Hamburg. Umfragen von Branchenverbändenden zeigten: Mehr als die Hälfte der deutschen Livebühnen sind ohne Hilfen nicht mehr überlebensfähig.

  • Mehrere Clubs in Hamburg schließen Ende des Jahres
  • Steigende Kosten machen es Clubszene schwer
  • Auch bundesweit steht es schlecht um Musikclubs

Das Hafenklang konnte dieses Jahr nur durch Spenden weitermachen, der Cotton Club ist gefährdet, und Moondoo und Headcrash schließen am Ende des Jahres. Trotzdes am 9. November öffnenden Jazzclubs Nica und der im Juli eingeweihten Georg Elser Halle reißen die schlechten Nachrichten aus Hamburgs Clubszene nicht ab.

Kürzlich veröffentlichte das Hamburger Clubkombinat, der Interessenverband von mehr als 100 Musikspielstätten, ein aktuelles Lagebild nach einer ausführlichen Branchenerhebung unter den Clubs. Ein Drittel der Mitglieder nahm daran teil und gab an, dieses Jahr bislang im Vergleich zu 2023 einen durchschnittlichen Umsatzrückgang von elf Prozent und einen Gewinneinbruch um 20 Prozent zu verzeichnen.

Konzerte in Hamburg: Musikclubs beklagen immer höhere Kosten

Als Gründe für die gesunkenen Einnahmen und Gewinne führen die befragten Clubs die allgemeinen Kostensteigerungen sowohl für Personal (Security, Technik) als auch für Betriebskosten und Wareneinkauf an. Auch durch die Inflation und ein verändertes Ausgehverhalten nach Corona sei der Publikumszuspruch gesunken – aufzufangen nur durch die Erhöhung von Eintritts- und Gastropreisen. Aber: Diese „wirken wie Gift und bilden einen Teufelskreislauf“, erklärt das Clubkombinat.

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„Die Zurückhaltung der Besuchenden treffen ganz besonders die Nachwuchskonzerte von noch eher unbekannten Live-Acts. Die geänderten Rahmenbedingungen führen zu einer Finanzierungslücke für die Produktionen von Live-Konzerten und DJ-Nächten und verhindern reihenweise Nachwuchsauftritte“, beklagt das Clubkombinat und verweist auch auf die immer teurer werdenden Shows der großen Mainstream-Stars. Laut Umfrage verzichten die Clubs vermehrt auf „Risiko-Bookings“, die kein volles Haus garantieren: „Wir verzeichnen bereits jetzt einen enormen Wandel in den Veranstaltungskalendern, der die kulturelle Vielfalt bedroht. Diese Situation verschärft insbesondere auch die prekäre Lage der Musikschaffenden, deren de facto letzte relevante Einnahmequelle das Live-Geschäft war.“

Musikclub
Gerade gerettet: Das „Hafenklang“ war im Sommer 2024 in finanzielle Schieflage geraten. Fans des Clubs spendeten 175.000 Euro, um den Club an der Großen Elbstraße zu erhalten. © picture alliance / imageBROKER | UWE KRAFT

Clubsterben in Hamburg: Zehn Prozent denken über Schließung nach

Mehr als die Hälfte der befragten Clubs stimmte in der Umfrage der Aussage zu, dass in den kommenden zwölf Monaten Fördergelder benötigt werden, zum Beispiel über den Live Concert Account, der aktuell 56 Antragstellende mit insgesamt 337.000 Euro fördert. Aber langfristig sind Livemusik und Clubkultur laut Clubkombinat auf eine breite Allianz von Bund und Ländern, Branche und Gesellschaft angewiesen: Die verzwickte Lage der Clubs zeige exemplarisch auf, dass ein Kipppunkt für das Ökosystem der Musikwirtschaft überschritten ist. Über die Beendigung des Veranstaltungsbetriebs in den nächsten zwölf Monaten denken laut Clubkombinat zehn Prozent der befragten Clubs nach.

Auch bundesweit sind die Zahlen besorgniserregend: Der Bundesverband der Musikspielstätten LiveKomm hat jetzt eine bundesweite Erhebung für ein aktuelles Lagebild der Clublandschaft vermeldet: „Mehr als die Hälfte der Musikspielstätten hat angegeben, aufgrund des akuten Kostendrucks in den kommenden zwölf Monaten den Betrieb nicht ohne staatliche Unterstützung weiterführen zu können.“

Hamburg, 22.02.2024 Sternbrücke Die Sternbrücke über die Stresemanstraße soll abgerissen werden - und eine neue, überdim
Die Suche nach Kreativräumen in Hamburg ist schwierig: Mehrere Clubs mussten Ende 2023 dem Neubau der Sternbrücke weichen, bislang konnten nur zwei, Fundbureau und Beat Boutique, an neuer Stelle eröffnen, andere wie Waagenbau und Astra Stube suchen noch. © IMAGO/foto-leipzig.de | IMAGO stock

Clubsterben: LiveKomm befürchtet Massenschließungen

Laut Livekomm erwarten 63 Prozent der Clubs eine wirtschaftliche Verschlechterung, 62 Prozent nehmen bereits Anpassungen im Programm vor und reduzieren die Konzerte von Nachwuchsbands und ähnlichen Terminen mit nicht sicher garantiertem Publikumsaufkommen, in der Branche „Risikoshows“ genannt. „16 Prozent denken sogar darüber nach, ihren Betrieb in den nächsten zwölf Monaten einzustellen.“

„Wenn jetzt nicht gehandelt wird, drohen auch hierzulande Entwicklungen wie zum Beispiel in Großbritannien, wo seit 2020 fast 400 Clubs schließen mussten“, teilt Mankel Brinkmann, Erster Vorsitzender der LiveKomm mit „im Vergleich zu anderen Haushaltsposten wären die benötigten Mittel gering, sie könnten jedoch entscheidend dazu beitragen, den Fortbestand und damit die Vielfalt und Lebendigkeit unserer Livekultur zu bewahren“.

Jazzclub Nica
Neueröffnung in der Krise: Der Nica Jazz Club will ab 9. November internationale Stars und Newcomer an den Alten Wall holen. © AENY | AENY

Musikkrise: Hamburger Branchenverband veröffentlicht Maßnahmenkatalog

Die Politik musse laut Brinkmann handeln, „alle Instrumente dafür sind vorhanden“, wie etwa die Förderprogramme der Initiative Musik, die finanziell besser asgestattet werden könnten, „denn gerade im Vergleich zur stark subventionierten Hochkultur sind popkulturelle Förderprogramme heillos unterfinanziert“.

Der Musikwirtschaftsverband Hamburg Music, der am 13. November sein 20-jähriges Bestehen in der Georg Elser Halle feiert und als deutschlandweit größter regionaler Zusammenschluss dieser Art 140 Hamburger Musikunternehmen vereint, fordert in einer Pressemitteilung anlässlich der bevorstehenden Bürgerschaftswahl 2025 ebenfalls Maßnahmen von den Parteien. „Ziel ist es, Hamburgs Position als Deutschlands größter Musikwirtschaftsstandort zu sichern und weiter auszubauen. Mit über 16.000 Beschäftigten und einer Bruttowertschöpfung von mehr als einer Milliarde Euro ist die Musikwirtschaft eine der wichtigsten Branchen der Hansestadt und trägt maßgeblich zur Wirtschaftskraft, zur Attraktivität und zum internationalen Image Hamburgs bei.“

Hamburg Music: Es müssen neue Räume für Kreativität geschaffen werden

Der von Hamburg Music vorgeschlagene Maßnahmenkatalog sieht unter anderem eine spezialisierte Wirtschafts- und Innovationsförderung, Aus- und Weiterbildung von Fachkräften, Stärkung des nationalen und internationalen kulturellen und touristischen Images des Musikstadt Hamburg und eine zielgerichtete Stadtentwicklung durch „Schaffung neuer Räume für Kreativität insbesondere im Palomaviertel, im Hamburger Osten und auf dem Diebsteich-Areal“ vor.

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