 Prozent). Bei den über 60-Jährigen sind es 92,0 Prozent.
Viren im Abwasser: Corona-Variante EG.5 setzt sich durch
Das RKI zählte unter den Fällen, die mit schweren Atemwegserkrankungen ins Krankenhaus kamen, nur 18 Prozent, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden. Und selbst hier ist nicht klar, ob diese Patienten mit oder wegen Corona hospitalisiert wurden. Glücklicherweise gibt es mittlerweile nur wenige schwer verlaufende Covid-Erkrankungen. Dennoch sollten gerade Ältere mit Risikofaktoren sich gut schützen.
Denn die Zahl der Corona-Infektionen steigt leicht an. Das RKI schreibt: „Ältere Menschen haben weiterhin ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf nach Sars-CoV-2-Infektion und sollten die Impfangebote wahrnehmen.“ Bei den niedergelassenen Ärzten, so das RKI, sei die Zahl der Patientenkontakte wegen Atemwegserkrankungen zuletzt zwar leicht gesunken. Doch das könne auch am Feiertag gelegen haben. Bei der Untersuchung von Einzelproben aus Klärwerken (Abwasser-Surveillance) wurde in 44 Prozent der Fälle die Corona-Variante EG.5 (Eris) herausgefiltert.
Grippe-Impfung: Darum ist sie 2023 so wichtig
Wegen der Warnungen vor heftig verlaufenen Wellen aus Australien ist für viele momentan eine Grippeschutz-Impfung drängender. Sie wird generell für über 60-Jährige empfohlen, für Risiko-Patienten und Menschen, die viele Kontakte zu anderen haben. Auch bei Kindern kann sie unter Umständen angezeigt sein. „Jetzt“ sei der Zeitpunkt für einen effektiven Grippeschutz, raten Hamburger Hausärzte.
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Der Impfstoff braucht etwa 14 Tage, um den Körper weitgehend zu immunisieren. Die Krankenkassen zahlen diese Impfung. Ausreichend Impfstoff sei vorhanden, so Husemann. Impfwillige sollten sich vorher erkundigen, ob einzelne Praxen bestimmte Tage oder ausgewiesene Sprechstunden für Grippe-Impfungen anbieten.
Corona in Hamburg: Kommt die Kombi-Spritze gegen Corona und Grippe?
Für die Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Mitarbeiter bleibt das Impfen eine logistische Herausforderung, auch wenn sie durch die Pandemie Routinen entwickelt haben. Nach wie vor müssen aus einem Biontech-Vial sechs Einzeldosen gezogen werden. Die angekündigten Einzelspritzen des Mainzer Unternehmens sind noch nicht da. Moderna hat sie, doch bei diesem Impfstoff ist die Kostenübernahme durch den Bund nicht geklärt.
Husemann hofft, dass es hier bald Erleichterungen gibt. Bislang muss sie sechs Impfwillige beisammen haben, um ein Fläschchen Biontech zu öffnen. „Schon aus Nachhaltigkeitsgründen wollen wir verhindern, dass wir Impfstoff verwerfen müssen.“ In Zukunft, hofft die Allgemeinmedizinerin, könne man hoffentlich in einer Spritze mit einem Impfstoff gegen Grippe und Corona zusammen piksen.
Dass die Aussichten dafür gut sind, bekräftigt Prof. Julian Schulze zur Wiesch, Leitender Oberarzt der Infektiologie am UKE: „Die großen Impfstoffhersteller arbeiten zurzeit an Kombinationsimpfstoffen gegen Corona und Influenza. Die Entwicklung von Impfstoffen ist ein komplexer Prozess, der einige Zeit in Anspruch nimmt. Vor der Zulassung muss ein Impfstoffkandidat alle Phasen der Arzneimittelentwicklung erfolgreich durchlaufen. Möglicherweise könnte ein Kombinationsimpfstoff erst in der nächsten Saison zur Verfügung stehen.“ Aktuell gebe es wirksame, angepasste Impfstoffe, sodass man sogar bei Bedarf zu einem Termin in den linken Arm die Corona- und in den rechten die Grippe-Spritze bekommen kann.