Hamburg. Die französische Sopranistin gab einen klug zusammengestellten Liederabend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Dramatisch wird es selten.
„Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan“ – Goethe brachte es am Schluss von seinem „Faust“ auf den Punkt. Ohne Frauen können die Herren der Schöpfung nicht sein. Eine Hymne an die Weiblichkeit ist Goethes legendärer Satz trotzdem nicht, geht es doch darum, dass die Frauen in irgendeiner Form und Funktion für die Männer da sein sollen. Lieder auf Texte von Goethe gab es beim Elbphilharmonie-Recital der französischen Sopranistin Sabine Devieilhe und ihrem Klavierpartner Mathieu Pordoy zwar nicht. Aber was Frauen für Männer bedeuten können, wurde bei dem klug durchgestalteten Abend in den 24 Liedern wunderbar deutlich.
Feministinnen werden im zweiten Teil endlich mal ein bisschen aufgeatmet haben. Da hat sich die Komponistin Germaine Tailleferre einen anonymen Text vorgenommen („Mon mari m‘a diffamée“) und mit viel peppiger Energie vertont. Eine Frau rechtfertigt ihren Seitensprung vor sich selbst, weil ihr Ehemann nichts wert sei und sie schlage.
Sabine Devieilhe sang in Hamburg darüber, was Frauen Männern bedeuten können
Solche einmal etwas aufbegehrenden Lieder waren rar an diesem Abend. Acht Lieder von vier Frauen stehen 16 Liedern von sieben Männern gegenüber. Die meisten haben einen elegisch-nachdenklichen Ton, selten wird es dramatisch. Liszt hat Heinrich Heines „Loreley“ vertont, die magische Nixe, die Männer in die Tiefen des Rheins zieht. Richard Strauss findet etwas klischeehafte Frauencharaktere in seinen Liedern „Kornblumen“, „Mohnblumen“ und „Efeu“, andere betonen die Mutterrolle mit Wiegenliedern. Eindrücklich hier die humoristische „Miau“-Gesangseinlage von Pianist Mathieu Pordoy in dem anonymen Lied „Die traurige kleine Katze“. Sonst zauberte Pordoy aber aus den Tasten einen delikaten, markanten und die Sängerin wie auf Händen tragenden Anschlag.
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Dramaturgisch war die oft nahtlose Abfolge der Lieder gut gewählt. Nur hätte man sich doch mehr Abwechslung, mehr aufmüpfige Lieder à la Tailleferre gewünscht. Devieilhe sang mit hellem, klarem Sopran, in den sich gelegentlich eine Schärfe mischte. Bei den deutschen Liedern fühlte sie sich die Französin scheinbar nicht ganz so wohl wie bei den französischen. Atemberaubend das koloraturartig-virtuose Gezwitscher in „Sei still, plappernde Schwalbe“ von Darius Milhaud. Charmant die drei Zugaben, von denen „Le poulailler“ in einen gackernden Hühnerstall entführte.
Nächstes Devieilhe-Konzert: 13.12. 20 Uhr, Brahms „Ein deutsches Requiem. Pgymalion, Raphaël Pichon u. a. Elbphilharmonie, Gr. Saal. Evtl. Restkarten. Aktuelle Einspielung: Sabine Devieilhe / Mathieu Pordoy: Lieder von Mozart und Strauss (Erato, CD ca. 18 Euro)
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