Hamburg. Ihren Überraschungscharme hat Sofi Tukker verloren. Lustig war das Konzert des New Yorker Duos in der Großen Freiheit trotzdem.
Doch, Sofi Tukker ist immer noch eine wahnsinnig lustige Band. Wenn Sophie Hawley-Weld und Tucker Halpern über die Bühne der Großen Freiheit toben, dann ist das überdreht und exzessiv, ihr Mix aus House, Eurodance und brasilianischen Rhythmen weiß immer noch zu überraschen, und wenn einer der beiden Gasttänzer im emotionalen Überschwang gegen einen Controller dotzt und damit die vorproduzierte Tonspur zum Absturz bringt, dann ist das ein hübscher Einbruch des Unperfekten in den perfekten Sound. Lustig, zweifellos.
Aber. Die Songs. Als das New Yorker Duo vor neun Jahren seine Single „Drinkee“ veröffentlichte, war das eine Sensation. „Drinkee“, das war ein ultrakommerzieller Popsong mit Widerhaken: pochender Beat, minimalistische Gitarrenmelodie, einschmeichelnder portugiesischer Gesang, und zwischendurch machte Halpern etwas, das man nur mit sehr viel Fantasie als „Rappen“ bezeichnen konnte. Wer das einmal gehört hatte, bekam es nicht mehr aus dem Ohr, und man tritt Sofi Tukker nicht zu nahe, wenn man feststellt, dass das bei der dritten, vergangenen August veröffentlichten Platte „Bread“ nicht mehr so ist.
Sofi Tukker: Höherer Blödsinn, aber leider nicht mehr so originell
Dabei variiert Sofi Tukker ihr Erfolgsrezept auf „Bread“ gar nicht mal uncharmant, nur: Wenn sie früher einen Bossa-Nova-Rhythmus einsetzte, dann, weil der an der jeweiligen Stelle zwingend war. Heute macht sie es, weil sie beweisen will, dass sie auch Bossa Nova kann. Und wenn sie früher stumpfe Beats ins Publikum prügelte, dann, weil Stumpfsinn manchmal extrem lustbetont ist. Heute wirkt ein Song wie „Spiral“ vor allem deswegen stumpf, weil dem Duo nichts Originelles mehr eingefallen ist.
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Und trotzdem. Man hat den Eindruck, dass den Musikern der Auftritt ebenso Spaß macht wie dem zunehmend eskalierenden Publikum. Halpern sprechsingt durch den Stimmverzerrer, Hawley-Weld spielt eine lächerliche Flying-V-Gitarre, die bei einer Metal-Band stimmig wäre, hier aber total over the top ist, und einmal, mit dem mitreißenden „Woof“, gelingt der Band auch noch im Jahr 2024 der höhere Blödsinn, den sie früher einfach aus dem Ärmel schüttelte. Doch, ein tolles Konzert. Aber wie toll Sofi-Tukker-Konzerte noch vor ein paar Jahren waren, daran erinnert man sich eben vor allem, wenn sie ihre alten Brecher wie „Batshit“ oder „Purple Hat“ spielen.
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