Hamburg. Andrey Boreyko und das Philharmonische Staatsorchester loten die Tiefen des Werks aus. Hier und da fallen Hobelspäne? Kein Problem.

Programmdubletten gelten traditionell als dramaturgische Unfälle. Aber kann es nicht auch interessant sein, ein Werk in unterschiedlichen Interpretationen zu hören? Was auch immer sich die Verantwortlichen gedacht haben: Gerade mal eine gute Woche nachdem das NDR Elbphilharmonie Orchester Tschaikowskys Vierte gespielt hatte, steht das Stück auch beim Philharmonischen Staatsorchester auf dem Programm, ebenfalls in der Elbphilharmonie.  

Elbphilharmonie: Andrey Boreyko und das Philharmonische Staatsorchester loten Tschaikowskys Vierte aus

Die Leitung hat Andrey Boreyko, der dem Hamburger Publikum noch als Chef der Symphoniker in Erinnerung ist; beim Philharmonischen Staatsorchester war er bereits vor zwei Jahren zu Gast. Und was soll man sagen: Boreyko ist Russe, und das hört man. Wo Gilbert und die Seinen die Sinfonie mit ihren vielen Klangeffekten und szenisch wirkenden Überraschungen manierlich blankgeputzt präsentiert haben, geht Boreyko ganz anders in die Tiefe. Bei ihm klingt die Vierte, als schritte jemand innerlich sein Leben ab, von der Schicksalsfanfare zu Beginn bis zu den hauchzarten Gesangslinien der Holzbläser. Voller Schmelz spielen sie, allen voran die junge Soloflötistin Chaeyeon You.

Die Pizzicato-Jagd im Scherzo ist ein rasantes Vergnügen. Boreyko staut mit winzigen Gesten hier und da das Tempo, und die Musikerinnen und Musiker folgen ihm. Und wenn mal ein Hobelspan zu Boden fällt, sammelt Boreyko ihn flugs ein.

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Stark auch die erste Hälfte. Das Orchester ist ja aus der Oper manchen Stunt gewöhnt. Die entsprechenden Nerven braucht es für Josef Suks „Fantastické Scherzo“ und das Divertimento aus Strawinskys „Le Baiser de la fée“. Beides Raritäten, beides voller melodischem Schmelz und instrumentalem Witz, beides haarig schwer zu spielen. Und aufregend zu hören. Wofür geht man am Sonntagmorgen ins Konzert, wenn nicht, um sich mit Haut und Haar ergreifen zu lassen?

Das Konzert wird am Montagabend um 20 Uhr wiederholt. Restkarten u. U. an der Abendkasse