Hamburg. „Politics of Love“: Eine neue Ausstellung in Hamburg erklärt Frieden zum „größten Kunstwerk unserer Zeit“. Wir haben uns das angesehen.

Es gibt Begriffe, die sind verbrannt. Zum Beispiel „Frieden“ – etwa, seit die Rechte dafür trommelt, dass die Ukraine sich von Russland doch bitte schön unterwerfen lassen möge, um des lieben Friedens willen. „Wir alle sind gegen Krieg. Aber wofür sind wir? Für den Frieden, sagen wir. Aber was ist Frieden?“, fragen Anna Nowak und Belinda Grace Gardner. Die Kuratorinnen haben sich mit ihrer Neubesichtigung der 1983/84 in Hamburg gezeigten „Biennale des Friedens“ am Kunsthaus Hamburg für eine Bedeutungsverschiebung entschieden: 40 Jahre später geht es nicht mehr um die politische Kraft von Frieden, es geht um Liebe, um „Politics of Love“, so der Titel der aktuellen Ausstellung.

Wobei der Bezug zur Ursprungsausstellung weiterhin da ist. An einer Wand des großen Ausstellungsraumes ist eine Bleistiftzeichnung zu sehen, mit dem Schriftzug „Wanting Peace Preparing for Peace“ von Initiator Robert Filliou, damals Gastprofessor in Hamburg, gefolgt vom Stempel „Ich erkläre den Frieden zum größten Kunstwerk“ von Wolf Vostell, Sabine Mohrs Fadeninstallation „Das Dritte versuchen, das Eine finden“ und einem Video Tilmann Künzels, das das „Simultankonzert an drei Flügeln“ zur Eröffnung der 83er-Ausstellung mit Joseph Beuys, Nam June Paik und Henning Christiansen dokumentiert – Fluxus-Klassiker, nicht ohne Charme, aber im Jahr 2024 ein wenig von der Zeit überholt.

Politics of Love
Amna Elhassans „Jump Higher“ von 2023 ist Teil der Ausstellung „Politics of Love“ im Kunsthaus Hamburg. © Amna Elhassan | Amna Elhassan

Ausstellung im Kunsthaus Hamburg sucht nach Wegen für den Frieden

Das gesamte „Politics of Love“-Projekt kommt auch in den zeitgenössischen Arbeiten nicht immer ganz gegenwartssicher daher. Gerade im Vergleich mit den meist diskursgefestigten sonstigen Ausstellungen am Kunsthaus wirkt die aktuelle Schau überraschend konventionell, mit Malerei, Installationen und Filmen, die ihre inhaltliche Botschaft meist ganz ungebrochen vermitteln.

Zum Beispiel das Zwei-Kanal-Video „Miradores“ von Francis Alÿs, das zwei Ansichten der Straße von Gibraltar einander gegenüberstellt, eine von Süden, eine von Norden, und so die Absurdität von Grenzziehungen verdeutlicht. Oder die beiden Gemälde „Burden of Honour“ von Nicolas Odhiambo Mboya, die so realistisch wie humorvoll das Prinzip der „Black Tax“ in Afrika beschreiben, in dem Gutverdienende nach Prinzipien wie Liebe und Fürsorge für weniger begüterte Gemeinschaftsmitglieder zu sorgen haben. Oder Lulu Macdonalds Installation „(Un)Latch“: ein an Jugendstil-Objekte erinnerndes Stahltor am Eingang zum Ausstellungsraum, das im offenen Zustand zwei einzelne Gesichter zeigt, die sich beim geschlossenen Tor zu einem Kuss zwischen der Künstlerin und ihrer Mutter vereinigen. Alles sofort verständlich, aber ein bisschen komplizierter ist die Welt womöglich doch, oder?

Politics of Love
Lulu MacDonalds Installation „(Un)Latch“ (2021) – ein an Jugendstil-Objekte erinnerndes Stahltor – steht am Eingang zum Ausstellungsraum im Kunsthaus Hamburg. © Hayo Heye | Hayo Heye

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Wie kompliziert, das ahnt man in Johan Grimonprez’ Film „Every Day Words Disappear“, der Szenen aus Jean-Luc Godards Klassiker „Alphaville“ mit einem Monolog des Philosophen Michael Hardt koppelt. Hardt beschreibt eine politische Ordnung, die auf Liebe statt auf Angst basiert, und gleichzeitig sind sprachkritische Passagen aus dem Science-Fiction-Film zu sehen, die die Säuberung der Sprache durch die Regierung anprangern. „Täglich verschwinden Worte“, aber es gibt nun mal Begriffe, die verbrannt sind.

„Politics of Love“ bis 2.2. 2025, Kunsthaus Hamburg (U Steinstraße), Klosterwall 15, Di–So 11.00–18.00, Eintritt 6,-/4,- (erm.); 5.12., 18.00–22.00 Hamburgs neue Stadtkuratorin Joanna Warsza im Gespräch mit Anna Nowak, www.kunsthaushamburg.de

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