Hamburg. An den Hamburger Kammerspielen ist die Shakespeare-Tragödie ein körperbetontes Zweipersonenstück mit starken Schauspielern. Sehenswert!
- Vorstellungen gibt es zunächst bis zum 17. November
- An den Hamburger Kammerspielen braucht die Tragödie nur zwei Schauspieler
- Am Ende gilt der Shakespeare-Satz „Blut schreit nach Blut“
Die Bühne ist ein kühles Labyrinth mit Treppen, die ins Schwarze führen, vorbei an hohen Wänden. Mit verzerrter Stimme säuseln die Hexen ihre Verheißungen als animierte Hologramme. Und der blutbespritzte, frisch aus der Schlacht heimkehrende Macbeth hält sie für ein göttliches Zeichen: Er soll König von Schottland werden. Fröhlich schreibt er seiner Geliebten Lady Macbeth, doch die fasst sogleich den Plan, den amtierenden König Duncan aus dem Weg zu räumen.
„Macbeth“, dieser düstere Shakespeare-Klassiker um Machtgier und Verderben, braucht in der auf den Kern und nur die beiden Hauptfiguren eingedampften Fassung des Autors – und langjährigen Thalia-Dramaturgen – John von Düffel zwei Spielwütige, die so einen Abend tragen können. Mit der Wahl von Hans-Werner Meyer und Jacqueline Macaulay beweist Regisseur Sewan Latchinian eine glückliche Hand für die Premiere an den von ihm künstlerisch geleiteten Hamburger Kammerspielen.
Überzeugend gibt Hans-Werner Meyer mit blut- und staubbesudelter Brust den hadernden, zweifelnden, zögernden Macbeth, der zunächst in aller Bescheidenheit noch den Ehrentitel Than von Cawdor als Lohn für den Kampf übertrieben findet, bald aber, angestachelt von der Gefährtin, die Königskrone als angemessen erachtet. Die Begegnung mit Jacqueline Macaulays Lady Macbeth ist ausgesprochen leidenschaftlich – die Schauspielerin und der Schauspieler sind auch im wirklichen Leben ein Paar.
Spielwütiger Macbeth an den Hamburger Kammerspielen: „Blut schreit nach Blut“
Diese Vertrautheit erweist sich künstlerisch als Glücksgriff. Die Chemie stimmt, beide wagen viel körperbetontes Spiel und werfen sich mit exaktem Timing die verbalen Bälle zu. Sie sind ja auch – neben vielen unsichtbaren Gegnern – die Einzigen, die sich hier aneinander abarbeiten können. Der Minimalismus der Bühne setzt sich in den ebenfalls von Stephan Fernau kreierten modernen Königskleidern von geradliniger Eleganz fort.
„Beschützen sollt ich ihn vor Überfall und Mord. Nicht selbst das Messer führen“, wehrt sich Macbeth noch gegen den Mordplan. Obendrein ist der König auf dem Thron gütig und gerecht. Doch Lady Macbeth kennt kein Erbarmen, will das Geschehen dominieren. Und stachelt den Geliebten auf. „Verheißung nur für so viel mehr! Du sollst die Krone tragen!“, ruft sie.
Sein Wunsch, dass es ohne eigenes Zutun qua Schicksal geschehe, erfüllt sich nicht. Bald trägt er blutige Dolche in der Hand, die er doch bei den Leibwächtern ablegen sollte, um ihnen den Mord anzuhängen. Und so muss Lady Macbeth hinter ihm aufräumen.
„Macbeth“: Die Hauptdarsteller sind auch im echten Leben ein Paar
Wie unter dem Brennglas seziert der Abend die von egoistischen Interessen geleitete Paarbeziehung. Macaulay stattet ihre wie ein Raubtier fauchende Lady mit – gut dosierten – finster diabolischen Grimassen aus, dass es eine Freude ist. Bei Hans-Werner Meyer wiederum wandelt sich Macbeth vom Zauderer zum energischen Tatmenschen. Immer neue Prophezeiungen wälzend, lässt er seinen Freund Banquo aus dem Weg räumen, als er erkennt: „Zerteilt ist nur die Schlange, nicht getötet, sie schließt die Wunde und verdoppelt sich; das Gift, das uns bedroht, ist noch dasselbe!“ Die Szenenwechsel sind gekonnt durch harte Schnitte der Lichtregie, verbunden mit bedrohlich anschwellender Musik markiert, eingerichtet von Georg Münzel.
Das Böse fordert seinen Preis. Und am Ende gilt der Shakespeare-Satz „Blut schreit nach Blut“. Erst sieht Macbeth Geister und kämpft mit einem Stuhl. Doch noch vor ihm gleitet die Lady in den Wahnsinn ab. Die vernichtende Wahrheit der Verkündigung enthüllt sich erst nach und nach. Der Tod wird bald auch für Macbeth, nunmehr im silbernen Harnisch zu allem bereit in der Schlacht gegen England unter Macduff, zum einzigen Ausweg. „Ich will die ganze Welt in Trümmern sehen. Auf in den Untergang! Umarme mich, Verderben!“
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Manch einer glaubt die Macht bereits siegesgewiss errungen. Und muss erkennen, dass er einer Hybris erlegen ist. Dem großen Menschenkenner Shakespeare wäre sicher auch ein Kommentar zu diesem international bedeutenden Wahljahr eingefallen.
Dieser „Macbeth“ ist ein auf die Essenz konzentrierter, dabei aber keineswegs blutleerer, höchst spannungsvoller Abend, den die beiden fabelhaften Protagonisten in jeder Wendung mit klar herausgearbeiteten Facetten tragen. Bis hin zu einer kleinen Schlusspointe. Sehenswert.
„Macbeth“ weitere Vorstellungen bis zum 17. November, Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9 bis 11, Karten unter T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de
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