Hamburg. Kennen Sie das Video-Reisezentrum? Hier gibt‘s Ersatzverkehr – auch für Ex-Ministerpräsidenten, deren Träume nicht verwirklicht wurden.
Was vielen Großstädtern bislang verborgen geblieben ist: Die Deutsche Bahn hat ihre eigene Piep-Show. So, wie früher die sehr individuellen, möglicherweise dezent angeschmuddelten Kabinen im Umfeld der Reeperbahn für Menschen eingerichtet wurden, damit diese diskret dialogreiche Filme mit vielen „Oooohs“ und Aaaahs“ von freizügig unbekleideten Hauptdarstellern schauen konnten, so hat der staatseigene Zug-, Schienen- und Ersatzverkehr-Konzern wartehäuschengroße Kabuffs zum Vertreiben von Fahrkarten aufgestellt.
Diese Video-Reisezentren stehen – 106 an der Zahl – an malerischen Gleisanlagen in Bad Säckingen oder in Allensbach am Bodensee. Per stumpfem Druck auf einen Riesen-Knopf (geht auch mit Ellenbogen oder Knie) startet der Videoanruf bei einem freundlichen Service-Mitarbeiter/in der Deutschen Bahn.
Deutsche Bahn: Tickets im Video-Reisezentrum buchen (und Ersatzverkehr)
Diese Fachkraft für Buchungsfragen hat nicht nur Antworten auf Fragen wie „Was kostet die einfache Fahrt von Klein-Wülferode nach Backnang?“, sondern zeigt auf dem Bildschirm, wie man das in Zukunft am Automaten selber buchen kann und führt den gesamten Prozess mit dem Fahrkarten-Bittsteller durch, sodass der nur noch sich um 90 Grad drehen und in den Automaten EC-Karte oder Bargeld einstecken muss. Und schon wird das Ticket im Video-Reisezentrum vor Ort unter akustischer Beteiligung klassischer Piep-Töne ausgedruckt.
In einem Video der Bahn bezeugen Kunden (Testimonials) den berauschenden Mehrwert dieser Einrichtungen. Einfach sei es, sagt einer. Man spreche ja mit einem echten Menschen bei der Bahn, ein anderer. „Wenn man mit einer Maschine redet, die versteht einen vielleicht nicht, weil man Dialekt spricht.“ Neun von zehn Deutschen sprechen Dialekt. Nur einem von dreien ist es bewusst. So ist das mit den automatisierten Ansagen bei Sprachcomputern in Callcentern. Da kommt schon mal die gesäuselte Nachfrage: „Ich habe Sie nicht verstanden. Sagten Sie ,Kontostand‘ oder ,Überweisung‘?“
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Bei Dialekt, Bahn und Missverständnis denkt an sofort an … Edmund Stoiber. Ja, eine Video-Reisezentrum-Kabine steht auch im bayerischen Wolfratshausen, wo der verehrte ehemalige Herr Ministerpräsident mit seiner Frau wohnt. Über den geplanten Transrapid sagte Stoiber einst: „Sie steigen in München in den Hauptbahnhof ein und in zehn Minuten sind Sie praktisch schon im Flughafen, ohne einchecken zu müssen.“ Oder so. Der Transrapid kam nicht. Der Ersatzverkehr mit der S-Bahn lässt sich ganz sicher im Video-Reisezentrum buchen.