Hamburg. Intendant Axel Schneider stellte das vielseitige Programm für die kommende Saison vor. Mit welchen Stars und Stücken er plant.

Axel Schneider ist verhalten zufrieden. Der Intendant und Geschäftsführer der Stäitsch Theaterbetriebs GmbH, zu der auch die Hamburger Kammerspiele gehören, ist mit einem blauen Auge aus der Publikumsdelle nach der Pandemie herausgekommen, die Auslastung der gerade zu Ende gehenden Spielzeit liege an den Kammerspielen bei 60 Prozent.

Das ist nicht viel, könnte aber weniger sein – vielen Theatern sei insbesondere das Abopublikum weggebrochen, aber an den Kammerspielen gibt es überhaupt kein Abo im klassischen Sinne. Weswegen Schneider, Dramaturgin Edith Löbbert und der künstlerische Leiter Sewan Latchinian frohgemut die kommende Saison vorstellen.

Hamburger Kammerspiele reagieren auf Rechtsruck und Antisemitismus

Freilich müssen auch die Kammerspiele ihr Publikum verjüngen. Schneider versucht das, indem das Haus Spielort beim Hamburger Schauspielschultreffen vom 30. Juni bis 7. Juli ist sowie durch enge Zusammenarbeit mit der Ida-Ehre-Schule. Und nicht zuletzt mit der ersten Premiere der neuen Saison: Die professionelle Uraufführung von Bernhard Schlinks Antifaschismus-Parabel „20. Juli“ findet in Zusammenarbeit mit der Schule für Schauspiel Hamburg statt, symbolträchtig am 23. August, eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, bei denen ein Durchmarsch der Rechten befürchtet wird (Regie: Franz-Joseph Dieken).

Schneider gibt sich also explizit politisch mit diesem Einstieg, zumal der zweite Aufführungsblock im Umfeld der Wahlen in Brandenburg stattfinden wird. Und auch Sewan Latchinian positioniert sich: „Wir sind entsetzt über Rechtsruck und Antisemitismus“, betont der künstlerische Leiter, weswegen er sich besonders über die Vernetzung des Theaters ins Grindelviertel hinein freut: Die Kammespiele nehmen teil am Stadtteilfest „Jüdisches Grindel“ vom 13. bis 15. September.

Putin, Assad, Trump: In „Macbeth“ gibt es viele Parallelen zur Gegenwart

Vor dem Stadtteilfest gibt es aber schon die zweite Premiere: das Kammermusical (interessantes Genre übrigens, gleichzeitig Bombast und Minimalismus) „Die letzten fünf Jahre“ am 1. September in der Regie von Dominique Schnizer. „Eine Geschichte voll Hoffnung, Enttäuschung, Nähe und Distanz“, verspricht Dramaturgin Edith Löbbert, gespielt und gesungen von Carolin Fortenbacher und Tim Grobe. Ebenfalls minimalistisch fällt die nächste Premiere aus: „Macbeth“, aber nur „nach“ Shakespeare, von Klassiker-Überschreibungsspezialist John von Düffel eingedampft auf das Schurkenpaar Lord und Lady Macbeth. Regie führt Hausherr Latchinian, der auch hier Parallelen zur politischen Gegenwart zieht und in Wladimir Putin, Baschar al-Assad und Donald Trump Wiedergänger der Macbeths entdeckt. Es spielt das echte Paar Jacqueline Macaulay und Hans-Werner Meyer.

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Katharina Wackernagel wird in der Premiere von „Die Wahrheiten“ zu erleben sein. © picture alliance / SvenSimon | FrankHoermann/SVEN SIMON

Geht es darauf mit leichter Muse weiter? „Die Comedian Harmonists“ von Gottfried Greiffenhagen und Franz Wittenbrink wird ein Publikumsliebling werden (Premiere: 24. November Regie: Cornelia Schirmer, Musikalische Leitung: Jan Christof Scheibe), aber auch hier: Der Stoff ist in den 1930ern angesiedelt, das titelgebende Gesangsquartett wurde von den Nazis zerstört. Weswegen, so Löbbert, das Stück „gerade in der heutigen Zeit“ passend sei. Fortgeführt wird die Zusammenarbeit mit dem Autorenpaar Lutz Hübner und Sarah Nemitz: Deren Stück „Die Wahrheiten“ (Premiere am 19. Januar) wird inszeniert von Milena Mönch, die am Haus schon sehr erfolgreich den Monolog „Prima Facie“ auf die Bühne brachte (Wiederaufnahme am 26. September), unter anderem mit Katharina Wackernagel.

Eine schwarze Komödie ist Matthieu Delaportes „Einszweinundzwanzig vor dem Ende“, bei dem ein Selbstmörder und der Tod miteinander um das Leben und dessen selbst gewählten Schluss ringen. Premiere ist am 23. März, es spielen Heiko Ruprecht und Michael von Au, die Regie steht noch nicht fest. Dafür ist jetzt schon klar, dass der musikalische Abend „Je t’aime … Das spektakuläre Leben des Serge Gainsbourg“ ab 17. April stark auf Dominique Horwitz fokussiert ist, der nicht nur die Titelrolle singt und spielt, sondern auch die Inszenierung übernimmt. Schneider: „Es wird natürlich viel geraucht werden auf der Bühne!“

Auch der Kinohit „Die fetten Jahre sind vorbei“ kommt auf die Bühne

Noch kaum etwas lässt sich sagen über eine Premiere am 27. April: Bei „Die fetten Jahre sind vorbei“ nach Hans Weingartners 20 Jahre altem Film stehen bislang weder Regie noch Besetzung. Gleichwohl, für Intendant Schneider ist der Stoff erschreckend aktuell: „Es geht um Jugendliche, die sich weigern, die Gesellschaft, wie sie ist, zu akzeptieren.“ Abgeschlossen wird die Saison ab 31. Mai mit Marius von Mayenburgs MeToo-Kammerspiel „Ellen Babić“, in der Regie von Tilo Nest mit unter anderem Nina Petri.

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Wiederaufnahmen sind neben „Prima Facie“ die erfolgreichen Inszenierungen „Die drei ??? Kids – Der Weihnachtsdieb“ (5. Dezember), „Eine verhängnisvolle Affäre“ (5. März) sowie „Alice – Spiel um dein Leben“ (26. November). Und es gibt weiterhin Sonderveranstaltungen: die „Lenz-Matineen“ (erstmals am 3. November) sowie die längst gut eingeführten Formate „Hitch und ich“ (erstmals am 20. Oktober) und „Die Vodkagespräche“ (erstmals am 6. Oktober).