Hamburg. Schauspielerin glänzt bei der Uraufführung ihres Soloprogramms „Schlafende Hunde“. Satire-Autor Dietmar Jacobs („Stromberg“) schrieb es.

Die freundliche Bitte, das Smartphone erst nach gut zwei Stunden wieder einzuschalten, ertönt auf Hamburgs Theaterschiff vor jeder Vorstellung. Aber eine Triggerwarnung, noch dazu vor einer Uraufführung? Die kommt von Anna Schäfer. Sie warnt praktisch vor allem, was folgen wird. „Dieses Programm ist für Vegetarier ungeeignet“, das gehört noch zu den harmloseren Hinweisen, jedoch steckt es trotz eines „Wurst-Käs-Szenarios“ nicht voller Kalauer.

„Schlafende Hunde“ lautet der Titel. Und das Schlafsofa, das hinter der Schauspielerin steht, wird noch seinen Dienst tun. Da 80 Prozent aller Deutschen zumindest zeitweise Probleme mit dem Schlafen hätten, dreht es sich hier primär um die Gedanken, die der Hauptfigur in der Nacht durch den Kopf gehen.

Ex-„Knallerfrau“ Anna Schäfer: Hansi Flick ist nur ein „Pornoname“

Diese heißt Marie, ist wie Anna Schäfer Schauspielerin und als Mutter zweier heranwachsender Kinder ebenfalls Leid und Kummer gewohnt. Schäfer tobt und tollt fortan über das Brettl und drumherum, verhandelt dabei die kleinen und großen Themen unserer Zeit. Sie erinnert sich an das Kennenlernen ihres Mannes auf dem Hamburger Kiez mit darauf folgenden „vier Tagen Geländespielen“ im Bett und Zwillingen als Ergebnis. Oder an Aushilfsjobs, als sie, mit bewusst automatisierter Stimme, noch Navi-Systeme einsprach und beim privaten Sex immer sagte: „Sie haben ihr Ziel erreicht“ .... Jeder Erwachsene habe einen Pornonamen, ob sie nun „Schlicki Langer“ oder er „Hansi Flick“ heiße, meint Marie.

„Schlafende Hunde“: Im Grunde ein Theaterstück mit Stand-up-Comedy

Sie lästert über kleine „Besserwisser-Männer“, klagt über unzureichend entlohnte Care-Arbeit von Frauen, macht sich aber auch über untalentierte Kolleginnen und die Infantilisierung unserer Gesellschaft lustig, in der sich grauhaarige Männer mit „Hallo Jungs!“ necken und ältere Frauen mit „Hallo Mädels“ – als würden sich „Vierjährige auf einer Hüpfburg begrüßen“.

Ihr mehr als zweistündiger Monolog ist eine rasante Reise durch die Gegnwart mit treffenden Spitzen auf Zeitgeist-Erscheinungen. Im Grunde ein Theaterstück mit Stand-up-Comedy sowie etwas Musik bis hin zur Abrechnung mit der Krimi-Schwemme. „An vielen Abenden sind deutsche Fernsehredakteure für mehr Morde verantwortlich als die Mafia in 20 Jahren“, ätzt Marie alias Anna Schäfer.

Fernseh- und Theaterautor Dietmar Jacobs („Stromberg“, „Heute-Show“) schrieb das Stück

Die Hamburger Schauspielerin, die vor gut einem Jahrzehnt als Partnerin der Berlinerin Martina Hill in der populären Sat.1-Reihe „Knallerfrauen“ den Sprung zur TV-Comedy geschafft hatte, füllt in ihrem neuen Soloprogramm auch sämtliche Nebenrollen und Typen überzeugend aus. Ihre Spielfreude beeindruckt. Die Frau kann‘s.

Dass ein vielfach ausgezeichneter satirischer Fernseh- und Theaterautor („Stromberg“, „Extra 3“, „Heute-Show“, „Extrawurst“) wie Dietmar Jacobs „Schlafende Hunde“ für Anna Schäfer und das kleine Theaterschiff geschrieben hat, erfüllt die Macher im Nikolaifleet mit spürbarem Stolz. Fürs Publikum ist es eine Freude.

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Einziges Manko: Im zweiten Teil überfrachten Jacobs und Satire-Regisseur Hans Holzbecher den Abend beim Storytelling von „Liebe und Hass“ mit der einen oder anderen Geschichte. Und bei allem verständlichen Ärger und Zorn: Seitenhiebe auf die Zusammensetzung des Thüringer Landtags passen besser in aktuelle politische Kabarettprogramme.

„Schlafende Hunde – Ein hochkomischer Nachtflug“ wieder 12./13.10. und 2.11./3.11., Sa 19.30, So 18.00, bis 8.3. 2025, Theaterschiff (U Rödingsmarkt), Holzbrücke 2/Nikolaifleet, Karten zu 24,- bis 34,- unter T. 040/69 65 05 60; www.theaterschiff.de

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