Hamburg. Joanna Warsza hat im Kosovo in einem Nato-Stützpunkt ausgestellt und mehrere Biennalen bespielt – was sind ihre Pläne für die Stadt?
Wie tickt Hamburgs just benannte Stadtkuratorin? Am besten wirft man einen Blick auf ihre kürzlich beendete große Ausstellung im Berliner Gropius Bau: „Radical Playgrounds“. Da stemmten zwei Autowracks eine Halfpipe, auf der Besucher nach Belieben skaten, klettern oder rutschen können, bei der Installation „The Dig“ wurde zusammen in der Erde gewühlt und ausgegraben, ein ausrangiertes Karussell bot Raum für Trauma, Liebe oder Freude.
Über allem stand das Motto „From Competition to Collaboration“ (vom Wettkampf zur Zusammenarbeit). Ein Spielplatz, um sich zu treffen, um sich auszutoben und auszuprobieren. Und: um unsere gegenseitige Abhängigkeit auf diesem Planeten neu zu überdenken.
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Für das erste Gespräch schlägt Joanna Warsza den Freiraum im Museum für Kunst und Gewerbe vor. Passt irgendwie thematisch – auch, wenn sie in ihrer fünfjährigen Amtszeit ans Kunsthaus Hamburg angedockt sein wird. Erste Frage: Was macht eigentlich eine Stadtkuratorin?
„In Hamburg gibt es seit zehn Jahren Stadtkuratoren. Die Tradition, in experimenteller Form Kunst im öffentlichen Raum zu denken, ist meiner Meinung nach einzigartig auf der Welt. Es kommt mir entgegen, weil ich mich draußen immer wohler fühle. Ein Museum gibt einen bestimmten Rahmen vor. Und es gibt viele Menschen, die sich nicht dazugehörig und sogar eingeschüchtert davon fühlen. Kunst im öffentlichen Raum dagegen ist, als würde ich einen anderen Menschen zufällig auf der Straße treffen. Und daraus kann dann etwas sehr Schönes und Tiefes entstehen.“
Hamburgs Stadtkuratorin: „Ich glaube an die Kraft von Kunst“
Lange Zeit habe Kunst im öffentlichen Raum auf Unterschiede zwischen Menschen gezielt; heute sei es wichtiger, Gemeinsamkeiten zu thematisieren. Deshalb hat sich Joanna Warsza mit der Theorie der fünf Elemente bei der Kulturbehörde um den Job beworben; „Luft, Wasser, Erde, Feuer und Kosmos sind das, was wir alle teilen und die Basis für unser Überleben ist. Jedes Jahr soll unter einem anderen Element stehen. Wahrscheinlich werde ich mit Kosmos starten.“
Politisch und sozial engagiert, aber auch poetisch und spirituell, so beschreibt die Kuratorin ihre künstlerische DNA, nun auf Englisch. Im Moment fühlten sich viele Menschen in Deutschland stumm. „Kunst ist eine Sprache, die uns ermöglicht, über Unaussprechliches und Unsichtbares zu sprechen, die für unsere Werte steht, über die wir uns miteinander verbinden. Und die uns erlaubt, Gefühle auszudrücken. Ich glaube an die Kraft der Kunst!“
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Auch, wenn es noch zu früh ist, um über konkrete Projekte zu sprechen – einen Kreativ-Spielplatz, der von Künstlerinnen und Künstlern gestaltet wird, kann sich Joanna Warsza auch sehr gut für Hamburg vorstellen. Zunächst einmal will sie aber die Stadt und ihre Menschen besser kennenlernen, die Stimmung einfangen, sich mit anderen Kulturinstitutionen vernetzen.
Wichtige Bezugs- und Inspirationsquelle ist für sie Aby Warburg, der Kunsthistoriker, der sich intensiv mit den Themen Kosmos und Astrologie auseinandersetzte, sowohl lokal als auch global dachte. „Diese Verbindungen möchte ich auch hier und heute aufspüren: die planetarischen Grenzen, das Klima, unser Umgang mit der Erde.“ Natürlich hat sich Joanna Warsza schon die Ausstellung von Georges Adéagbo in der Kunsthalle angesehen, die sich ebenfalls auf Warburg bezieht.
Joanna Warsza will für Hamburg etwas erschaffen, das länger bleibt
Joanna Warsza ist in Warschau geboren und aufgewachsen und studierte Theaterwissenschaften in Paris. Als sie mit Konzeptkunst in Berührung kam, änderte sich alles für sie, „es war wie ein vollkommen anderer Blick auf die Welt“, so die Kuratorin, die seit ihrem Engagement bei der Berlin-Biennale 2011 in der Hauptstadt lebt, mittlerweile mit ihrer Familie. Sie will auch weiterhin dort bleiben und zwischen Hamburg und Berlin pendeln.
Joanna Warsza hat Kunst bei der Autostrada Biennale in einem ehemaligen deutschen Nato-Stützpunkt im Kosovo gezeigt, die Public Art Munich bespielt und schon mehrere Biennalen kuratiert, darunter Venedig, den georgischen und polnischen Pavillon, mit der ersten Sinti-und-Roma-Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas. Sie mag daran das Interdisziplinäre, Experimentelle, „die Kunst in ihrer Gesamtheit“.
Auch ihre Aufgabe an der Elbe betrachtet sie wie eine „kleine Biennale“; für den nächsten Sommer kann sie sich eine große Kunstaktion im öffentlichen Raum vorstellen. Und sie will Residenzen für Stadt-Künstlerinnen und -Künstler anbieten. „Normalerweise sollen Stadtkuratoren temporäre Projekte entwickeln. Ich würde gerne etwas erschaffen, das Hamburg länger erhalten bleibt.“ Am 7. November wird sich Joanna Warsza zum ersten Mal im Kunsthaus dem Publikum vorstellen.