Hamburg. Eine Emmy-Auszeichnung, internationales Publikum – das „Sisi“-Remake gilt als Hit. Dabei ist es vor allem sagenhaft humorlos.
Gott, hängt einem der bleierne November in den Klamotten. Schön, dass es bald eine neue Staffel von „Die Discounter“ gibt, nicht wahr? Da kann man gegen die Sonnenlosigkeit wenigstens solide anlachen. Bevor es so weit ist, muss man erst mal aber noch durch die als deutsche Premiumserie gelabelte „Sisi“-Schmonzette „Die Kaiserin“. Staffel zwei, sechs neue Folgen, was für ein brockenschweres kaiserliches Getue wieder, was für ein steifes Kostümfest ohne jeden Humor – es ist diesmal wirklich kaum auszuhalten.
Wie kann man den Stoff um die Kaiserin der Herzen, die gegen das fürchterlich lieblose Zeremoniell am Hof rebelliert und ihn damit zu einem, sagen wir, um ein Grad wärmeren Ort macht, nur so völlig ohne Esprit und Witz verfilmen? Ein zweites Kind, nach „Finchen“, kommt auf die Welt. Leider noch mal ein Mädel. Die manische, thronfolgerverrückte Kaiserinmutter (Melika Fourotan, „Napoleon hat einen Sohn bekommen, wir müssen der Welt zeigen, dass Habsburg eine Zukunft hat! Unser Volk darf nicht den Glauben verlieren.“) dreht nun völlig am Rad. Ja, es war eine lächerlich frauenfeindliche Zeit, in der nur Männer zählten.
„Die Kaiserin“ auf Netflix: Die Habsburger Torte droht in sich zusammenzufallen
Dass man nicht nur an den patriarchalen Regeln ersticken musste, mal ganz, mal nur so halb, erzählt die Serie mit Devrim Lingnau als Elisabeth und Philip Froissant als Kaiser Franz Joseph I. in den Hauptrollen nun erneut. Mehr vom Gleichen also, aber jetzt mit noch mehr Sahne: Franz (Status immer noch: der fade Franz mit den kaiserlichen Koteletten) versucht, das Reich zusammenzuhalten, aber die Habsburger Torte droht in sich zusammenzufallen. Die Lombarden wollen in ein einiges Italien, also schickt Franz den eigentlich verstoßenen Möchtegernkaiser-Bruder Maximilian an die diplomatische Front.
Die Instinktregentin Elisabeth hadert weiter mit überhaupt allem (ja, dann geh doch zurück nach Bayern!), vor allem mit ihrem Gemahl, als der, Stammbaum-versaut, äußerst kühl auf sein zweites Töchterchen reagiert. Dann muss der Ungar, der ewig aufsässige, mal wieder besänftigt werden – eine Familienreise in die Großprovinz steht an. Dort spielt sich dann Elisabeths erste Lebenskatastrophe ab.
„Die Kaiserin“ auf Netflix: „Das Reich braucht deine Führung, also reiß dich zusammen“
Die Serie fährt beeindruckend viele Kostüme und Kulissen auf und langweilt doch mit der früh etablierten Atmosphäre. Ja, Eltern und Kinder siezten sich. Ja, es war ein grausam strenges, autoritäres Getue. Auf solchem Boden konnten Nazis später bestens gedeihen. Die Kirche hatte eine unheimliche Macht, die im Hintergrund die Fäden ziehende Mutter des Kaisers, die den trauernden Sohn einmal unmissverständlich zur Räson ruft, ist eine gruselige Person: „Das Reich braucht deine Führung, also reiß dich zusammen.“
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Man kann sich eine solche Geschichtserzählung – das ist der „Sisi“-Stoff bekanntlich – auch ganz anders vorstellen. Käme sie aus englischer oder auch amerikanischer Produktion, wäre sie sicher viel smarter und mit Blick auf komische Entladungen des royalen Druckkessels gebaut. Ach, wäre das schön, so ein gelegentlicher Comic Relief. Gibt‘s hier null, nur bitterernste deutsche Schwerfälligkeit. Diese Romantisierung des Leidens oder was auch immer, ach nö. Sprechen wir es frei heraus: Sisi-Seligkeit hin oder her, dieses uninspirierte Historiendrama ist völlig überschätzt, ein Monument des seriellen Scheiterns. Sisi-Gucken, das ist wie sich im Freien mit kaltem Wasser übergießen und dann klamm in der Gegend rumstehen. Dann doch lieber mal wieder ein Buch lesen.
Die zweite Staffel der Serie „Die Kaiserin“ ist ab dem 22. November auf Netflix abrufbar.
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