Hamburg. Hamburg sieht ein umjubeltes Reunion-Konzert. Der bombastische Auftritt der Fugees mit Lauryn Hill und Wyclef Jean hat aber auch Schwächen.
- Fugees: Konzert der Hip-Hop-Legenden in der Hamburger Barclays Arena vor 10.000 Fans.
- Lauryn Hill und Wyclef Jean singen „Killing Me Softly“ und andere Mega-Hits.
- Warum dieser Auftritt fast einem Wunder glich.
Eminem wird bald Opa und steht bei einem Wahlkampfauftritt für Kamala Harris in den USA neben einem total ergrauten Alt-Präsidenten namens Barack Obama. Puff Daddy Sean Combs (P. Diddy) sitzt im Gefängnis und steht vor einem Missbrauchsprozess, der diesen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit verlängern könnte. Tupac Shakur ist schon lange tot, Coolio („Gangsta’s Paradise“) seit zwei Jahren. Wo kann man also den Hip-Hop der Goldenen Ära mörderischer Hits von Casinoparkplätzen und aus Hinterhof-Tonstudios noch besichtigen? Wo noch erahnen, welch groove-treibende Musikalität das hatte und welch brutalen kommerziellen Erfolg?
Beim Auftritt von Lauryn Hill und Wyclef Jean als Fugees in der Hamburger Barclays Arena wehte der Mantel der Gossengeschichten zwischen Brooklyn und Compton über die Bühne. Lag da auch ein Hauch von Franzbranntwein oder Tiger-Balsam für ermüdende Superstarknochen in der Luft? Ja, die Hülle mag etwas faltiger geworden sein bei Miss Hill und Mister Jean. Nein, dieses unnachahmliche Stottern beim Rappen gehört zum Programm.
Fugees mit Lauryn Hill und Wyclef Jean in Hamburg: Die Halle schwappt über
Und tatsächlich lieferten sie ab. Lauryn Hill knatterte und ratterte die Rhymes nur so raus. Knapp zwei Stunden hatte DJ Reborn (eigentlich eine DJane, um korrekt zu sein) die geschätzt 10.000 Fans in der Halle mit Sounds vom Plattenteller bei Laune gehalten, ehe die Diva mit den Perlenketten im Haar auf die Bühne schwebte. Die Stimme klang leicht belegt. Sie kämpfte mit, oder besser gegen den Wummersound, den die Tonleute erst nach einer Stunde halbwegs in den Griff bekamen.
In ihrem Programm feierte sie sich selbst: „The Miseducation of Lauryn Hill“ ist seit dem Erscheinen 1998 ein Klassiker und sie eine Ikone für all das geworden, was rebellische junge Frauen in den USA erreichen konnten. Betonung auf dem Imperfekt. Ihre Mission ist nicht vollendet. Millionen verkaufter Platten und Grammys en masse im Regal können nicht darüber hinwegtäuschen, wie deplatziert sie sich fühlen muss in einem Amerika, das auf dem Weg in die Steinzeit ist.
Wyclef Jean ist die wahre Wuchtbrumme in Hamburg
Die kleine Tour durch die Alte Welt scheint ihr langsam zu gefallen, jetzt, da sie praktisch zu Ende ist. Ihr Sohn Zion durfte auch mitrappen, einer der geschätzt 187 Enkel von Bob Marley. In Hamburg gurrte und schnurrtedie exzentrische Sängerin etwas sparsam. Das soulige Timbre ihrer strapaziert wirkenden Stimmbänder bahnte sich nur selten an die Oberfläche über dem basslastigen Klangteppich. Aber dieses Doo-doo-dooob und das La-la-laaa – das macht ihr keiner nach.
Dass diese Konzertreise überhaupt stattfindet, ist irgendwie ein Wunder. Wyclef Jean und Lauryn Hill, die früher mal verpartnert waren, schienen schwieriger zusammenzubringen als Feuer und Wasser. Pras Michel, der Dritte im Fugees-Trio, hatte Hill nach der Reunion-Tour 2023 in den USA verklagt. Er behauptete, sie habe seine missliche finanzielle Lage ausgenutzt, um ihm einen grottenschlechten Vertrag anbieten zu können. Sie widersprach.
Fugees müssen bei Reunion-Konzerten auf Pras Michel verzichten
Tatsächlich wurde Pras Michel für schuldig befunden, an einer ominösen Verschwörung und illegaler Wahlkampffinanzierung über einen malaysischen Geschäftsmann beteiligt gewesen zu sein. Seine Anwälte bezeichneten ihn zuletzt als faktisch pleite. Die USA darf er wohl gar nicht verlassen. In Hamburg rappten die Fugees also nur im Zweidritteltakt.
Doch der Donnerhall, mit dem Wyclef Jean die Bühne enterte, zeigte: Die wahre Wuchtbrumme in dieser Wiedervereinigung ist er. Neben den üblichen Gags, die Gitarre hinterrücks über dem Kopf und mit den Zähnen zu spielen, legte er die Wurzeln der Fugees frei. Bob Marleys „No Woman, No Cry“ durfte ebenso wenig fehlen wie Clefs Solonummer „911“ und später das unnachahmliche „Killing Me Softly“ vom Fugees-Debüt. Jeder kennt jede Note, jede Viertelmillisekunde Verzögerung beim Beat. Die Halle schwappte über.
Wyclef Jean deutete mit „Maria, Maria“ nur kurz an, welchen Weg er als Ex-Fugee und Produzent für Carlos Santana oder Shakira („Hips Don’t Lie“) gegangen ist. Was er anfasst, wird im Tonstudio zu Gold. Viele sagen, der charakteristisch schleppende Sound seines Gitarrenspiels komme von seinem Handgelenk, an dem eine Uhr im Wert einer Blankeneser Eigentumswohnung blitzt. Wyclef Jean hat als Endspiel-Vorsänger (dreimal) ja fast so viele Finalteilnahmen bei Fußball-Weltmeisterschaften wie Franz Beckenbauer (vier).
Mehr Hamburg-Kultur
- Branford Marsalis: Sternstunde mit Jazz und ungarischer Folklore
- Teodor Currentzis macht sich seinen Mahler, wie es ihm gefällt
- Marcus King: Ü60-Publikum feiert das „Gitarrengegniedel“
- Elb.lit: „Weltpremiere“ mit Iris Berben und Olli Dittrich in Hamburg
- Brit Floyd in der Laeiszhalle: Eine Zeitreise, die einfach glücklich macht
„Killing Me Softly“ als Mega-Hit für Oma und Opa
Man sollte nicht unterschlagen, dass einige früher gingen an diesem denkwürdigen Rap-Nostalgie-Abend, mit vielen sehr jungen und sehr hübschen Frauen, deren Eltern sich beim Fugees-Debüt noch nicht gekannt haben können. Wer so alt war wie Hill (49) oder Jean (55), der hatte die grandiose Musik von einst im Hirn, aber den Sound-Brei der Halle im Ohr.
Was bleibt von Lauryn Hill, Wyclef Jean und den Fugees? Ein Haufen Hits, die Oma und Opa noch ihren entgeisterten Enkeln entgegenrappen können. Sie sind zeitlos gut gereift, hoch über dem Meer des Massengeschmacks. „Killing Me Softly“, „Ready Or Not“ oder „Doo Wop (That Thing)“ wird man noch in Jahren hören. Mal ab und an nachschauen, ob die Fugees sich wieder einmal zur Bühne aufraffen. Es könnte sich lohnen.
Sternstunde oder Reinfall? Jeden Monat rezensieren wir für unsere Abonnentinnen und Abonnenten mehr als 100 Konzerte, Theatervorstellungen, Choreografien, Bücher, Ausstellungen, Serien oder Filme. Hier finden Sie alle Kritiken – was Sie in Hamburg gesehen, gehört oder gelesen haben müssen!