Hamburg. Perfektion und Überraschungen: Die Stargeigerin und ihr Konzertpartner Lambert Orkis hoben das Publikum im Großen Saal aus den Sitzen.
Nach ihrem Gastspiel mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra vor einem Monat verschlägt es Anne-Sophie Mutter am Mittwoch erneut in die Elbphilharmonie, diesmal mit ihrem langjährigen Konzertpartner Lambert Orkis. Der Große Saal ist ausverkauft, ein Teil der Einnahmen geht an die Deutsche Krebshilfe, deren Präsidentin Anne-Sophie Mutter ist. Die große Frage zu Beginn lautet: Welche Überraschungen darf man erwarten von einem solch renommierten, eingespielten Duo?
Mozarts Violinsonate G-Dur KV 301 als erster Programmpunkt wirkt wie eine Vorschau für den Rest des Abends, in der die beiden alle Besonderheiten ihres Spiels schon einmal anklingen lassen. Nicht umsonst ist das Duo für seine Interpretationen von Mozarts Violinsonaten mit dem französischen „choc de l’année“ ausgezeichnet worden.
Anne-Sophie Mutter: Absolute Hingabe in der Elbphilharmonie
Anne-Sophie Mutter zeigt neben ihrem ungemein klaren Klang ein einzigartiges Legato, das jeden Ton lebendig hält. Lambert Orkis‘ Spiel ergießt sich kantenlos von der Klaviatur über die Bühne in den Saal. Mit solch unprätentiöser Leichtigkeit und Synchronität bewegen sich die beiden durch Läufe und Accelerandi, dass ein sanfter Dialog entsteht, ein Streitgespräch zweier Menschen, die nicht streiten möchten.
Schließt man zu Beginn von Schuberts Fantasie C-Dur D934 die Augen, meint man in unbeschwerten Trillern und Pizzicati Vögel zu hören, die durch den Saal flattern und am Parkett picken. Das Finale Furioso ruft schon zur Pause vereinzelte Standing Ovations hervor.
Anne-Sophie Mutter: Drei Zugaben für das stehende Publikum
Clara Schumanns „Drei Romanzen op. 22“ gelingen daneben sehr harmonisch, was nicht zuletzt an Orkis‘ höflicher Zurückhaltung liegt. Auf diese Weise wirken die Stücke jedoch eher wie „Drei alte Bekanntschaften“. Und das, obwohl Clara Schumann sie in der Zeit ihres Kennenlernens mit Brahms komponierte. Aber das Programm hat eine gelungene Dramaturgie, und so nimmt sich Orkis bei Ottorino Respighis Violinsonate h-Moll P110 jene Freiheit, die er bei Clara Schumann noch entschlossen von sich gewiesen hatte. Respighis hochromantisch-impressionistischer Stil ermöglicht es den beiden, die immense Farbigkeit ihres Spiels herauszustellen.
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Vor stehendem Publikum geben die beiden drei Zugaben – zwei Ungarische Tänze von Johannes Brahms und einen John Williams – bevor sie lachend und sich umarmend von der Bühne gehen. Bei aller erwartbarer Perfektion liefert diese Darbietung Überraschendes: Ihre Genialität liegt nicht in den blitzsauberen Doppelgriffen oder schwindelerregenden Läufen. Sie liegt darin, dass Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis nach 35 Jahren noch immer den Eindruck vermitteln, sie wollten nie aufhören zu spielen – für einander und für das Publikum, das sie gerade umgibt.