Hamburg. Mit viel Empathie und Gefühl sang sie vor begeistertem Publikum. Für eine kleine Enttäuschung zum Schluss sorgte sie dennoch.

Lizz Wright hat in ihrem Leben schon viele Stürme erlebt. Gerade erst ist der Hurrikan „Helene“ über ihre Heimat in Georgia hinweggerast und hat große Zerstörungen und Todesopfer hinterlassen, jetzt droht mit „Milton“ bereits die nächste Katastrophe im Süden der USA. „Wir haben in der Tür gestanden und um Gnade gefleht“, singt sie in „Sparrow“.

Als sie das Lied bei ihrem ausverkauften Konzert im Mojo Club ankündigt, gehen ihre Gedanken zu den Menschen in Florida, die der katastrophale Wirbelsturm bedroht. Wright besitzt Empathie. Und Seele. Die afroamerikanische Sängerin gehört zu den markantesten Vertreterinnen von Jazz-, Soul- und Bluesgesang. Jeder ihrer Songs geht zu Herzen. Nicht nur wegen der Lyrik, sondern vor allem wegen ihrer Stimme. Die ist so cremig wie Karamell, aber sie hat auch Kraft und die Klarheit eines Gebirgsbachs.

Lizz Wright: Große Emotionen bei ausverkauftem Hamburg-Konzert im Mojo Club

„Shadow“ heißt das aktuelle Album der Sängerin. Daraus hat sie einige neue Stücke ins Programm ihrer laufenden Tournee genommen, wie „Sparrow“, „Who Knows Where The Time Goes“ oder die Ballade „Sweet Feeling“. Wright ist eine genaue Beobachterin ihrer Umgebung, aber sie ist auch eine Sängerin, deren Gedanken und Gefühle um Liebe und die Schwierigkeiten damit kreisen.

Ausführlich erzählt sie von einer Nachricht, die sie vor einigen Jahren von ihrem Vater, einem Pastor, erreichte, kurz bevor sie im Mojo auftreten sollte. Sie hatte ihm von einer lesbischen Liebesbeziehung geschrieben, er war außer sich. Sie war kurz davor, den Auftritt abzusagen, doch sie ging auf die Bühne. „Ich liebe diesen Ort, weil er mir so viel Kraft gegeben hat“, erzählt sie ihren Fans.

Bei Lizz Wright ist nach 90 Minuten Schluss – Hamburger Publikum hat noch lange nicht genug

Die sind begeistert und hingerissen von dieser Sängerin und ihrer großartigen Band. Das Programm ist klug aufgebaut, weil es Balladen und groovende Nummern perfekt mischt. Außerdem hat Wright ein paar Coversongs im Repertoire, die wie das Sahnehäubchen auf einer heißen Schokolade sind.

Neil Youngs „Old Man“ verlangsamt sie noch und gibt dem Song dadurch eine besondere Tiefe, auch Madonnas „Don‘t Tell Me“ geht unter die Haut. Und auch Uptempo-Stücke hat sie drauf: „I‘ve Got To Use My Imagination“ von Gladys Knight ist eine großartige Tanznummer. Der Auftritt von Lizz Wright ist tadellos, das einzige Manko ist die Dauer.

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Nach knapp 90 Minuten ist schon Schluss. Es gibt viele Künstler, bei denen diese Länge reicht. Doch Wright hat so viel mehr großartige Songs im Repertoire. Und ihre Fans hätten sich natürlich noch viel mehr Lieder von ihr gewünscht. Nach der Zugabe wird minutenlang begeistert geklatscht, niemand verlässt den Club, doch sie kehrt nicht auf die Bühne zurück. Dort erlischt irgendwann das Licht und aus dem Saal kommt ein langes und enttäuschtes „Ooooa“.

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