Hamburg. Ein Auto als Hingucker und ein unterschätzter Musiker mit Charakter: Auf seinem Hamburg-Konzert erinnert Bryan Adams auch an Tina Turner.

Das Auto ist ein Hingucker. Auf einer Leinwand in der Barclays Arena ist ein offener Straßenkreuzer aus den 70ern zu sehen, der seine beste Zeit zwar schon hinter sich hat, aber für ein Lebensgefühl steht. Für unendliche Freiheit, für die Weite Nordamerikas, für jugendliche Energie – und für Rock‘n‘ Roll.

„So Happy It Hurts“ ist in großen Lettern auf die Karosserie geklebt, es ist der Titel von Bryan Adams‘ aktuellem Album und der Name der laufenden Tournee. Um Punkt 20 Uhr schwebt ein ähnliches Auto zu den Klängen von „Whole Lotta Shakin‘ Goin‘ On“ mit aufgeblendeten Scheinwerfern über die Köpfe der Zuschauer. 15 Minuten lang schaukelt der aufgepumpte Plastik-Cruiser durch die Arena, vom Band kommen noch mehr Rock-Klassiker der 50er-Jahre, statt mit einer Vorgruppe stimmt Adams seine Fans mit diesem Gag auf die folgenden zweieinhalb Stunden ein.

Bryan Adams: Straßenkreuzer schweben durch die Hamburger Barclays Arena

Eine donnernde Stimme spricht die ersten Verse aus dem Alten Testament, doch etwas fehlt im göttlichen Schöpfungsprozess: der Rock‘n‘ Roll. „Let there be guitar!“, dröhnt es aus den Lautsprechern, und dann sind Adams und seine Band da.

Schon mit „Kick Ass“ vom aktuellen Album wird klar, wohin die Reise an diesem Abend in der Barclays Arena geht. Das Quartett spielt überwiegend beinharten Rock, von radiokompatiblem Schmuserock bleibt nichts übrig. Die Balladen, die Adams auf seiner 29 Songs umfassenden Setliste stehen hat, singt er unsentimental oder er lässt sie singen. Als er „Please Forgive Me“ anstimmt, fällt das Auditorium sofort mit ein und übernimmt den Gesangspart. Auch später bei „(Everything I Do) I Do It For You“ übernimmt der vielstimmige Chor der Fans.

Bryan Adams: Nicht jeder seiner unzähligen Hits hat es ins Repertoire des Abends geschafft

Zwar absolviert Adams bei dieser Tournee auch ein „Best-of“-Programm, doch nicht jeder seiner unzähligen Hits hat es ins Repertoire des Abends geschafft. Dafür gibt es eine Reihe von Coverversionen wie „Rock And Roll Hell“ von Kiss, „Running Scared“ von Roy Orbison sowie eine Würdigung von Tina Turner. „Mit ihr gemeinsam war ich 1985 in Hamburg“, erinnert Adams sich und widmet ihr  „It‘s Only Love“, das er in den 80er-Jahren mit ihr aufgenommen hat.

Der gebürtige Kanadier, inzwischen 64 Jahre alt und seit 40 Jahren im Popgeschäft erfolgreich, steht immer noch für strahlende Jugendlichkeit. Gertenschlank, ganz in Weiß gekleidet, steht er auf der Bühne und ist ein Beispiel für Charisma. Er scherzt mit seinen Fans, streut immer wieder kleine Döntjes in seine Ansagen ein, interagiert mit seiner exzellenten Band und nutzt die Breite der Bühne, um sich möglichst vielen seiner Bewunderinnen ganz nah zu zeigen. Seine Juvenilität hat er in dem Song „18 Till I Die“ auf den Punkt gebracht. In der Barclays Arena sind nicht nur Fans der Generation Ü 50, denen Adams den Soundtrack ihrer Jugend geschenkt hat, sondern auch viele junge Frauen. Jede von ihnen kennt natürlich „Summer Of 69“, Adams‘ Superhit, der zu jeder Abi-Feier dazugehört.

Barclays Arena: Bryan Adams hat einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik und Dramaturgie

Der Song findet sich auf „Reckless“, einem Album, das 1984 durch die Decke ging. Adams hat Songs aus jeder Phase seines Schaffens auf die Songliste gesetzt, doch aus „Reckless“ hat er gleich sechs Stücke ausgewählt. Nummern wie „Kids Wanna Rock“ und „Run To You“ passen perfekt in seine aktuelle Rock-Show. Aber es gibt auch ruhige Momente an diesen Abend. Die Zugaben sind akustisch, und auch schon zuvor hängt er sich bei seinem Vater gewidmeten „Shine A Light“ oder bei „When The Night Comes“, das er für Joe Cocker geschrieben hat, eine akustische Gitarre um und singt diese Songs solo oder im Duett mit seinem Keyboarder Gary Breit.

Adams, auch als Fotograf erfolgreich, hat einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik und Dramaturgie. Dieser Abend ist abwechslungsreich und zeigt die künstlerische Größe von Adams. Zuweilen unterschätzt, gehört er in eine Reihe mit anderen Rock-Größen wie Sting oder Mark Knopfler.

Mehr Kultur in Hamburg

Gegen Ende dieses mitreißenden Abends kommt auch noch mal der schwebende Straßenkreuzer zum Einsatz. Als die Band „So Happy It Hurts“ anstimmt, steigt er aus seiner Parkposition neben der Bühne auf und zeigt mit der Aufschrift, wofür Bryan Adams steht: Er ist ein positiver Künstler, der die Augen nicht vor den Problemen der Welt verschließt. Doch er lamentiert nicht, sondern engagiert sich mit einer eigenen Stiftung und anderen Kampagnen für die Rettung des Regenwaldes und der Wale oder die Befreiung politischer Gefangener sowie bei etlichen Benefizkonzerten.

Bryan Adams ist ein Rocker mit Herz und Aura. Das macht ihn so besonders.