Hamburg. Zahl der Erkrankungen steigt erneut. Warum Ärzte und Krankenhäuser noch entspannt reagieren – und was Karl Lauterbach empfiehlt.

In Altona fehlt eine halbe Schulklasse, in Alsterdorf erinnert ein neues Hinweisschild an der Praxistür an die AHA-Regeln für Patientinnen und Patienten mit Erkältungssymptomen; stadtweit kramen Ärztinnen und Ärzte langsam wieder die FFP-2-Masken hervor: Corona ist zurück in Hamburg – doch diesmal ist alles anders. Genauer müsste man sagen: Das weltweit verbreitete Virus Sars-CoV-2 war nie weg. Es schlummerte in uns und unter uns.

Tatsächlich behandeln niedergelassene Ärzte ihre Patienten zum Teil wieder mit Maske. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Denn handfeste Zahlen haben sie nicht – und die Gewissheit, ob es nun Corona ist, das die Erkrankten in die Praxis treibt, eine Erkältung oder im schlimmsten Fall die Grippe, das bleibt in vielen Fällen offen.

Corona in Hamburg: Kaum noch PCR-Tests in der Hansestadt

PCR-Tests, die letzte Gewissheit über das Coronavirus geben, werden kaum noch gemacht. Wer Husten, Halskratzen und etwas Fieber hat, soll ohnehin besser zu Hause bleiben. Schnelltests liefern oft positive Ergebnisse auf eine Covid-Erkrankung. Doch die verläuft in den meisten Fällen wegen der hohen Impfquote mild und vergleichsweise schnell.

Für alle, die jetzt überlegen, sich schnell noch einmal gegen Covid impfen zu lassen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Empfehlung: Wer bereits viermal geimpft und unter 60 Jahre alt ist sowie keine Grunderkrankung hat, sollte auf die Impfung verzichten, sagte Lauterbach dem Abendblatt.

Corona in Hamburg: Wann Masken zu empfehlen sind

Hamburgs größter Arbeitgeber Asklepios, als Krankenhausbetreiber gleichzeitig „erfahren“ im Umgang mit schwer erkrankten Covid-Patienten, gibt sich entspannt. Wie ein Sprecher dem Abendblatt sagte, sei Corona derzeit „kein Thema“. Weder bei den Patienten noch bei Ärzten und Pflegekräften gebe es auffällige Zahlen. Da und dort schlügen Tests positiv an. Klinikbetrieb oder Mitarbeiterschaft seien aber nicht beeinträchtigt.

Die Hamburger Hochbahn als wichtigster Fahrgäste-Beförderer der Stadt sieht keinen Anlass, U-Bahnen, Busse oder Fähren aufgrund von Infektionen beim Personal ausfallen zu lassen. Es gebe keine signifikant höheren Krankenstände, sagte ein Sprecher. Die Hochbahn gebe auch keine Empfehlung zum Masketragen ab. Allerdings: Jeder Fahrgast könne entscheiden, ob er sich mit einer Maske sicherer fühlt. Sollte sich die Lage verändern, würde die Hochbahn mit den anderen Verkehrsunternehmen und den Behörden überlegen, ob man Masken vorschlägt oder sogar wieder vorschreibt.

Corona Hamburg: Wer infiziert ist, soll zu Hause bleiben

Die Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Dr. Jana Husemann, rät den Menschen mit Symptomen dringend dazu, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen. Aber eigentlich sollten sie generell zu Hause bleiben und Kontakte meiden, sofern es geht. Sie appelliert an alle Erkrankten, sich komplett auszukurieren, nicht zur Arbeit zu gehen und auf Fahrten im öffentlichen Nahverkehr zu verzichten. Auch wer Sorge habe, sich in Bus oder U-Bahn anzustecken, solle eine Maske tragen.

Nach dem Auslaufen der sogenannten Eindämmungsverordnung in Hamburg müssen sich seit dem 1. Februar dieses Jahres Infizierte nicht mehr zu Hause isolieren. Die Maskenpflicht im Nahverkehr war ebenfalls gefallen.

Hamburger Hausärzte: Mehr Corona-Fälle, aber keine Welle

Husemann sagte, die Zahlen an Atemwegserkrankungen stiegen langsam, aber stetig. Die Zahl positiver Corona-Schnelltests habe zugenommen, ist ihr Eindruck aus ihrer Hausarztpraxis. Für die Jahreszeit sei das normal. „Aber das fühlt sich nicht nach Welle an.“ Es gebe keine Zunahme schwerer Fälle.

In den Wochenberichten des Robert-Koch-Instituts (RKI) liest sich das ähnlich: „Neben den für die Jahreszeit typischen Atemwegsinfektionen bedingt durch Erkältungsviren nimmt die Zahl der Covid-19- Erkrankungen, ausgehend von einem niedrigen Sommerniveau, seit der 27. KW (Kalenderwoche, die Red.) weiter zu.“ Bei Kindern und Erwachsenen bis 59 Jahre, also vor allem Erwerbstätige, seien die Werte gestiegen. Die Zahl der Arztbesuche wegen Atemwegserkrankungen sei jedoch gleich geblieben.

Grippe: Warum man 2023 früher impfen sollte

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass viele Erkrankte oder Menschen mit Symptomen einer Corona-Infektion von vornherein zu Hause bleiben. Offenbar ist die Erfahrung im Umgang mit dem Virus, dem Nutzen von Tests sowie mit den Hygieneregeln nach drei Jahren Pandemie recht groß. Auch das RKI zählt trotz gestiegener Corona-Zahlen weniger Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen in den Krankenhäusern. Die neue Variante EG.5 (Eris) hat laut RKI nicht für schwerere Verläufe bei Covid-19 gesorgt.

Sorgen bereiten allerdings die Influenza-Zahlen aus Australien, die ein Indiz für die Grippewelle im Herbst und Winter in Deutschland sein dürften. Die Ausprägung der Grippewelle auf der südlichen Erdhalbkugel gibt stets als Anhalt für den späteren Verlauf bei uns. Mancher Experte empfiehlt, die Grippe-Impfung ein paar Wochen vorzuziehen und bereits Ende September, Anfang Oktober, zu spritzen. Etwa 14 Tage braucht der Impfstoff, um den Körper weitgehend zu immunisieren. Das RKI gibt eine generelle Grippeschutz-Empfehlung für über 60-Jährige, Risikopatienten sowie Menschen, die viel Kontakt zu anderen haben.