Hamburg. Ken Ludwigs Komödie „Alarm in’t Theaterhuus“ feiert plattdeutsche Erstaufführung und Max Claessen ein weitgehend gelungenes Regiedebüt.
Zwei Räume, sechs Türen, acht Mitwirkende und ein großes Tohuwabohu mit der einen oder anderen wohlklingenden Arie. So ließe sich das jüngste Geschehen im Ohnsorg-Theater kurz und knackig zusammenfassen. Für die Kulisse gibt es beim Öffnen des Vorhangs nach guter alter Tradition des Hauses gleich mal den ersten Applaus. „Ischa“ auch echt gediegen, was Beate Zoff da auf die Bühne am Heidi-Kabel-Platz gezaubert hat.
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Die elegante Suite mit Wohn-, Schlaf- und Badezimmer im Stil der 1930er-Jahre wird in den folgenden zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) Schauplatz einer turbulenten Komödie des US-Autors Ken Ludwig (74). Mit dem Zusatz „Alarm in’t Theaterhuus“ hat „Carmen darf nicht platzen“ am Sonntagabend plattdeutsche Erstaufführung. An deren Ende wird das Ensemble vom Premierenpublikum mit minutenlangem Beifall gefeiert.
Ohnsorg-Theater: Vor Jahren lief dort bereits „Otello darf nicht platzen“
Wem das jetzt alles recht spanisch vorkommt: Ein ähnliches Stück, „Otello darf nicht platzen“, hatte vor gut 13 Jahren als eines der letzten Stücke noch am früheren Ohnsorg-Standort Große Bleichen Premiere, damals in der Platt-Übersetzung des umtriebigen Duos Hartmut Cyriacks/Peter Nissen. Jedoch hat Autor Ludwig seinen fast vier Jahrzehnte alten internationalen Komödien-Hit (Originaltitel: „Lend Me A Tenor“) – wegen des sogenannten Blackfacing im Laufe der Zeit durchaus umstritten – vor zwei Jahren mit den Frauen als starke Figuren neu herausgebracht. Ergo mit zwei Sopranistinnen als Protagonistinnen.
Und glaubt man alten Hasen und vertraut seinem Gehör bei der Premiere, sind Caroline Kiesewetter (als temperamentvoller italienischer Opernstar Elena Firenzi) und Nele Larsen (als verkappte Opernsängerin Cleo) deutlich besser bei Stimme als 2011 der füllige Pavarotti-Parodist Horst Arenthold und Parade-Komödiant Erkki Hopf als dessen Tenor-Ersatz. Letzterer mischt jedoch auch bei „Carmen darf nicht platzen“ in einer Nebenrolle mit, was per se schon Lacher garantiert. Als Elenas eifersüchtiger Ehemann Pasquale löst Hopf, mit dunklen Haaren, Brille und in feinem Zwirn eine Art Al Bano de luxe (nur mit einer anderen Romina Power) ohne „Felicita“, Hut und Plattdeutsch das Chaos aus. Er macht die Biege, und sein Abschiedsbrief bringt die Verwechslungsspirale in Gang.
Ohnsorg-Theater: La Kiesewetter überzeugt auch mit Komik und Körperbeherrschung
Diva Elena lässt nach gemeinsamer verspäteter Anreise mit der Bahn (!), und das schon vor 90 Jahren, nicht nur die Probe sausen. Nach der Einnahme eines Schlafmittels fällt sie wie tot ins Doppelbett. Das ist von la Kiesewetter ebenso komisch überzeichnet und mit toller Körperbeherrschung gespielt wie zuvor das gemeinsame Probenduett („O Mama mia!“) mit Nele Larsen als Cleo. Szenenbeifall. Die biedere Assistentin der einfallsreichen Operndirektorin (mütterlich-zupackend: Beate Kiupel) entdeckt ihre verborgenen Gesangstalente und soll nach dem Willen ihrer Chefin in der großen Oper der Kleinstadt für den Star den Abend retten.
Das kann sich hören und sehen lassen. Blöd nur, dass die echte Diva wieder aufersteht, als vermeintliche Doppelgängerin nicht ins Theater gelassen und sich sogar mit einem „Udl“ (Polizisten) anlegt. Als nach getaner (Bühnen-)Arbeit auch noch die Verehrer an der Hotelsuite klopfen, kommt die Komödie richtig in Fahrt. Ebenso Cleos Verlobter Gerd (Vicent Lang), der Sohn der Operndirektorin, und der holländische Tenor Leo (Lennart Lemster). Die Türen fliegen auf und zu, mal landen die Herren im Bad, mal im Schrank, die Hosen fallen wie das Herbstlaub, die Stimmung steigt. Und wenn die Original-Diva und ihre Kopie in zwei Zimmern nebeneinander spiegelverkehrt dastehen, gibt‘s fürs Publikum kein Halten mehr.
Ohnsorg-Theater: Max Claessen hätte die Zügel beim Regiedebüt noch etwas anziehen können
Max Claessen, der als Regieassistent am Thalia Theater gelernt hatte, versteht es bei seinem Regiedebüt am Ohnsorg das Dramatische am Opern-Genre komisch herauszuarbeiten. Er gewährt dem Slapstick und dem insgesamt überzeugenden Ensemble insbesondere im zweiten Teil den Raum, den es braucht, hätte vor dem richtigen „Alarm in´t Theaterhuus“ die Zügel im ersten Teil jedoch etwas anziehen können. Dann wäre dem Publikum die eine oder andere Albernheit erspart geblieben.
So bleibt die schöne Kostümschlacht (dank Ausstatterin Stephanie Kniesbeck) zur musikalischen Einrichtung Stefan Hillers insbesondere aufgrund des grandiosen Live-Gesangs der beiden Hauptdarstellerinnen in Erinnerung. Und wegen der Spitzen auf einen Fan-Kult, der manchmal selbst nicht zwischen Original und Kopie unterscheiden kann. Ach ja, noch etwas für Ken-Ludwig-Freunde: Sein aktuellstes Stück „Sherlock Holmes: Der Fall Moriarty“ hat am Freitag in der Komödie Winterhude Premiere.
„Alarm in’t Theaterhuus – Carmen darf nicht platzen“ wieder Di 5.11., 19.30, bis 11.1.2025, Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 32,48 bis 40,32 unter T. 040/35 08 03 21; www.ohnsorg.de
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