Hamburg. Mit sicherem Gespür für Pointen stellte der Schauspieler und Bestsellerautor seinen neuen Roman vor: „Man kann auch in die Höhe fallen“.
Das Publikum weiß, wofür es gekommen ist. Natürlich liefert Joachim Meyerhoff auch bei der Lesung seines sechsten, autobiografisch inspirierten Romans mit dem Titel „Man kann auch in die Höhe fallen“ (Kiepenheuer & Witsch) im Schauspielhaus eine perfekte Show ab. Und das, obwohl er ja von vielen kleinen und größeren menschlichen Unzulänglichkeiten handelt.
Der Schauspieler und Bestsellerautor betritt die Bühne des ausverkauften Schauspielhauses, als käme er gerade von einer Probe. Lässig in dunklem Shirt, Hose und Sneakers eilt er an seinen Platz, spricht ein paar launige einführende Worte. Dann liest er los, beginnend am Romananfang und schon mitten in einer handfesten Krise des Erzählers.
Der Umzug von Wien nach Berlin, die ungebremst betriebene Verausgabung am Theater, das Überstehen eines Schlaganfalls (von dem sein letzter Roman handelte). Bis er – auch zum Nachteil von Familie und Umfeld – griesgrämig auf dem Sofa dahinvegetiert: „… und oft wusste ich nicht mehr, wo ich aufhörte und die Couch begann. Wie ein geschmolzener Käse war ich in jede Ritze des Sofas hineingeflossen und hatte das Sitzmöbel mit mir selbst überbacken.“ Die Lacher bei derart radikal ehrlichen Selbstbespiegelungen sind ihm sicher.
Schauspielhaus Hamburg: Bestsellerautor und Schauspieler Joachim Meyerhoff liest aus neuem Roman
Ausweg: Flucht zur Mutter aufs Land nach Schleswig-Holstein. Der Plan: jeden Tag Schreiben, Gartenarbeit, Sport, Handy-Entzug, Lesen, Whiskey. Doch schon die Ankunft hat ihre Tücken. An manchen Stellen muss Meyerhoff über seine Formulierungen und auch sich selbst lachen, wenn er etwa die rasante Autofahrt im Wagen der 86 Jahre alten Mutter schildert, die frisch gestärkt durch den Genuss eines im Auto vor sich hin dünstenden Döners und bester Dinge ist.
Anders der Besucher, der bald schluchzend über dem Handschuhfach, bald sich erbrechend aus dem Fenster hängt. Meyerhoff findet dafür wie gewohnt saftige Bilder, die er mit leicht spöttelndem Unterton und sicherem Gespür für Pointen vorträgt.
Auftritt im Schauspielhaus: Meyerhoffs neuer Roman ist Liebeserklärung an seine Mutter und Theater
Letztlich ist dieses Buch Teil einer Selbstrettung. Es ist aber auch eine wunderbare Liebeserklärung an seine Mutter, die (eine der schönsten Szenen im Buch!) im Notfall als Vortragende für ihren nervenflatternden Sohn einspringt und auch dann noch furchtlos in der Ostsee ihre Bahnen zieht, wenn sich wegen der Feuerquallen niemand sonst mehr hineinwagt.
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Und es ist Ausdruck seiner Liebe zum Theater. Denn der Erzähler schreibt in der selbst verordneten Kur „Scham und Bühne“, aus der Meyerhoff dann auch zwei sehr amüsante Kostproben gibt. Im Zentrum: Opernpremieren sprengende Dalmatiner und ein Kollege mit fatalen Textproblemen.
Wer weiß, welches Thema ihn aktuell bewegt, und natürlich wünscht man niemandem eine Krise. Aber freuen kann man sich eigentlich schon jetzt auf das nächste Buch und die nächste Lesung.
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