Hamburg. Neo Rauch, Richard Serra, Louise Bourgois, Maria Lassnig und andere große Namen vereint die großartige Ausstellung „Isa Mona Lisa“ in Hamburg.
Alles begann mit der Tür. Als Alexander Klar im Sommer 2019 an die Hamburger Kunsthalle kam, duzten sich die Kolleginnen und Kollegen nicht nur plötzlich. Das Museum an sich wurde offener für sein gesamtes Publikum: Der Direktor ließ nämlich die Pforte zur Galerie der Gegenwart wieder aufschließen – jahrelang war das Gebäude zuvor nur über den Haupteingang auf der gegenüberliegenden Seite erreichbar. Stück für Stück füllten sich die Geschosse mit Sonderausstellungen zu zeitgenössischer Kunst. Nun, rund fünf Jahre nach Klars Start, sind die 5600 Quadratmeter Gegenwartsfläche vollständig belegt.
Neben Albert Oehlens „Computerbildern“ und „Untranquil Now“, der ersten Ausstellung der neuen Kuratorin Corinne Diserens, wartet das Sockelgeschoss mit einer bemerkenswerten, auf zwei Jahre angelegten Schau auf. Nach „something new, something old, something desirable“ schöpft Kuratorin und Sammlungsleiterin Brigitte Kölle aus dem Vollen: Große Namen aus der eigenen Sammlung paart sie mit kostbaren Schenkungen, neue Ankäufe mit großzügigen Leihgaben. Der Titel „Isa Mona Lisa“ ist einer Fotografie von Wolfgang Tilmans (56) entlehnt, das die Künstlerkollegin Isa Genzken zeigt.
„Isa Mona Lisa“: Nicht kleckern, sondern klotzen in der Hamburger Kunsthalle
So interessant dieser Titel ist – der Ausdruck der Künstlerin gleicht tatsächlich ein wenig dem der berühmten Mona Lisa, englisch kann man ihn „Is a Mona Lisa“ aussprechen, und der Silbenrhythmus ist derselbe wie bei Caspar David Friedrich – er führt in die Irre. Oder zumindest kann der Titel nicht anährend das fassen, was die flächenmäßig wie inhaltlich komplexe Ausstellung bietet. Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt; das wird schon im ersten Raum überdeutlich: Er ist angefüllt mit den rätselhaften Traumbildern des berühmten Leipzigers Neo Rauch (64), darunter die Schlüsselwerke „Die Fuge“ und „Schilfland“.
Mehr Ausstellungen
- Durch die Blume: Das ist die Hamburger Ausstellung des Jahres!
- Kunsthaus Hamburg: KI weckt vergessene Künstlerinnen zum Leben
- Kultur in Hamburg: Pippis Papa und eine wahre Geschichte aus dem Pazifik
Dass das Publikum in den Genuss dieser Schätze kommen kann, verdankt die Kunsthalle einer außergewöhnlichen Kooperation mit dem Hamburger Sammlerpaar Philipp und Christina Schmitz-Morkramer. Nicht nur einige Rauchs stammen aus ihrer Privatsammlung, auch viele weitere bedeutende Werke sind als Dauerleihgabe in der Ausstellung zu sehen.
Dabei handelt es sich um ein Konzept des sogenannten offenen Depots: „Das Museum darf Arbeiten aus der Sammlung auswählen und zeigen, muss sie aber nicht im eigenen Haus beherbergen“, erklärt Brigitte Kölle. „Aus konservatorischen Gründen werden einzelne Werke im Laufe der Ausstellung ausgewechselt.“
Ironische Konzeptkunst aus Moskau: Kann Malerei die Nerven heilen?
Ein weiteres Pfund der Schau ist das, was die Kuratorin als „Wunderkammer“ bezeichnet: „Salon Livresque“ ist ein Raum im Raum, den Thorsten Brinkmann (53) ursprünglich in der Villa des Hamburger Sammlerpaares Kurt und Sabine Beer eingerichtet hatte und der nun dauerhaft in die Galerie der Gegenwart umgezogen ist.
Mehrere hölzerne Couchtische mit Stühlen stehen auf einem ausladenden Orientteppich, moderne Kunst hängt neben einem Paar Turnschuhen an der Wand, es gibt sogar – versteckt hinter einer Tür – eine kleine, gut sortierte Bar; ein Teil der Privatbibliothek aus dem Hause Harald und Larissa Falckenberg steht im Regal. Hinzu hat der Hamburger Künstler eigene gestaltete Exponate wie Hände aus Kunstharz als Buchrücken gefügt.
Spannende Paarungen erwarten die Besucherinnen und Besucher in den darauffolgenden Ausstellungsräumen, so etwa Louise Bourgeois und Ilya Kabakov (1933–2023). Der aus Moskau stammende Konzeptkünstler gestaltete eine ärmliche Krankenstation, die an die vergangene sozialistische Welt erinnert, allerdings mit Gemälden an den Wänden und dem Hinweis, dass hier Nervenleiden durch die Betrachtung von Malerei geheilt werden; dazu erklingt Barockmusik.
Diese ironische Konzeptkunst begegnet den mit reflexiven Textzeilen bedruckten Stoffcollagen der französisch-amerikanischen Bildhauerin Louise Bourgeois (1911–2010). „I have been to hell and back, and let me tell you, it was wonderful“ ist berühmt; auch schön: „I had a flashback of something that never existed.“
Die massive Dauerinstallation aus 13 Tonnen Bleischrott des US-Künstlers Richard Serra (1938–2024) trifft auf die physisch-performative Malerei der in Hamburg lebenden Koreanerin Hyun-Sook Song, geboren 1952, die mit wenigen exakten Pinselstrichen einer Meditation arbeitet.
Eine Entdeckung ist die aus Kiel stammende Künstlerin Elisa Alberti, Jahrgang 1992, deren reduzierte und dabei extrem ausdrucksstarken grafischen Bilder einer Schwarz-Weiß-Porträtserie des Fotografen Andrzej Steinbach, Jahrgang 1983, gegenüberstehen. Und schließlich treffen sich die Altmeister Gerhard Richter und Sigmar Polke zu einem Tête-à-Tête. Das ist aber immer noch längst nicht alles, was „Isa Mona Lisa“ auftischt.
„Isa Mona Lisa“ bis 18.10.2026, Galerie der Gegenwart (U/S Hauptbahnhof), Glockengießerwall 5, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00–21.00, Eintritt 16,-/8,- (erm.), www.hamburger-kunsthalle.de
Sternstunde oder Reinfall? Jeden Monat rezensieren wir für unsere Abonnentinnen und Abonnenten mehr als 100 Konzerte, Theatervorstellungen, Choreografien, Bücher, Ausstellungen, Serien oder Filme. Hier finden Sie alle Kritiken – was Sie in Hamburg gesehen, gehört oder gelesen haben müssen!