Hamburg. Mächtiger Sound, prächtige Lichtshow: Die britischen Progressive-Aufsteiger Sleep Token beeindruckten 8000 Fans in der Barclays Arena.
Nanu? Bei Boygroup-Konzerten und ähnlichen Veranstaltungen ist es nicht unüblich, dass junge Fans stundenlang vor dem Einlass in den Innenraum der Barclays Arena warten, umhüllt und gewärmt von knisternden Aluminium-Rettungsdecken. Dass aber auch beim Konzert der britischen Metal-Aufsteiger Sleep Token am Donnerstag viele „Ofenkartoffeln“ in der Kälte vor der Halle ausharren, überrascht dann doch.
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Aber tatsächlich ist das 2016 gegründete anonyme Quartett aus London, mit dem dritten Album „Take Me Back To Eden“ 2023 in den deutschen Top Ten, offensichtlich eine Konsensband. Unter den 8000 in der Barclays Arena finden sich sowohl altgediente Wacken-Veteranen als auch viele, viele junge Nachrückerinnen, die am Nachmittag noch ein „So gehst du mir bei der Kälte nicht aus dem Haus“ von den Eltern ignoriert haben dürften. Ein Mann zieht sein neues Sleep-Token-Shirt über ein Muse-Shirt, ein anderer trägt Aufnäher der ebenfalls maskierten Hardrock-Konkurrenz Ghost auf der Jacke. Damit ist die musikalische Interessen-Schnittmenge im Saal gut beschrieben.
Sleep Token: Sänger Vessel präsentiert einen beachtlichen Stimmumfang
Und alle vereinen sich nach der grässlichen Vorband Bilmuri um die in die Stehplätze ragende Rampe, auf die Sleep-Token-Sänger Vessel schreitet. „The Night Does Not Belong To God“, verspricht er pathetisch im Chor mit einem dreiköpfigen Background-Gesangsensemble, und dann stoßen auch seine Mitstreiter II (Schlagzeug), III (Bass) und IV (Gitarre) für „The Offering“ dazu.
Obwohl Sleep Token unter dem Label Progressive und Alternative Metal eingeordnet wird, gibt es von „Dark Signs“ über „Alkaline“ bis „Missing Limbs“ eigentlich musikalisch wenig Abwechslung in den 90 Minuten. Vessel marschiert solo auf Keyboard-Teppichen die Bühne und seinen beachtlichen Stimmumfang ab, und damit einem nicht die Füße einschlafen, wecken einen IV und III zwischendurch mit in die untersten Kellergeschosse steigenden Brachialakkorden wieder auf. Das klingt schon sehr gut und mächtig wie „Granite“, auch weil wie heutzutage üblich viel Beiwerk aus der Konserve zugespielt wird.
Sleep Token in der Barclays Area: 16 perfekt durchgeplante Songs
Richtig wild wird es aber selten auf der Bühne und auf der Setliste. Das hält aber die Meute nicht davon ab, sich aus der Trance zu schütteln, in Circle Pits Rocksport zu betreiben, zum Bühnenrand zu surfen und wogende Weizenfelder aus Armen zu bilden. Und die vielen Dauer-Mitfilmer kann man auch kaum verurteilen, denn die Lichtshow gehört mit zum Besten, was in 22 Jahren in der Barclays Arena gezeigt wurde.
Laser bilden Käfige um die Musiker, Podeste fahren hoch und runter, und die Lichtstimmungen wechseln von erhaben bis einschüchternd. Das ist wirklich toll anzusehen, aber durch die sekundengenaue perfekte Vorplanung der 16 Lieder wird so aus dem Abend auch eher ein Musikfilm als ein Livekonzert. Da fehlt nach dem letzten Song „Euclid“ nur noch der Abspann.
Sleep Token Setliste in Hamburg:
The Night Does Not Belong To God
The Offering
Dark Signs
Higher
Atlantic
Hypnosis
Like That
Alkaline
Missing Limbs
Chokehold
The Summoning
Granite
Rain
Ascensionism
Take Me Back To Eden
Euclid
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