Hamburg. Drei schwedische Metalbands aus dem vergangenen Millennium bringen Sporthalle zum Beben. In Flames transportieren die Menge zurück in die 90er.
Wilde Gitarrenriffs, Strobolicht-Geballer und durch Kälte gestählte Stimmen: Die alte Garde des schwedischen Melodic Death Metal hat sich am Freitag über die Sporthalle Hamburg erhoben. Auf der „The Rising From The North“-Tour haben sich drei profilierte Bands der Szene zusammengeschlossen: In Flames und Arch Enemy, unterstützt von Soilwork, schmeißen eine fette 90er-Party der etwas anderen Art. Klingt dem Namen nach alles ziemlich böse, ist es natürlich nicht (immer).
Frontfrau Alissa White-Gluz verleiht den Liedtexten von Arch Enemy schon seit 2014 ihre stimmliche Reichweite und ist in dieser Hinsicht erfolgreiches Beispiel für das Konzept der Female-Fronted-Metalband – obwohl das erst mal natürlich nicht viel über die Musik der Band aussagt. Arch Enemy fokussieren sich am Freitag auf ihre neueren Alben, spielen „Deceivers, Deceivers“, „House Of Mirrors“ oder „Sunset Over The Empire“ in schnellem Tempo und mit viel Einsatz.
Sporthalle Hamburg: In Flames feiern eine riesige 90er-Party
Die Tracks vom letzten Album kommen in der gefüllten Sporthalle bestens an, mit „Liars & Thieves“ und „Dream Stealer“ gibt es auch einen vielversprechenden Vorgeschmack auf das kommende Album. Trotzdem dürfen Klassiker wie „War Eternal“ oder „Nemesis“ nicht fehlen – das Publikum dankt es mit Tausenden klatschenden Händen und überraschend tonsicheren Chören.
Dass Schweden nicht nur wilde Wikinger kann, ist spätestens seit den 90ern bekannt. Während sich in Norwegen zu dieser Zeit immer mehr Black-Metal-Bands die Klinke in die Hand gaben, entstand in Schweden das, was noch heute von Millionen Hörern weltweit gefeiert wird: melodischer Death Metal. Das mag für Außenstehende erst mal widersprüchlich klingen. Welcher Metal-Fan kriegt schließlich nicht mindestens wöchentlich reingedrückt, dass es sich bei seinem (oder ihrem) Lieblingsgenre doch nur um unverständliches Geschrei handele. Wie soll da denn Melodie reinpassen?
Sporthalle Hamburg: Death Metal und Melodie – wie soll das zusammenpassen?
Natürlich über eingängige und harmonische Gitarrenriffs sowie flott getaktete Drums, gepaart mit tiefem, gutturalem Geschrei. Feine Mischung. Bei In Flames fließt davon viel ein: Power-Metal-Pathos, Thrash-Metal-Tempo und Death-Metal-Doppelbass („Cloud Connected“, „Deliver Us“). Laut Frontman Anders Fridén sei Deutschland eigentlich der Grund, warum er am Freitag auf der Bühne stehe. Mit zehn Jahren habe er sich in die Scorpions verliebt. Heute schreit er in die Menge: „We can‘t go back to the 70s, but we can go back to the 90s!“ Die Antwort ist klar. In der Euphorie fliegen sogar einige (noch gefüllte) Bierbecher über die Köpfe der Menge hinweg. Mit „Food For The Gods“ und „Coerced Coexistence“ rastet die Sporthalle so richtig aus.
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Danach werden die Tracks härter („Trigger“), die Moshpits größer („Alias“). Gesanglich gibt es einige flache Stellen, doch beim Growlen brilliert Fridén mit seinem voluminösen Kehlgesang. Zum Abschluss bedankt er sich bei den Zuschauerinnen und Zuschauern, ein kleiner Teil ihres Lebens sein zu dürfen. „Das war echt süß von ihm“, kommentiert ein Fan. Gar nicht so böse, diese ganzen Metal-Heads. Nur eben eine etwas untypische 90er-Party.
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