Hamburg. „Die Bremer Stadtmusikanten“ in einer Inszenierung mit viel Wortwitz und Musik. Wie das junge Publikum das Weihnachtsmärchen beurteilt.
„Das findet ihr jetzt nicht lustig“, sagt der Grauhaarige, der mittlerweile schon bei leichter Morgengymnastik („herabschauender Esel“) Rücken hat, in Richtung Ehepaar Müller, das sich jetzt halt mal selbst an den schweren Mehlsäcken abschleppen muss. Das junge Publikum findet es dagegen nicht nur lustig, sondern sogar zum Schreien komisch, wie Manni Müller („Ich bin weich, und meine Frau ist Herta“) und Gattin nach einem ehe-internen Wettlauf unter der Last der Arbeit zusammenbrechen. Ist eben eine Mühle, der Alltag.
Das Rennen zwischen Müller und Müllerin wird wundervoll in Zeitlupe gespielt, doch der Auftakt zu „Die Bremer Stadtmusikanten“, dem diesjährigen Weihnachtsmärchen im Ernst Deutsch Theater, ist damit dennoch rasant, weil vom ersten Satz an lustvoll eine kluge Pointe auf die nächste folgt.
Weihnachtsmärchen Hamburg: „Bremer Stadtmusikanten“ gelungen interpretiert
Die Ausgangslage ist in dieser gelungenen Inszenierung von Weihnachtsmärchen-Fachmann Hartmut Uhlemann (Textfassung, Regie, Choreografie) wie bei den Gebrüdern Grimm: Der Esel (Publikumsliebling: Lennart Matthiesen) ist alt und soll dem Schlachter zugeführt werden, und auch die Katze (Lisa Ahorn) ist des Jagens müde. Im Klartext: Aus die Maus, beide sollen raus. Ciao Miau.
Das tierische Duo nimmt diesen späten „Karriereknick“ erst einmal an („Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“) und macht sich auf den zweiten Bildungsweg, auch wenn der leider nach Bremen führt. Die Katze möchte am liebsten nach London („wegen Cat Stevens“), mindestens aber nach Hamburg. Doch der Esel, von wegen dumm, überzeugt sie, dass Bremen näherliegend sei und sie auch nur die Weser zu überwinden hätten.
Weihnachtsmärchen Hamburg: Die Tiere haben einander zum Fressen gern
Unterwegs treffen sie auf Brutus Waldemar (Mario Schnitzler), der jeden Riecher verloren hat, was auch dessen Herrchen nicht entgangen ist, sowie auf einen Gockel (Davina Chanel Fox), der als Grillhähnchen enden sollte. Nachdem die Tiere geklärt haben, dass sie einander nicht verspeisen werden („Tofu forever“), haben sie sich zum Fressen gern und gründen eine Band.
Es ist ein großer Spaß, der sich in diesen anderthalb Stunden (mit 20 Minuten Pause) vom ausnahmslos brillant agierenden Ensemble auf die Zuschauerschaft überträgt. Die Kostüme (Bernhard Westermann) sind fantasievoll, die Bühne (Stephanie Kniesbeck) originell, die Dramaturgie (Stefan Kroner) stimmt. Und die Musik (Komposition: Michael Reffi) sorgt für noch mehr märchenhaften Schwung, insbesondere in der zweiten Hälfte.
Weihnachtsmärchen Hamburg: So lustig haben Sie Räuber noch nie erlebt
Denn die Musikanten treffen auf zwei „Räubers“, ein illustres Geschwisterpaar. Yasemin Cec und Benjamin Jansen waren vor der Pause bereits als „Ehepaar Müller aus Paderborn“ wunderbar, übertreffen sich jetzt aber noch mal in den Rollen der Diebe, die schon seit Monaten eine berufliche Flaute erleben und „nichts mehr geklaut, gemopst, gestohlen“ haben. Eine Schande, zumal sie Räuber in 15. Generation sein sollen, direkte Nachfahren von Störtebeker, Ronja Räubertochter, Robin („der Coolste aus der Hood“) und Verwandtschaft von Christian Lindner sind. Ja, es gibt zwischendurch herrlich böse Spitzen, an denen sich die begleitenden Erziehungsberechtigten freuen.
Das Finale, der Räuber-Rap, zu dem Tiere und Menschen zusammenfinden, ist ein absoluter Ohrwurm, den auch Sie noch in Bus und Bahn summen werden: „Wenn es Nacht ist in deinem Zimmer, finde eine Gang und gründe eine Band.“ Denn wer wahre Freunde hat, überlebt auch die dunklen Zeiten. Eine Botschaft an alle zwischen 4 und 100 Jahren.
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Ein Hoch auf die Gemeinschaft, allen Unterschieden zum Trotz. Oder wie die kritischsten Zuschauer der Welt beim Hinausgehen befanden: „Das war eine 11 von 10.“
„Die Bremer Stadtmusikanten“, Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, 15.11.24 bis 23.12.24, für Kinder ab 4 Jahren, Karten für 12 bis 20 Euro unter T. 22 70 14 20 oder www.ernst-deutsch-theater.de