Hamburg. Im Stück für ein Publikum ab 13 Jahren geht es um den Einfluss Sozialer Medien, Selbstermächtigung und Kim Kardashian. Lohnt sich das?
- Die Vorstellung „Im Spiegelsaal“ ist für Theaterpublikum ab 13 Jahren
- Das Stück ist eine Text-Collage auf Basis einer Graphic Novel
- Schöne Menschen werden in der Gesellschaft besser behandelt, sie erhalten sogar die besseren Jobs
Aus dem Lautsprecher dröhnt „Hot To Go!“ von Pop-Sängerin Chappell Roan. Neun junge, glamourös aufgemachte Menschen tanzen auf der Bühne des Jungen Schauspielhauses. Kostümiert sind sie als „Blume“, als „Skelett“, als „Dekoration“ oder als „Queen“. Sie sprechen über Schönheit und die gilt immer noch als notwendig für Erfolg.
Schöne Menschen werden in der Gesellschaft besser behandelt, sie erhalten die besseren Jobs, ihnen werden positive Eigenschaften angedichtet und sie erhalten sogar mildere Strafen vor Gericht. „Pretty privilege halt“, sagt eine Performerin. Äußerlichkeiten scheinen wichtiger denn je in der Welt dominierender sozialer Medien. Gerade für junge Menschen kann das mitunter verwirrend sein. Die Herausforderung, im „Imperium der Bilder“ zu bestehen, ist groß.
Wie tröstlich ist da die neue Produktion des SchauSpielRaums. Unter der Regie von Meera Theunert ist als eine der bislang ambitioniertesten Aufführungen des Erfolgsformats „Im Spiegelsaal“ für junge Menschen ab 13 Jahren entstanden. Und wie das neunköpfige Ensemble aus jungen Performerinnen und -performern die Textfülle des Abends inklusive komplexer Zitate anerkannter Denkerinnen und Denker von Susan Sontag bis René Girard bewältigt, ist äußerst überzeugend – und obendrein auch sehr vergnüglich.
Junges Schauspielhaus: Schöne Menschen werden besser behandelt
Meera Theunert, hat gemeinsam mit Sofie Bolten eine so erfrischende wie kluge Text-Collage auf Basis der gleichnamigen Graphic Novel von Liv Strömquist verfasst. Und dafür szenisch starke Bilder gefunden. Strömquist, bekannt für ihre feministisch geprägten Sachcomics, zerlegt darin nicht nur vermeintliche Schönheitsideale, sondern auch die Mechanismen des Patriarchats.
In Spielszenen leitet die Gruppe Schönheitsideale her, angefangen vom alten Testament über Kaiserin Sissi bis zur „Medienpersönlichkeit“ Kim Kardashian. Auch die Geschichte des Schlankheitswahns wird erzählt, inklusive der fragwürdigen Rolle, die die Fotografie darin spielt, die, so die Kulturkritikerin Susan Sontag, eine „chronisch voyeuristische Beziehung zur Welt“ geschaffen habe.
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Bei all der Reflexion über den Marktwert des Äußeren geht es immer auch um allzu menschliche Ziele im Leben: begehrt zu werden und Anerkennung zu bekommen. Doch hier weitet sich das Thema über das Imperium der Bilder hinaus, hinterfragt die fragilen zwischenmenschlichen Beziehungen – mit den Worten des Soziologen Zygmunt Baumann – nach dem Wegfall des praktischen Nutzens romantischer Beziehungen, die charakteristisch seien für das moderne „fluide“ Leben. Doch sogleich treten die Performenden einen Schritt zurück, um mit heiserer Stimme und Kunstbart einen heiter-bissigen Abgesang auf das Prinzip des alten weißen Mannes zu feiern. Natürlich flimmern sie mithilfe ihrer Handys auch selbst über vier Bildschirme, doch durch die vielen Perspektiven, die sie auf das Thema werfen, bekommt dieser Akt etwas Selbstermächtigendes.
Im Jungen Schauspielhaus: Heutige Selbstbespiegelung wird aufgespießt
Das Ergebnis ist ein Abend, der sich differenziert auf der Höhe des Diskurses bewegt, einmal kritisch durch die Kulturgeschichte reist und lebensnah aber immer zugewandt die heutige Selbstbespiegelung aufspießt. Unbedingt sehenswert.
„Im Spiegelsaal“ weitere Vorstellungen 11.12., 19 Uhr, 25.1., 19 Uhr, 7.2., 19 Uhr, 11.2., 19 Uhr, 1.4., 19 Uhr, ab 13 Jahren, Junges Schauspielhaus, Große Bühne Wiesendamm, Wiesendamm 28, Karten unter T. 24 87 13; www.junges.schauspielhaus.de
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