Hamburg. Frowins Programm „Das wird ein Vorspiel haben“ feiert auf Hamburgs Theaterschiff Uraufführung. Was den Künstlerischen Leiter alles nervt.

Versierte Bühnenkünstler haben ein Mitteilungsbedürfnis, ein Sendungsbewusstsein. Doch dass einer die Treppe herunter stolpert und quasi ins Unterdeck gespült wird, kommt auf Hamburgs Theaterschiff nicht jeden Abend vor. Als Kabarettist müsse er „dringend mal mit jemand sprechen“, sagt Michael Frowin, als er das Brettl geentert hat.

Selbstironie gehört auch zum guten Ton und zum Satire-Geschäft. Von der Fülle neuer Nachrichten seit Anfang November ist Frowin nahezu überwältigt, allen voran von jener (Ironie!) aus dem Mode-Haus Chanel: Dieses hat „Soft-Beige“ zur Trendfarbe der Saison erklärt. Lacher. Und, okay, Trump ist zurück und die Ampel kaputt. „Früher wurden amerikanische Präsidenten erst gewählt und danach angeklagt“, stellt Frowin treffend fest.

Theaterschiff Hamburg: Christian Lindner und der „Spaß-Klops“: Kabarett-Premiere nach Ampel-Aus

Fakten und Fakes, sind sie noch auseinanderzuhalten? Zum Beispiel die Schlagzeile über den Gesundheitsminister: „Nach Lauterbachs Krankenhausreform – 1000 Proktologen am Arsch!“ Ein bisschen derb muss es sein. Wichtig wie die Aktualität in Frowins neuem Programm mit dem Titel „Das wird ein Vorspiel haben“.

Der Künstlerische Leiter des „Schiffs“ im Nikolaifleet changiert, wie schon in seinen vorigen Soloprogrammen, bei seinem „Kabarett mit Konsequenzen“ zwischen den großen Themen im Kleinen und Absurdem im Alltag. Dazu bietet Frowin ein Typenkabarett, bei dem er in die Rollen seiner Freunde Malte („60 Prozent Wasser, der Rest ist Schiss“) und Gunnar („Er redet von sich nur in der dritten Person“) sowie des meistens betrunkenen Stammtisch-Philosophen Kurt Klawuttke schlüpft. Überaus passabel singen kann Frowin ja auch – auf dem Brettl je nach Sympathie als „übergewichtiger Spaß-Klops“ oder als „großer Brad Pitt“.

Kabarettist Frowin rappt: „Ich bin überzeugt, der Mensch ist gut, und trotzdem bleibt die Wut“

Das begeisterte Premierenpublikum wird Ohren- und Augenzeuge von dem, was Frowin alles an medialen Orgasmen erlebt und was ihm an „Datenmüll aus Algorithmen“ durch den Kopf schwirrt. Und das ist dank des findigen Kabarett-Regisseurs Hans Holzbecher, der im Oktober bereits Anna Schäfers neues Soloprogramm „Schlafende Hunde“ inszeniert hatte, über weite Strecken des zweistündigen Abends ein wohlgeordnetes Chaos. In Frowins zwei Gehirnen ballen sich Angebote wie Kleie-Brocken als „Alternatives Adventsgebäck“ und Darm-Literatur mit realen Titeln wie „Freie Fahrt“.

Dass in unserer Gesellschaft alles Mögliche und Unmögliche bewertet wird, „Darmspiegelungen in Lübeck besser als Urlaub in Thüringen“, nervt Frowin, er überspitzt es. Als betrunkener Klawuttke nimmt er dann FDP-Zampano Lindner aufs Korn: „Wenn Christian Lindner sagt, er werde der nächsten Bundesregierung als Finanzminister angehören, dann werde ich der neue CEO von Jägermeister!“

Michael Frowin: „Zwischen Nachspiel und Vorspiel liegt das Jetzt“

Im zweiten Teil häufen sich zwar die Pointen über Lindner, die letzte aber vereint eine positive Botschaft mitsamt einer Prognose: „Zwischen Nachspiel und Vorspiel liegt das Jetzt, der glücklichste Moment“, meint Frowin. „Es ist wie mit Lindner – er kommt nie zurück.“

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Frowins „Sesamstraßen“-Medley als sechstes und letztes Lied mit Krümelmonster-Puppe ist zwar fein synchronisiert, wirkt jedoch bei allem künstlerischen Anspruch zu infantil. Etwas schade, es soll das optimistische Ende sein eines sehr anregenden Satire-Abends.

„Das wird ein Vorspiel haben“ wieder Fr 22./Sa 23.11. und 4., 14. u. 15.12., 7. u. 29.1., 22./23.2., 21./22.3. 2025; jew. 19.30, Theaterschiff Hamburg (U Rödingsmarkt), Holzbrücke 2/Nikolaifleet, Karten zu 29,- bis 34,- unter T. 040/69 65 05 60; www.theaterschiff.de

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